Veränderungen des Pfarrhaus von Engerhafe

Am 19.04.2012 wurde dem Kirchenvorstand der Abschlussbericht von der Firma Tonndorf über die Untersuchung des alten historischen Pfarrhauses vorgelegt. Herr Tonndorf hat dabei anhand von Fotos die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst. Schwerpunkte waren dabei zum einen die Bauentstehung und -entwicklung über die Jahrhunderte hinweg und zum Anderen hat er Möglichkeiten und Empfehlungen zur Renovierung, weiteren Nutzung und Umgestaltung des Gebäudes erläutert. Nach Aussage des Gutachtens ist der älteste Teil (der Keller) etwa 1350 erbaut worden. Auch der Ostgiebel und die Nord- und Südwand sind möglicherweise ebenso alt. Nach 1530 wurde das Haus in großen Teilen neu erstellt und dabei zum Westen hin vergrößert. Soweit das Gutachten.

Der Grund für die umfangreichen Bauarbeiten um 1530, mag ein Brand des Hauses gewesen sein, wahrscheinlicher aber wurde es durch kriegerische Handlungen zerstört. Es war die Zeit der sächsischen Fehde (1514-17). Eggerik Beninga (1490 – 1562) schreibt in seiner Chronik der Friesen, dass die „Schwarze Garde“ im August 1514 von Norden über Marienhafe raubend und brennend bis nach Hinte zog.

Bei dem grundlegenden Umbau 1530, wurde wahrscheinlich auch die vorhandene Wendeltreppe an der Nord-Ost-Seite des Gebäudes entfernt. Der ursprüngliche Zugang des Kellers von außen an der Ostseite wurde geschlossen. An seiner Stelle wurde ein innerer Zugang in der Mitte der Nordseite zum Wirtschaftsteil erstellt. Dieser Wirtschaftsteil an der Nordseite war von Anfang an vorhanden, aber noch stärker als das historische Steinhaus, wurde es wegen der sich ändernden Nutzung, ständig umgebaut.

Der Wirtschaftsteil diente ursprünglich der Bewirtschaftung des Haushalts des Pfarrers und der Landwirtschaft, die das Einkommen des Pfarrers sicherstellte. Zusammen mit der damals vorhandenen 2. Pfarrstelle waren mehr als 40 ha Pfarrland vorhanden. Einen radikalen Umbau erlebte das Pfarrhaus um 1911. Damals wurde der komplette Wirtschaftsteil abgerissen und erneuert. Vorgesehen war damals noch eine teilweise landwirtschaftliche Nutzung. Zuletzt war es Wohnung und Dienststelle des Pfarrers und Raum für die Gemeindearbeit. Ursprünglich wurde ein Raum nur für die Konfirmandenarbeit genutzt, später bildeten sich immer mehr Gruppen, Kreise und Chöre, welche die Gemeinderäume mitnutzten.

Zur Zeit des 2. Weltkriegs und danach, in der es auch eine 4-jährige Vakanzzeit gab, diente das Pfarrhaus und auch der Gemeinderaum zunächst als Baubüro für das Barackenlager das hier errichtet wurde. Es wurde Anfang Februar 1942 von der Organisation Todt beschlagnahmt. Danach zogen ausgebombte Emder ein. Dabei wurden zusätzliche Wände gezogen, um mehr Zimmer zu erhalten. Dieses wurde nach Beseitigung der Wohnungsnot wieder rückgängig gemacht.

1963 wurde noch einmal umgebaut und 1973 schließlich verschwand die landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit. Dafür wurde der hintere Scheunenteil abgerissen und Gemeinderaum, jetzt mit einem Vorraum, einer Küche und Toilettenräumen in Flachdachbauweise gebaut. 1977 wurde noch einmal im Pfarrhaus umgebaut. Die Treppe wurde vom Flur in das Esszimmer verlegt und die Küche umgebaut. 1987 wurde ein Dachstuhl über den Flachdachanbau im Gemeindehaus erstellt der oben einen zusätzlichen Gemeinderaum schuf die über ein angebautes Treppenhaus erreicht werden konnte.

Wir sehen wie viele Umbauten alleine schon in den letzten 100 Jahren vorgenommen wurden, um das Haus den sich verändernden Nutzungsbedingungen anzupassen. Das ist auch jetzt wieder nötig. Ein neues Pfarrhaus wurde in Oldeborg/Upende gebaut und die Pfarrwohnung im alten historischen Pfarrhaus wird nicht mehr benötigt.

Viel Kritik hat sich der Kirchenvorstand wegen dieser Vorgehensweise anhören müssen. Deshalb möchte ich auf die wichtigen Punkte eingehen, die zu dieser Entscheidung führten.

Als Pastor Sanders Ende 2008 aus der Pfarrwohnung auszog, sollte sie gründlich renoviert und instand gesetzt werden. Eine vorsichtige Schätzung durch Fachleute ergab eine Summe von 200.000,- €. Dazu kommt, dass das Gemeindehaus auch renovierungsbedürftig ist. Hier fehlt es an einem barrierefreien Zugang, an behindert gerechten Toiletten, die Küche ist zu klein und überall fehlt es an Abstellmöglichkeiten. Wahrscheinlich wäre dieselbe Summe auch hier nötig.

Für die Kirchengemeinde sind es Beträge, die sie alleine nicht aufbringen kann. Sie erhält etwa 3.600 € pro Jahr zur Unterhaltung ihrer Bauten (Kirche, Glockenturm, Gemeinde- und Pfarrhaus) und ist darum auf Gelder angewiesen, die sie bei der Landeskirche, bzw. dem Kirchenkreis beantragen muss. Die Landeskirche ist für Neubauten und Kirchen zuständig. Der Kirchenkreis Aurich für die Sanierung und Renovierung der Pfarr- und Gemeindehäuser.

Der Kirchenkreis erklärte 2009, das die Pfarrhaussanierung, aus finanziellen Gründen, nur in mehreren Bauabschnitten durchgeführt werden könnte. Aber eine lange Bau- und Sanierungsphase, die sich auf mehrere Jahre hinauslief, war für den Kirchenvorstand damals nicht hinnehmbar, denn die Kirchengemeinde suchte einen neuen Pastor und welcher neue Pfarrer möchte über Jahre in einer permanenten Baustelle wohnen.

Ein Ausweg bestand darin, ein Haus von der Stange zu kaufen. Die Baukosten beliefen sich etwa in Höhe der Sanierungskosten. Dazu gibt es jetzt auch Geld von der Landeskirche, weil es ein Neubau ist. Das Verfahren hatte weitere Vorteile. Wir können jetzt dem Pfarrstelleninhaber eine neue moderne Wohnung, mit sehr niedrigen Energiekosten, in einer Wohngegend mit einer Grundschule und jungen Familien anbieten. Das steigert, auch für die Zukunft, unsere Chancen attraktive Bewerber auf unsere Pfarrstelle zu erhalten.

Wenn wir jetzt die bisherigen Gemeinderäume und die nicht denkmalgeschützten Teile der ehemaligen Pfarrwohnung erneuern, können die oben geschilderten, dringend notwendigen, Verbesserungen endlich durchgeführt werden.

Und darum kommen wir wieder auf das Gutachten der Fa. Tonndorf zurück. Er gibt uns Hinweise wie ein Umbau gelingen kann. Er erklärt uns, dass das Äußere des Steinhauses erhalten werden muss, z. B. beim Auswechseln von defekten Fenstern. Wo aber keine historische Bausubstanz vorhanden ist, können auch moderne Baumaterialien verwendet werden. Das bedeutet für die Kirchengemeinde das diese Räume dann auch wirtschaftlich genutzt werden können. Durch Verringerung der Kosten für Energie, Pflege und Bauunterhaltung können wir dann Geld einsparen.

Das ist für unsere Kirchengemeinde sehr wichtig, weil z. B. die Energie- und Lohnkosten ständig steigen, aber unserer Zuweisungen von der Landeskirche stagnieren. Wir brauchen unser Geld dann nicht nur für die Gebäude ausgeben, sondern können die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Alten weiterhin unterstützen.

Die gründliche Sanierung eines Gebäudes von über 350 m² wird nach aller Erfahrung mehr als doppelt so teuer werden, wie der Neubau eines Gebäudeteils von 140 m². Die andere Möglichkeit das Pfarrhaus in seiner bisherigen Form beizubehalten, gestaltet sich nach Meinung des Kirchenvorstands sehr schwierig. Die gesamte Fläche ist über 350 m² groß. Der Kirchengemeinde „stehen“ nach den Richtlinien der Landeskirche aber nur 140 m² zu. Für über 210 m² müssten ein zusätzlicher Nutzer gefunden werden, der diesen Gebäudeteil verlässlich nutzt und auch die laufenden Unterhaltungskosten dafür aufbringen kann.

Darum plant der Kirchenvorstand die Gemeinderäume zu erneuern und das historische Steinhaus zum größten Teil dem Verein Gedenkstätte KZ-Engerhafe zu überlassen, der darin eine Ausstellung und Gedenkstätte einrichtet.

Für den Kirchenvorstand    Gerd Lücken

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