Vorwort
Die Beiträge zur Engerhafer Kirchen- und Ortsgeschichte, die unter der Rubrik „Ut verleden Tiden“ im Gemeindebrief der Kirchengemeinde Engerhafe vom Juli 1979 bis zum Mai 1994, veröffentlicht wurden, sind von Martin Wilken geschrieben worden. Er war Heimatforscher und hat unzählige Aufsätze zur Engerhafer Geschichte geschrieben. Zusammen mit Martin Hoffmann war er ebenfalls in der Zeit von Februar 1979, bis zu seinem Tod am 21. Februar 1994 Redakteur des Engerhafer Gemeindebrief: „Gemeinde aktuell“. Zum Kirchenjubiläum im Jahre 2000 sollten einige Beiträge der Serie „Ut verleden Tiden“ in der Festschrift erscheinen. Gerd Lücken hatte dazu im Vorfeld alle Beiträge aus dem Gemeindebrief digitalisiert. Hier an dieser Stelle können wir jetzt alle Beiträge veröffentlichen.
Inhaltsverzeichnis
Ut verleden Tiden.
Zustand des Kirchengebäudes 1765.
Der Altar in der Kirche zu Engerhafe.
Die Bronzetaufe in der Kirche zu Engerhafe.
Die Glocken der Kirche zu Engerhafe.
Kirchenvisitation 1769.
Knochen in der Kirchenmauer.
Das Kirchen- und Pastoreiland in Engerhafe.
Kirchen- und Schuldienst zu Engerhafe um 1700.
Die Taufe eines Juden.
Ein dreifacher Mord 1769.
Broer Jürgen Lienesch.
Abendmahlbesuch 1800.
Was alte Kirchenrechnungen erzählen.
Her Almer, Kerkheren tho Butae in Broke.
Pastor König 1746.
Fiskus gegen Kirchenvorstand Engerhafe.
Das Register des Pastors Friedericus von 1552.
Die Gründung der Kirchengemeinde Münkeboe-Moorhusen.
Die Schulen in Engerhafe und Oldeborg.
Ut verleden Tiden
Unter dieser Überschrift soll künftig, wenn der Platz in diesem Blatt ausreicht, ein kleiner Bericht aus der Geschichte unserer Kirchengemeinde abgedruckt werden. Im Pfarrarchiv liegen eine Menge Akten aus alter Zeit, in denen manche Begebenheit verzeichnet ist, die den einen oder anderen, unserer heut lebenden Generation interessieren dürfte.
Zustand des Kirchengebäudes 1765
Die Sorgen um die bauliche Unterhaltung unserer Kirche waren vor 250 Jahren nicht viel geringer als auch heute noch. So schrieb im Jahre 1765 der damalige Pastor Anton Gottlieb Reershemius folgenden Bericht über den Zustand des Kirchengebäudes, der hier in der damals üblichen Rede- und Schreibweise wiedergegeben wird:
„Die Kirche zu Engerhafe ist 208 Fuß lang und 43 Fuß breit. Die Mauern sind in gutem Stande. Das Dach, welches mit Schiefer oder Ley gedecket, ist so beschaffen, daß alle 2 Jahre in etwas Hand muß angeleget werden; weil an so vielen Stellen das so genannte Bekleide-Holz, auf welchem der Schiefer geheftet wird, bey nahe vermodert, und nicht nagelvest ist. Und da die Kirche hoch stehet, auch an sich eine große Höhe hat, und allen Winden, und Sturm-Winden exponiret, als ist das Dach durch öftern, gehabten Sturm-Winde, mannigmal ser schadhaft geworden, welche Ruptüren (Reparaturen) als im Jahr 1748, 200 Rtlr. (Reichstaler) und im Jahr 1757 ein nicht geringes Kirchen-Capital absorbiret haben. Diesen verwichenen Sommer sind die baufälligsten Lücken des Daches ausgebeßert worden.
Der Kirchen-Boden, so von eichen Brettern, im Chor aber gewölbet ist, ist so baufällig, daß die Arbeiter die darauf zu thun haben, alle Vorsichtigkeit, um nicht durchzufallen, gebrauchen müssen, daher müßen an beiden Seiten langs der Mauer 3 bis 4 neue Dehlen in der Breite aufgeleget, und die Mauer-Platen beßer eingefüget, und versehen werden. Inwendig sollen die Mauren notwendig geweißet werden, welche Arbeit zukünftigen Sommer, weil im September ein großes Schill-Feuer von 151 1/2 Tonne Schille ist gebrennet, und daher Weißel-Kalk vorräthig, wird vorgenommen werden.
Es befindet sich darin ein Orgel-Werk, und daneben ein von der Kirche separirter Glocken-Thurm, worinnen 2 Glocken, wie auch ein Uhr-Werk; nebst auswärts am Thurm festgemachten, gefärbten und verguldeten Stunden-Zeiger. So wohl wegen der viel Defecten, und Angebung so vieler unrichtigen Stimmen im Orgel-Werk; als auch der vielen Breschen im Glocken-Thurm, bedürfen beide Theile einer schleunigen Verbeßerung. Das Uhr-Werk so bisher unbrauchbar gewesen, ist ietzo in der Arbeit, und wird gangbar gemacht werden.
Der Kirch-Hof ist an der Südseite mit schönen, hohen ipern Bäumen umgeben, welche der weyl. Fändrich Joh. Blancke, wie er anno 1704 bis 1711 Kirchverwalter gewesen, der Kirche verehret, … . An der Nordseite stehen Häuser, welche der Kirche järlich Erbpacht bezalen gegen Westen stehet der Glocken-Thurm, und eine Wohnung, davon auch järlich Kirchen-Grund-Heure gegeben werden muß. … Es hat derselbe 2 kleine Eintritte, und eine größere Pforte mit vergitterten Thüren versehen. Die 2 kleine liegen theils gegen Osten, theils gegen Noorden, die größere Pforte aber gegen Westen, dadurch die Leichen getragen werden; weil die Pfäler, woran die Thüren hangen, verrottet sind, so sollen selbige renouiret werden.
Wann und in welchem Jahre eigentlich die Kirche nebst dem Thurm erbauet, das Orgel-Werk und Uhr-Werk angeleget, davon findet man nicht die geringste Nachricht. Indeßen läßet sich so viel aus gewißen alten christlichen Uhrkunden erschließen, daß das Orgel-Werk schon vor 1622; und das Uhr-Werk vor 1665 müßen angeleget seyn. Die größere Glocke ist 1734 da selbige geborsten, umgegoßen; und weil abermals 1743 selbige bruchfällig geworden, ist sie im selbigem Jahre durch Umgießung wieder hergestellet. Die kleinere aber, wie die Aufschrift erweiset, ist 1634 gegoßen.“
Der Altar in der Kirche zu Engerhafe
Der Altar in der Kirche zu Engerhafe wurde 1694 bei Meister Hinrich Kröpelin zu Esens in Auftrag gegeben und 1698 in der Kirche aufgestellt. Der Vertrag über die Anfertigung des Altars befindet sich in den Akten des Pfarrarchivs zu Engerhafe. Er lautet (in etwas abgeänderter Form):
„Kontract wegen eines Altars,
aufgerichtet zwischen den Pastoren, dem Kirchvogt und den Eingesessenen des Engerhafer Kirchspiels einerseits, und dem Meister Hinrich Kröpelin andererseits, vom 21. Januar 1694:
Wir untengenannte Pastoren, Kirchvogt und Eingesessene des Engerhafer Kirchspiels haben heute von Meister Hinrich Kröpelin bedungen, einen Altar in unserer Kirche zu machen für 154 Reichsthaler samt zwei silbernen Dukaten, und zwar so, daß er den Altar gemäß dem Abriß verfertige, wie es einem ehrlichen Manne geziehmet zu machen, und hat er darauf sofort empfangen 40 Reichsthaler, welche er hiermit annimmt und verspricht, selbigen nach seinem besten und äußersten Vermögen innerhalb von sechs Monaten so zu verfertigen, daß die ganze Gemeinde darüber zufrieden sein und es ihm danken soll. Sobald der Altar fertig ist, sollen einige Eingesessene des Engerhafer Kirchspiels ihn von Esens abholen und an seine Stelle bringen. Alsdann soll Meister Kröpelin, wenn nichts dawider zu sagen sein wird, sein übriges Geld unfehlbar erhalten und ihm zum Dank geliefert werden.
Henricus Wolken, Pastor
Gerhardus Brawe, Pastor
Meindert Ennen,
Johann Heinrich Hennings,
Johannes Blancke,
Dodo Willen,
Reiner Schatteburg,
Hinrich Kröpelin.“
Am 17. Oktober 1698 quittierte Hinrich Kröpelin über den Empfang der restlichen Summe und bedankte sich zugleich für die gute Bezahlung. Hinrich Kröpelin, sein Vater und auch sein Bruder waren angesehene Schnitkermeister (eine alte Bezeichnung für Tischler und Bildschnitzer) in Esens. Er hatte zeitweise 6 Gesellen in Arbeit. Auch die Zahl der Lehrlinge, die bei ihm das Handwerk erlernten, war groß. Die Kröpelins sind in Esens seit dem Dreißigjährigen Kriege nachweisbar.
Die Bronzetaufe in der Kirche zu Engerhafe
Ein wertvolles Ausstattungsstück der Kirche zu Engerhafe ist die Bronzetaufe aus dem Jahr 1646. Die Gemeinde hatte sie gießen lassen als Ersatz für eine Ältere „Fünte“, welche 1623 von den Söldnern des Grafen von Mansfeld geraubt wurde, die damals Ostfriesland verheerten.
Der glockenförmige Kessel ruht auf vier hohen, flachen Stützen, auf denen die vier Evangelisten dargestellt sind. Oben trägt er eine zweizeilige lateinische Inschrift, darunter, in der Hauptzone, die Bilder der zwölf Apostel, einen Kruzifixus mit Maria und Johannes und eine stehende Maria mit dem Kinde. Die Apostel sind mit Inschriften bezeichnet. Die Madonna, die eine etwas geringere Größe hat als die anderen Figuren, steht über einem geflügelten Engelkopf. Darunter ist ein reiches Rankenwerk angebracht. Die Inschriften lauten zu Deutsch:
(oben)
„Dieses eherne Taufgefäß ist anstelle des von den Mansfeldern geraubten, durch ein Legat Gayko Agenas von 300 Gulden, durch einen Zuschuss der Kirchenkasse und durch sonstige Gaben neu hergestellt, als Johann Volkamp und Nik. Schribonius Prediger, Noa von Petkum und Lüppo Hipkena Kirchvögte waren. Im Jahre 1646.“
(unten)
„M. Claudius Voillo und M. Godtfried Boulard gossen mich.“
Der Guß dieses Taufgefäßes erforderte sorgfältige Vorbereitungen, bis zur Fertigstellung vergingen 2 Jahre. Aus alten Rechnungsbüchern können wir noch Einzelheiten dieser Arbeiten erfahren. Am 6. Juni 1644 trafen sich die Pastoren und Kirchenvögte mit den Glockengießern im Wirtshaus zu Engerhafe, um „wegen einer neuen Fünten“ zu verhandeln. Am nächsten Tag fuhr Lüppo Hipkena mit den Meistern nach Groothusen und Eilsum, um die in den dortigen Kirchen befindlichen Taufen zu besichtigen. Der Auftrag wurde den Gießern am 9. Februar 1645 in Aurich erteilt, nachdem zuvor die letzten Bedingungen im Beisein des gräfl. Rentmeisters Noa von Petkum, der in Engerhafe auch Kirchenvogt war, ausgehandelt worden waren.
Im Juni des nächsten Jahres war der Guß vollendet, der in Weener stattfand. Von dort ist die „Fünte“ zu Schiff nach Emden gebracht worden, von wo aus sie mit Pferden und Wagen nach Engerhafe transportiert wurde. Im Rechnungsbuch ist vermerkt: „… für Fracht und sonsten geben für denselben auf die Wagen zu helfen, 2 Gulden 7 schaf.“ Und weiter: „Henrich Arenß und ich (L. Hipkena) haben verzehret, item vor Tau damit die Fünte zurecht gebunden, inssamt bezahlet 1 Gulden, 5 schaf“.
Um sich zu vergewissern, daß die Gießer auch das richtige Metall zum Guß verwendet hatten, holte man aus Emden einen sachverständigen Meister, der die „Speise der Fünten“, also die zum Guß verwendete Metallmischung, untersuchen musste. Die hierfür aufgewendete Kosten betrugen 12 Gulden, 4 schaf. Die Gesamtkosten dieser Taufe beliefen sich auf 637 Gulden.
Diese Summe wurde finanziert durch die Stiftung des Gayko Agena von 300 Gulden, durch sonstige Spenden der Einwohner und durch Zuschüsse der Kirchenkasse. Die Kirchenkasse hatte aber nicht genügend Geld. Deshalb wurde bei der Engerhafer Armenkasse ein Darlehen von 150 Gulden aufgenommen. Im Rechnungsbuch des Jahres 1647 heißt es: „d. 24. Apriliis. Von den Armen alhir zu Engerhoffe auf Rente genommen 150 Gulden“.
Die Armenkasse verfügte meistens über mehr Geld, als zur Unterstützung der Armen nötig war. Sie verlieh dann Geldbeträge an diejenigen Einwohner, welche Kredite benötigten. Der Zinssatz betrug zumeist 5%. Sie stellte daher für die heimische Wirtschaft die Kredite zur Verfügung und war gewissermaßen Vorläufer der modernen Kreditinstitute.
Die Glocken der Kirche zu Engerhafe.
Seit wann die ersten Glocken in Engerhafe die hier lebenden Menschen zum Gottesdienst riefen und zu anderen Anlässen ihre ehernen Stimmen erschallen ließen, ist nicht bekannt. Wir dürfen aber annehmen, dass an diesem Ort schon seit Erbauung der Kirche Mitte des 13. Jahrhunderts, vielleicht sogar schon noch früher in der älteren Holzkirche, Glocken vorhanden waren. Die älteste Nachricht über hiesige Glocken findet sich im Testament des letzten Ocko tom Brok vom 26. April 1435 (Ostfries. Urkundenbuch Nr. 443), in dem er der Kirche zu Engerhafe ein großes ehernes Gefäß als Beisteuer zu einer Glocke vermachte. Damit erfüllte er ein Versprechen, nachdem er in der Schlacht auf den wilden Äckern im Jahre 1427 Land und Freiheit verlor, und als gebrochener Mann jahrelang ein Gefangener Focko Ukenas war. Wie die Gemeinde Engerhafe diese letztwillige Verfügung ausgeführt hat, wann und welche Glocke gegossen wurde, liegt im Dunkeln.
Die erste Nachricht über einen Glockenguss in Engerhafe erhalten wir aus den Kirchenrechnungen der Jahre 1552-54. Damals wurden Materialien bezahlt, die für den Guss einer Glocke verwendet werden sollten: Holz, Speck, Lehm, Rop und Eisenwerk für die Herstellung des Modells. Als Unternehmer werden dort Gerd Klockgieter und Meister Anthonis Klockgeeter genannt, von denen einer oder vielleicht auch beide in Uphusen wohnten, was aus dem Vermerk „dem meester tho Ophusen“ hervorgeht. Die genauen Kosten der Glocke können nicht mehr ermittelt werden. Vielleicht waren in vorhergegangenen älteren, nicht mehr erhaltenen Jahresrechnungen, weitere Ausgaben für diese Glocken verbucht. Der Glockenguss, der auf dem Kirchhof zu Engerhafe stattfand, wurde hinreichend gefeiert. In der Rechnung steht: „als men de klocke goet, verteert 5 fl. 4 sch.“ Damals betrug der Tageslohn für einen Arbeiter 4 schaf, 10 schaf = 1 Emder Gulden. Zu der Feier wurden also Tagelöhne für 54 Arbeiter verbraucht. Einzelheiten über Größe, Gewicht und Inschrift dieser Glocke sind nicht überliefert.
In Engerhafe gab es damals 3 Glocken. Im Jahre 1553 musste Henrick van Nessen die 3 Glocken im Turm umhängen. Das geschah unter Aufsicht des Meisters Anthonis. Wie lange diese Glocken ihren Dienst versahen, wissen wir nicht. Aus den noch erhaltenen Rechnungen ist zu erkennen, dass sie und auch die anderen Kirchengeräte und Gebäude ordentlich gepflegt wurden. Neben kleinen regelmäßig wiederkehrenden Ergänzungen an Tau, Schmier, Lederwerk oder einmal auch „veer eken stocken tho de Klocke, darup men tret, wenn se gelütt wort“, musste 1609 der Dorfschmied Frederick den Klöppel der großen Glocke wieder zusammenschmieden. Zwei Jahre später aber musste er gänzlich erneuert werden. Das konnte nur in Emden erfolgen und erforderte zusätzliche Transportkosten. Seit 1593 berichten die Kirchenrechnungen nur noch von der großen und von der kleinen Glocke. Die 3. Glocke wird wohl den Weg alles Irdischen gegangen sein. 1613 war die kleine Glocke unbrauchbar geworden, sie wurde in Engerhafe umgegossen. In der Rechnung sind leider keine Angaben über den Gießer und andere Einzelheiten der Glocke enthalten, wohl aber, dass man anlässlich des Gusses eine Feier veranstaltete, bei der diese dann mit allerlei Hilfskräften in den Glockenturm gebracht wurde.
Einige Jahre später brach der 30-jährige Krieg aus (1618-1648), in dessen Verlauf im Oktober 1622 die Mansfelder nach Ostfriesland kamen und das Land stark verheerten. Aus der Kirche Engerhafe raubten sie das Taufbecken. Aber schon 1633 wird von Wiederherstellungsarbeiten am Glockenturm berichtet, auch wurde eine neue Glocke gegossen, sofern die Inschrift auf einer späteren „1634/1872“, auf einer richtigen Überlieferung beruht. Seit 1633 wird mehrfach die große Glocke erwähnt, seit 1635 auch die kleine. Außerdem gab es seit 1593 im Glockenturm ein Uhrwerk, welches 1635 wieder instandgesetzt wurde. Diese Uhr hat bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts ihren Dienst getan und ist danach nicht wieder erneuert worden.
1696 zerbrach die große Glocke und musste umgegossen werden. Wegen der Finanzierung wandte man sich an den Landesherrn Christian Eberhard um eine Beihilfe, zumal die Domäne Amerland zum Kirchspiel Engerhafe gehörte. Bis zur Zahlung dieses Zuschusses dauerte es noch 2 Jahre. Auch in der Gemeinde wurde für die Glocke Geld gesammelt.
Der Glockenguss, zu dem auch der Fürst eingeladen war, erfolgte 1698 und wurde mit einer besonderen Glockenpredigt vorgenommen. Die Glocke wog etwa 3.000 Pfund. 35 Jahre später war die große Glocke wiederum unbrauchbar geworden. Mit behördlicher Zustimmung wurden im Mai 1734 die letzten Vorbereitungen zum Guss getroffen. Glockengießer war Wilhelm Fremy der zu der bekannten ostfriesischen Familie gehörte, die im 17. Jahrhundert über Holland aus Lothringen eingewandert war.
Diese Glocke wog etwa 3.200 Pfund und kostete 740 Gulden, von denen der Glockengießer 168 Gulden erhielt. Der größte Teil dieser Summe war durch freiwillige Gaben aufgebracht worden. In zwei „Umgängen“ des Pastors und der Kirchenvorsteher waren 578 Gulden 9 schaf und 2 1/2 witt gesammelt worden, ein Zeichen großer Opferwilligkeit der Gemeinde.
Leider zerbrach diese Glocke schon im folgenden Jahr, und man musste sich mit der kleinen Glocke allein begnügen. Da auf die Dauer dieser Zustand für die Gemeinde nicht befriedigend war, entschloss man sich 1743 zu einem Umguß. Die neue Glocke wurde am 16. September 1743 durch den Glockengießer Ihnke Inkes Heidefeld in Loppersum gegossen, weil dieser zu der Zeit auch für die Gemeinde Loppersum 2 neue Glocken herstellen musste. Die Engerhafer Glocke wog etwa 3.300 Pfund und kam am 28. September 1743 in den Turm. Sie hatte eine längere Lebensdauer als ihre Vorgängerinnen, erlitt aber am 5. Oktober 1797 ein eigenartiges Missgeschick: Sie fiel aus dem Turm, die Kronenöhren waren gebrochen. Es gelang jedoch, sie mit „eisernen Bolten“ auszubessern und wieder aufzuhängen, ohne dass ihr Klang Schaden litt.
Das währte bis 1870, dann zersprang auch diese Glocke. Die Gemeinde verpflichtete am 2. März 1870 den Glockengießer Mammeus Fremy (den vierten dieses Namens) aus Reepsholt, eine neue Glocke im Gewicht von 4.300 Pfund zu gießen. Als sie vollendet war, hatte man mancherlei an ihr auszusetzen; so am Gewicht und an der Tonbeschaffenheit. Noch während der Verhandlungen zersprang auch die andere Glocke.
Der Kirchenvorstand erteilte (1872) nunmehr der Firma J. H. Bartels in Hildesheim den Auftrag auf 2 neue Glocken im Gewicht von 5.000 Pfund und 2.800 Pfund. Die Firma übernahm die von Fremy gegossene und das Metall der zerbrochenen zweiten Glocke in Zahlung. Die schwerere Glocke soll die größte im Kreise Aurich gewesen sein und musste im 1. Weltkrieg abgeliefert werden. Sie wurde zum letzten Male am 29. Juli 1917 geläutet.
Erst 1932 konnte eine Ersatzglocke in Auftrag gegeben werden, welche die Firma Radler in Hildesheim lieferte, 2.100 kg wog und 2.125,89 RM kostete. Die Mittel für diese wurden durch Sammlungen in der Gemeinde aufgebracht. Am oberen Rand trug sie die Inschrift:
„Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“.
Auf der einen Seite des Mantels befand sich eine Christusfigur, auf der anderen Seite folgender Vers:
„Der große Krieg nahm von hier fort
die vor mir hing an diesem Ort.
In schwerer Zeit kam ich nun her,
will klingen laut zu Gottes Ehr.
Möcht lange läuten ins Land hinaus,
möcht viele rufen ins Gotteshaus.
Kirchengemeinde Engerhafe 1932“
Diese Glocke konnte nur knapp 10 Jahre der Gemeinde dienen, sie musste im Januar 1942 abgeliefert werden und wurde im Februar 1945 eingeschmolzen. Das war die zweite Glocke, die dem Kriege zum Opfer fiel. Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges wurde alles versucht, um das Geläut wieder zu vervollständigen. Diese Bemühungen hatten Erfolg. Die Gemeinde erhielt aus dem Glocken-Sammellager Hamburg-Billwerder eine Patenglocke von 880 kg Gewicht. Sie wurde im Jahre 1796 von einem Breslauer Meister gegossen und läutete bis 1944 für die Kirche zu Kreuzberg in Schlesien um dann für Kriegszwecke abgeliefert zu werden. Am 17. Februar 1952 wurde sie mit einem feierlichen Gottesdienst in Engerhafe in Benutzung genommen. Seitdem hat die hiesige Kirche wieder zwei Glocken im Turm.
Kirchenvisitation 1769
Am 14. Sonntag nach Trinitatis des Jahre 1769 verlas der Pastor Reershemius nach der Predigt folgende Bekanntmachung des Kirchenvorstandes von der Kanzel:
„Die Kirchenverwalter hieselbst laßen jedermänniglich so hieselbst Kirchen-Stühle und Lägerstedte oder Begräbniße in der Kirche haben, erinnern, daß sie gegen die schon angesetzte Kirchen- u. Schulvisitation ihre zerbrochene und baufällige Kirchenstühle mögen verbeßern; und die Kirchen Lägerstäte oder Begräbniße im Kirchen-Gang, so bisher gesunken und nicht gefluret gewesen, mit Floren belegen. Und können sich die Intereßenten am 30. August hieselbst in der Kirche des Nachmittags um 2 Uhr einfinden und mit denen Kirch-Verwaltern Abrech nehmen, wie der Kirchengang soll gefloret werden, widrigenfalls die Kirch-Verwalter sich genötiget sehen, auf der Nächläßigen Kosten alles in Ordnung bringen zu lassen.
Engerhafe, den 26. August 1769.
Kirch-Verwaltere hieselbst.“
Aus dieser Bekanntmachung lassen sich Schlüsse über den damaligen Zustand in der Kirche ziehen. So mussten sehr wahrscheinlich die Besitzer der Kirchensitze dieselben auf eigene Kosten herrichten und auch unterhalten. Da einige diese Arbeiten vernachlässigten, genau so wie auch die Schlöte oft vernachlässigt wurden (auch heute noch), werden in der Kirche öfters schadhafte Bänke vorhanden gewesen sein.
Noch nachteiliger muss sich die Sitte ausgewirkt haben, der zufolge im Kirchengang Beerdigungen vorgenommen wurden. In der Kirche wurden die hier verstorbenen Pastoren und ihre Familienangehörige bestattet und wohlhabende Interessenten, die in der Kirche Begräbnis, auch Lagerstätten genannt, erworben hatten. Wer es sich leisten konnte, ließ sein Grab mit großen Steinplatten belegen, auf denen Familienwappen und Inschriften eingraviert waren. Einige solcher Steinplatten sind noch heute in der Kirche an den Wänden aufbewahrt. Wie es aber scheint, wurden nicht alle Gräber so in Ordnung gehalten, wie es sich gehört, so daß an manchen Stellen im Kirchengang die nackte Erde lag. Das war natürlich ein unhaltbarer Zustand, der bis zur Kirchen- und Schulvisitation unbedingt behoben werden musste. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Beerdigungen in den Kirchen grundsätzlich verboten.
Knochen in der Kirchenmauer.
Im Protokollbuch des Kirchenvorstandes (1885-1930) fand sich folgende Eintragung:
„Engerhafe, den 30. Juli 1908
Gel. des Umbaus der hies. Kirche wurden heute in dem zweiten Rundfenster der Südmauer (vom Westgiebel an gerechnet), das seiner Zeit zugemauert, und jetzt geöffnet wurde, die Knochenreste von Menschen gefunden. Es wurde eine solche Menge zu Tage befördert, daß eine sargartige Kiste von etwa 2 m Länge, 50 cm Breite und 60 cm Höhe ganz damit angefüllt wurde. Es befanden sich wohl 15 Schädel darunter. Wie dieselben hineingekommen, ist nicht bekannt. Darunter vermischt befanden sich nebst einer Anzahl Ziegelbrocken und Kalkmörtelstücke 2 kleine abgebrochene Tonpfeifenköpfe und Glasscherben in grünlicher und gelblicher Färbung von 1 1/2 – 2 mm Dicke. Die Knochenreste wurden in eine sargartige Tannenkiste getan und dann in der südwestl. Ecke des Friedhofes beerdigt.
Solches bezeugen
gez. J. Ojemann, P.
gez. L. Friedr. Haselhorst, Architekt
gez. H. de Buhr,“
Es besteht aber kein Grund zu der Annahme, daß hier in alten Zeiten Menschen eingemauert oder sonst beseitigt worden sind. Höchstwahrscheinlich hat man bei dem Abbruch des westl. Joches (etwa 1790), Gräber von Toten, die früher in der Kirche bestattet waren, freigelegt und die Knochen in eine leere Stelle zwischen der Innen- und der Außenmauer der Kirche geschüttet. Hier könnte sich in früheren Zeiten ein Eingang befunden haben. Die Pfeifenköpfe sind bei dieser Arbeit wohl zu Bruch gegangen und somit ebenfalls mit Ziegel- und Mörtelbrocken eingemauert worden.
Das Kirchen- und Pastoreiland in Engerhafe.
„De Karke hett ja so voel Land, laat hör doch wat verkopen, wenn se Geld nödig hett!“
Dieses oder Ähnliches kann man manchmal bei Gesprächen hören, in denen es um Spenden für kirchliche Zwecke geht. Viele Leute meinen, dass die Kirche hier und anderenorts viel Land besitzt, wodurch sie viel Geld in Form von Pachten und dergleichen einnimmt und über das der örtliche Kirchenvorstand frei verfügen kann. Diese Meinung mag zwar weit verbreitet sein, ist aber falsch. Ein Bericht über die Grundstücksverhältnisse unserer hiesigen Kirche wird gewiss den einen oder anderen in unserer Gemeinde interessieren.
Zunächst muss gesagt werden, dass „die Kirche“ heute überhaupt kein Land mehr besitzt! Das sogenannte „Kirchenland“, das von Zeit zu Zeit verpachtet wird, gehört zum Grundbesitz der Pastorei, von dessen Ertrag der Pastor bezahlt wird. Die Pachten fließen jetzt dem Etat des Landeskirchenamtes in Hannover zu und bilden den Grundstock für die Besoldung der Pfarrer. Die hierfür noch fehlenden Summen werden von der Landeskirche aus anderen Einnahmen aufgebracht. Im Rahmen dieser Abhandlung soll versucht werden, das kirchliche Eigentum an Grund und Boden in unserer Gemeinde, seine Entstehung und sein Vergehen im Laufe der Geschichte aufzuzeigen.
Das Kirchenland ist heute völlig verschwunden, obwohl es noch um 1500 ein Streubesitz von insgesamt 160-170 ha war. Im Pfarrarchiv zu Engerhafe liegt eine alte Handschrift aus dem Jahre 1547. Sie enthält ein Verzeichnis der Kirchenheuern also der Pachten von dem Land, das der Kirche gehörte und auch eine Liste aus dem Jahre 1552, in der all ihre Ländereien aufgeführt sind. Diese Register sind Abschriften von noch älteren Verzeichnissen. Das Grundeigentum der Kirche zu Engerhafe stammt also aus der Zeit vor der Reformation und ist höchstwahrscheinlich schon um das Jahr 1200 entstanden, als das Brookmerland eigenständig geworden war. Damals, und auch ja noch in der jüngsten Vergangenheit, war die Bearbeitung von Grund und Boden die Grundlage jeglicher Existenz in den Landgemeinden. Die Unterhaltung der Kirche mit ihren Priestern musste irgendwie sichergestellt werden.
Das geschah, indem der Kirche Land zur Verfügung gestellt wurde. Den Grundstock wird man ihr schon bei der ersten Besiedlung des Brookmerlandes, die ja sehr planmäßig durchgeführt worden war, zugeteilt haben. Dann aber wurde das Kirchenland im Laufe der folgenden Zeit bis kurz vor der Reformation durch Kauf vermehrt, aber auch durch Stiftungen und Schenkungen der Einwohner um ihres Seelenheils willen. So bestimmte das Brookmer Recht u.a.:
„Nach dem geistlichen Rechte, soll jedermann die Macht haben, an seinem Lebensende um seines Seelenheils willen Vergabungen vorzunehmen.“ Wenn solch eine testamentarische Verfügungsgewalt in den Brookmer Willküren niedergelegt wurde, ist das ein Beweis dafür, dass Schenkungen und Vermächtnisse an die Kirche damals weit verbreitet waren. Das Dichten und Trachten der mittelalterlichen Menschen war dem Jenseits zugewandt, was der Mensch von heute kaum mehr verstehen kann. Solche Schenkungen hat die hiesige Kirche noch kurz vor der Reformation erhalten. Als Beispiel seien einige Eintragungen aus dem Bestandsverzeichnis von 1552 wiedergegeben:
Landkäufe:
„Item 1 brede boulandts gekoft van Hero gokken welcke koften eddo Hattinga unde gauyko Acken kerkevogede liggende tegan syn warf.“
„Item 1 brede boulandes heft sunte Johannes liggende by de oestersyde Her Ymelen schuren welcke koften udo Hangen unde bewo metzen van bewo Heren vor 26 rieder gl. Ao. Dm. mille V-XI in den visitationes mare.“
Schenkungen:
„Item Her Henrick mede kerkher to Engerhaue gaff deme patrono 2 1/2 demat mede liggen de by focko fenne noch 1 1/2 demat ind Cleye escher 1 1/2 demat ind brede fenne daer mede to holden olye in de lampen to ere des Heiligen sacraments.“
„Item Alpt Widien heeft geboket deme patrono 2 demat mede liggende in ekelde.“
„Item Uko Daken in uppende heeft geboket sunte Johannis 1 demat mede.“ usw.
Herr Henrick war um 1478 Priester an der Kirche zu Engerhafe und Herr Ymelen um 1500. Geistliche wurden früher Herr genannt. Noch im 19. Jahrhundert wurden die reformierten Pastoren mit „Domine“ angeredet, was vom lateinischen Dominus – Herr abgeleitet ist. Kerkevogede nannte man die ehrenamtlichen Kirchenverwalter, die die rechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten der Kirche wahrnahmen.
In diesem Register sind alle Grundstücke, die damals der Kirche gehörten, ihre Größe und ihre Lage in der Gemarkung verzeichnet. Die Aufzeichnung beginnt mit den Stücken, die am weitesten im Westen, bei Heikeland lagen und endet im Osten, im Siepkeland hinter Upende. Die Lage einiger dieser Parzellen lässt sich noch an Hand heute noch bekannter Flurnamen bestimmen, andere können vielleicht noch lokalisiert werden, die Lage des Restes ist heute unbekannt.
Im Register heißt es u.a.:
„… Item 3 demat in peter ufen buyten letze,
2 demat in Haye hop buyten letse,
5 grase up Heykelant,
2 demat by de steenforde (1),
3 demet byten dat vlete,
1 gras up lynden land buten vlete (2),
4 demat in den enne buten vleto,
2 demat in de horne (4),
9 demat in de korte Rottinga
Weitere Flurnamen waren: Amerlant, Sassens Wyck, Boyene Ham, Surestet(5), korte senek sling, abynge slinge(8), qua venne(9), Punger(10), Harrken Tjuiche, papen Tjuiche(11), evers Ham(12), westerde iedde(13), oesterde iedde(14), sweye(15), venhuser horne, willige land, Sibeken Land, u.a.
Die Letse kann nur der heutige Steenschloot sein, der zwischen Heikeland und dem Lindeland fließt und jetzt mit dem Schöpfwerk am Abelitz-Moordorf-Kanal endet. Früher floss sie weiter nach Nordwesten und war ein Teil der Abelitz, die in die Leybucht mündete. Sie war ein breites Gewässer, das Seewasser floss mit jeder Tide ein und aus. Dadurch wurde das Flussbett bei der allmählichen Verlandung der östlichen Leybucht mit Schlick ausgefüllt, in dem sich stellenweise dicke Muschelschichten abgelagert haben. Die Demate „buyten letse“ lagen von Engerhafe aus gesehen jenseits dieses Flusses. Die Steenforde aber muss sich auf dieser Seite befunden haben, etwa dort, wo heute der Lindelandweg verläuft.
Das Vlet, später Fleeth, war ein alter Arm der Ehe, der ebenfalls nach Nordwesten floss. Kurz vor der Brücke über den AM-Kanal zweigt ein breiter Zugschlot ab, der heutige Pungerschloot, der bis an den Beerster Weg reicht. Von diesem zweigt ein Graben in nordwestliche Richtung ab, auch bis zum Beerster Weg. Jenseits des Weges beginnt ein neuer Graben, der durch die Niederung fließt und in die Abelitz mündet. Dies ist das Fleeth. Während der Pungerschloot durch tiefes Dargland verläuft, ist das alte Bett des Fleeths in einer Breite von teilweise 30 m mit Ton ausgefüllt, in dem stellenweise auch Muschelschalen zu finden sind. Ein Beweis, dass auch hier früher das Seewasser ein- und ausfloss. Über dieses Fleeth muss eine Brücke gelegen haben, über die man von Engerhafe aus zu den Grundstücken, jenseits dieses Wasserlaufes kommen konnte. Dass sie tatsächlich vorhanden war, beweist eine Eintragung im Kirchenheuer- Register von 1552 die wie folgt lautet:
„Luke juriens 5 demat buyten vlete
5 demat buyten de alde klese …“.
Luke juriens war um 1552 Besitzer des Hofes in Engerhafe, auf dem heute Reemt Lübbers, Kirchwyk Nr. 28 wohnt. Nach dem „Wörterbuch der ostfriesischen Sprache“ von J. ten Doornkaat-Koolmann, Bd.II S.256 ist „Klese“ ein uraltes Wort und bedeutet eine kleine feste Brücke, die so hoch liegt, dass mit Torf, Heu usw. beladene Schiffe bequem darunter durchfahren können. Daraus darf geschlossen werden, dass im Mittelalter das Fleeth schiffbar war, so dass man von Victorbur, Engerhafe aus über die Ehe und das Fleeth die Abelitz und vorbei an Schott und Marienhafe das offene Meer erreichen konnte. Noch auf einer Karte, die 1671 für den damals geplanten Kanalbau vom Moor hinter Upende nach Emden gezeichnet wurde, ist der Beginn dieses Fleeths unter der Bezeichnung „dat olde Diep“ zu sehen.
Einen zweiten Abfluss muss die Ehe dann durch die heutige „oll Ee“ an Hogelücht vorbei in die Letse gehabt haben. Möglicherweise war bei Hogelücht auch noch eine Brücke vorhanden, über die man die „oll Ee“ überqueren konnte. Doch dafür sind keine Beweise zu finden. Vielleicht gab es hier auch nur eine Furt. Hogelücht hatte nämlich keine Verbindung nach Engerhafe über den Pungerweg, die Bewohner mussten über Uthwerdum fahren. Erst im Jahre 1757 bekamen die Besitzer von Hogelücht in einem Prozess vor dem Amtsgericht Aurich gegen die Eigentümer der Ländereien im „Geilham“ die Berechtigung, über diese zum Pungerweg fahren zu dürfen.
Im Laufe der verflossenen 500 Jahre hat sich das Land der Engerhafer Meede durch Naturereignisse und durch Menschenhand, insbesondere auch durch den Bau des Abelitz-Moordorf-Kanals im Jahre 1872, so sehr verändert, dass es kaum noch möglich ist, die Lage der alten Diemate und Äcker zu bestimmen.
Nachdem zuvor die Lage der Kirchenländereien und die wahrscheinliche Gestalt der Meede im ausgehenden Mittelalter beschrieben wurde, wenden wir uns nun dem eigentlichen Thema zu. Der Verfasser hat versucht, die Gesamtgröße dieser Ländereien festzustellen. Als Flächenmaße finden wir in den alten Registern: Gras, Diemat, Acker, Breeden und auch Warfen. 1 Gras = 42,55 Ar, 1 Diemat = 56,74 Ar.
Diese Maße sind also leicht umzurechnen auf die heute gebräuchlichen Flächenmaße Hektar, Ar und Quadratmeter. Schlechter ist aber die Fläche einer Breede oder eines Ackers festzustellen, denn diese Stücke können sehr unterschiedlich groß sein. Nirgends ist zu finden, wie lang und breit eine Breede oder ein Acker war. Deshalb hat der Verfasser als Durchschnittsmaß ein Diemat hierfür eingesetzt, in der Hoffnung, damit ein einigermaßen gerechtes Resultat zu erzielen. Nach diesen Flächenmaßen muss der gesamte Grundbesitz der Kirche zu Engerhafe 160 ha betragen haben. Herr Pastor Christian Meyer, der eine Arbeit über „Das Engerhafer Kirchenheuerregister von 1547“ verfasst hat, das bisher aber leider noch nicht veröffentlicht wurde, kommt auf einen Gesamtbesitz von annähernd 170 ha.
Das Kirchenland wurde an die Eingesessenen in Erbpacht gegeben. Die gepachteten Parzellen bildeten einen festen Bestandteil des jeweiligen Hofes oder, wie es früher hieß, Herdes. Sie waren beheerdischt. Der Herdbesitzer zahlte dafür der Kirche die „Heuer“. Der eigentliche Grundeigentümer war die Kirche. Sie hatte Anspruch auf den Erbzins, hier: die Heuer von dem, der das beheerdischte Land nutzte. Dieser konnte das Grundstück sogar verkaufen, dazu musste aber der Grundherr, der die Heuer bezog, seine Genehmigung erteilen.
Grundherren für beheerdischte Ländereien aber waren nicht nur die Kirchengemeinden, sondern auch die Landesherren, also die ostfriesischen Grafen und andere Herrlichkeitsbesitzer. Auch sie hatten ihren Grundbesitz zum Teil verpachtet, ursprünglich in Zeitpacht, die im Laufe der Zeit dann eine Erbpacht und zuletzt eine Beheerdischheit wurde. 1545 erließ die Gräfin Anna eine Polizeiverordnung, in der auch die Pachten für solche herrschaftliche Ländereien geregelt wurden. Danach wurde die Pachtdauer auf 8 Jahre festgelegt. Nach Ablauf dieser Zeit konnte von neuem gepachtet werden. Dann aber musste der Pächter eine Jahresheuer zusätzlich, als verlorenes Geld oder „Meide“ zahlen. Diese Polizeiverordnung dürfte dazu geführt haben, dass auch die Kirchenlande fortan wie Herrenlande behandelt wurden. Noch im Jahre 1552 sind in Engerhafe die Heuern für Kirchenland nach Ablauf der Pachtzeit jedes Mal neu ausgehandelt worden. Das geht hervor aus einer alten Urkunde, die sich in dem erwähnten Register befindet. Damals wurden 44 Diemat Land, die zu Amerland beheerdischt waren, neu an den Herdbesitzer Ysbrand Horne verpachtet. In diesem Vertrag wurde ihm zugesichert, dass die Pacht zu seinen Lebzeiten nicht erhöht werden soll, weil er der Kirche zum Glockenguss 10 Taler geschenkt hatte. Nur die Meide sollte evtl. Erhöhungen unterworfen sein. Es wurde ausdrücklich erwähnt, dass für andere Ländereien mit Pachterhöhungen zu rechnen sei. In Engerhafe war die Meide alle 6 Jahre fällig.
Die um diese Zeit durch die Polizeiverordnung verursachte Koppelung der Heuer von Kirchen- mit der von Herrenlanden, leitete den zukünftigen Verfall der kirchlichen Finanzen ein, denn im Osterhusischen Akkord von 1611 wurden die Heuern für beheerdischte Lande auf den damals gültigen Wert eingefroren. In seiner „Ostfriesischen Geschichte“, Dritter Band 1540-1611, berichtet T. D. Wiarda, daß die Beheerdischheiten seit langer Zeit eine Quelle ständigen Ärgers waren. Deshalb wurde zuletzt auf dem Landtag zu Osterhusen im Jahre 1611 u.a. beschlossen:
„§ 9. … Wenn ein Herd aus mehreren Stücklanden zusammengesetzt ist, dem Eigenthum (sei es das plenum oder nur das directum) verschiedenen Persohnen zusteht, so sollen solche Lande für beheerdische oder ewige Erbpachtslande geachtet werden. Der Erbpächter soll von jedem Grase oder Diemath, wenn er bisher 30 Stüber Pacht erleget hat, von nun an einen jährlichen Canon von 42 1/2 Stüber zahlen. Ist die Pacht etwa damals geringer gewesen, so soll auch nach obiger Proportion der Canon erniedriget werden. Wenn das 8. Jahr eintritt, soll der Erbpächter eines Jahres Pacht als Meide erlegen oder, welches einerlei ist, den Canon doppelt bezahlen. …“.
Pastor Christian Meyer schreibt hierzu:
„… Die Verhältnisse, wie sie hier am Beispiel Engerhafe aufgezeigt werden können, waren in vielen ostfriesischen Gemeinden ähnlich. Diese Abgaben waren unter dem Begriff ‚Gefälle‘ bekannt und wurden wegen ihrer ‚Geringfügigkeit‘ auf Beschluss der 17. Landessynode der Ev.-luth. Landeskirche Hannover vom 11. Mai 1967 ersatzlos gestrichen. Dass diese Heuern im Laufe der Zeit zu Bagatellewerten herabsinken konnten, ist die Folge der Beschlüsse des Osterhusischen Akkords von 1611, wonach die Pächter die beheerdischten Lande in ewiger Erbpacht behalten durften, die Pacht für gutes Land auf 21 Schaf und 5 Witten je Gras bzw. Diemat, für schlechtes Land etwas weniger, festgesetzt wurde. Die Höhe der Pachtzinsen war nun ein für alle mal festgelegt. Da der Geldwert aber beständig sank, führte das bald auch zu erheblichen Einbußen bei den Einnahmen der Kirchenkassen, ein Grund mit für den Verfall und die mangelhafte Pflege der kirchlichen Bauwerke in der Folgezeit.
Schließlich ging auch das Wissen darum verloren, welche Grundstücke eigentlich mit dieser Heuer belegt waren, die Abgaben wurden einfach dem Hof als ganzem angelastet. Diese Entwicklung setzte etwa im 18. Jahrhundert ein. Bei Hofteilungen oder Grundstücksverkäufen von so belasteten Höfen, wurden die Belastungen auch auf die abgeteilten Grundstücke übertragen, wodurch ein heillosen Durcheinander entstanden ist, das noch heute zu bürokratischen Schwierigkeiten führt, sogar bei Abtretung von ganz kleinen Parzellen beim Straßenbau oder Gewässerverbreitungen …“.
Seit 1848 konnten die alten Gefälle abgelöst werden durch eine einmalige Zahlung der 25fachen Pachtsumme. Das ist auch in Engerhafe in manchen Fällen geschehen. Wo die Ablösung nicht durchgeführt wurde, stehen diese Lasten heute noch in den Grundbüchern. Den hiesigen Grundeigentümern wird empfohlen, ihr Grundbuchblatt daraufhin zu überprüfen und unter Umständen Abschreibung der alten Lasten zu beantragen.
Die Einkünfte aus den beheerdischten Ländereien reichten aus, um die Ausgaben der Kirchengemeinde bezahlen zu können, wie z.B. Reparaturen an der Kirche, der Schule, dem Turm und den beiden Pfarrhäusern. Es konnten sogar Überschüsse gebildet werden, aus denen Darlehen vergeben wurden, deren Zinsen dann wieder der Kirchenkasse zuflossen. Pastor Meyer schreibt: „… Das Vermögen der Kirche hätte also laufend vermehrt werden können, wenn die Anpassung an die jeweilige Kaufkraft des Geldes nicht rigoros unterbunden worden wäre. In Engerhafe ging der letzte Rest des angesammelten Vermögens in Höhe von einigen tausend Mark in der Inflation 1923 verloren.“
Doch auch schon zur Reformationszeit war der kirchliche Besitz vom Landesherrn und von andern mächtigen Leuten enteignet worden. Eggeric Beninga schrieb damals in seiner „Cronica der Fresen“: „Ein ieder tastede mit twe handen to, makeden sick de tidt to nutte“. In seiner Arbeit über das Engerhafer Kirchenregister von 1547 berichtet Pastor Meyer: „… Das Jahr 1547 ist für die Reformationsgeschichte und für den Fortgang der evangelischen Sache von entscheidender Bedeutung. Am 24. April 1547 wurden die im Schmalkaldischen Bund vereinigten Evangelischen in der Schlacht bei Mühlberg auf der Lochauer Heide von den Truppen der Kaiserlichen geschlagen. Der Kaiser versuchte darauf, die Wiederherstellung des alten Glaubens in die Wege zu leiten. Dazu dienten insbesondere die Beschlüsse des Augsburgers Reichstages vom Mai 1548, die als das „Augsburger Interim“ bekannt geworden sind. Darin ging es nicht nur um die Wiederanerkennung der katholischen Lehre und die Wiedereinführung des katholischen Messgottesdienstes, sondern auch um die Rückgabe der von evangelisch gewordenen Landesherren in einer Art Säkularisation einkassierten Kirchengüter in die Verfügbarkeit der Kirche.
Auch in Ostfriesland war diese Art von Säkularisation durch den Grafen Enno II. 1529 durchgeführt worden, wobei die rechtlichen Voraussetzungen zu dieser Maßnahme höchst umstritten waren. Im Zuge dieser Maßnahmen, zu der besondere Kommissionen eingesetzt waren, wurden in Ostfriesland nicht nur die Klostergüter eingezogen, sondern auch die Kirchengemeinden heimgesucht, indem sie alles, was zur Aufrechterhaltung der katholischen Messe nötig gewesen und jetzt „überflüssig“ geworden war, abgeben mussten, wie: Monstranzen, Ziborian, Reliquienbehälter, Leuchter, Gewänder, Bücher und dergleichen, aber insbesondere die aus zahlreichen Schenkungen herrührenden Einkünfte aus den beherdischten Ländereien. Zu diesem Zweck mussten die Einkünfteregister abgeliefert werden. Die Kirchengemeinden standen diesen Übergriffen von seiten der Obrigkeit machtlos gegenüber, zumal ihnen auch die theologische Legitimation für den weiteren Erhalt dieser Einkünfte entzogen war.
Es wurden den Gemeinden höchstens ein Kelch und eine Patene belassen, sowie die Grundlagen für die Pfarrbesoldung. Damit war der Handlungsspielraum der Gemeinden zugleich auf ein Minimum beschränkt. Nach der Überwindung des ersten Schocks rührte sich aber zunehmend Widerstand in den Gemeinden, und man begann auf alte Rechte zu pochen, besonders nach dem Tode des Landesherrn während der Regentschaft seiner Witwe, der Gräfin Anna, nach 1540. Diese Aktivitäten liefen parallel zu den Versuchen, die Beschlüsse des Augsburger Interims auch in Ostfriesland durchzusetzen. Man ging daran, Übersichten über die eingezogenen Kirchengüter herzustellen um sie wieder in den Besitz der Kirche zu überführen.
Im August des Jahres 1548 traf in Ostfriesland der Kaiserliche Gesandte mit dem Augsburger Interim ein, was zugleich auch die Durchsetzung dieser Beschlüsse in Ostfriesland zur Folge haben sollte. Die Gräfin befand sich in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite war ihr klar, daß man die Folgen der Reformation in Ostfriesland nicht durch einen Verwaltungsakt würde rückgängig machen können, auf der anderen Seite war ihr ebenso klar, daß sie sich den Forderungen des Kaisers nicht auf die Dauer würde widersetzen können. So wurde um Kompromisse gerungen und Teilforderungen des Interims war man gewillt, nachzugeben, um ein Eingreifen des Kaisers zu verhindern. Zu der Verwirklichung einer solchen Teilforderung gehörte, dass Nachforschungen über den Verbleib der Kirchengüter angestellt wurden.
Allein Johann a Lasko fertigte Register der veräußerten Kirchengüter folgender Gemeinden an: Larrelt, Gerdswehr, Quitzelem(sic!), Loga, Westerhusen, Midlum, Hinte, Loppersum und Marienwehr. Im Jahre 1553 erhielt Wilhelm Gnapheus, der Sekretär der Gräfin, den Auftrag, die Norder Kirchengüter und Einkünfte zu registrieren. Diesen Maßnahmen verdanken wir sicher auch die Aufzeichnungen der Engerhafer Kircheneinkünfte von 1547 und 1552 durch den Pastor Frederico.
Zwar wurde durch die Erfüllung dieser Forderungen nicht die katholische Kirche wiederhergestellt, wie es die Absicht des Interims gewesen war, wohl aber konnte man jetzt darauf verweisen, dass die evangelischen Gemeinden die legitimen Nachfolger der mittelalterlichen katholischen Gemeinden waren, indem ihr Besitzstand gewahrt blieb bzw. ihnen wieder in die Eigenverantwortung zurückgegeben wurde. Wie schon vor der Reformation, verwalteten auch fortan zwei Kirchenverwalter das Gut der Kirchengemeinde. Sie mussten allerdings jährlich zur Rechnungslegung nach Aurich zur Kanzlei. Der Landesherr hatte sich vorbehalten, über die Buchführung der kirchlichen Einnahmen und Ausgaben das Aufsichtsrecht auszuüben. Dennoch war so sichergestellt, dass den Gemeinden Mittel zur Verfügung standen, um die dringendsten Ausgaben für Gebäude und Gottesdienste bestreiten zu können. Durch die Einziehung der Kirchengüter hatte man einsehen müssen, dass man die Kirche nicht all ihrer Einkünfte berauben darf, ohne sie damit dem totalen Verfall preiszugeben.
Im Hinblick auf Engerhafe kann nur soviel gesagt werden, dass auch die übrigen Gemeinden des Brokmerlandes nach der Reformation weiterhin Einkünfte aus beheerdischtem Land bezogen: so Wiegboldsbur, Victorbur und Marienhafe. Es können auf Grund der Quellenlage somit auch in keiner anderen Gemeinde die Gründe für das Entstehen und Fortbestehen dieser Einkünfte so deutlich gemacht werden wie in Engerhafe, soweit dieses Gebiet überhaupt schon erforscht ist.“
Wie bereits erwähnt, reichten die Einnahmen aus den beherdischten Ländereien aus, um die laufenden Ausgaben der Gemeinde zu bestreiten. Es konnten sogar noch Überschüsse erwirtschaftet werden, aus denen Darlehen gewährt wurden, deren Zinsen wiederum der Kirchenkasse zuflossen.
Nach den im Archiv liegenden Inventarien betrugen die Kirchenheuern:
1765: 302 Gld. 6 sch. 16 w.
1806: 117 Rtlr. 41 Stüber.
Das sind auf Mark umgerechnet etwa 3.360.- Mark.
1857: 67 Rtlr. 3 gr. 8 Pfg. = 201,98 Mark,
denn seit 1848 war bereits ein erheblicher Teil der alten Gefälle abgelöst worden. Um 1770 war die alte ostfriesische Währung umgestellt worden von Gulden, Schaf und Witt auf Reichstaler und Stüber.
1 ostfr. Gulden = 10 Schaf = 200 Witt,
1 Reichstaler = 2 7/10 Gulden = 54 Stbr. = 540 Witt.
1 Rtlr. wurde später, um 1870, mit 3 Mark bewertet, 9 ostfr. Gulden waren somit 10,- Mark wert.
An Darlehen wurden lt. Inventarbuch vergeben:
1765: 2.470 Gulden,
1806: 129 Rtlr. 34 Stbr.
1857: 1741 Rtlr.
Die Kirchenkasse war damals also eine Art Darlehensbank, bei der die Einwohner das für ihren Betrieb für besondere Anschaffungen benötigte Geld bekommen konnten. Da der Zinssatz mäßig war, im allgemeinen 4 oder 5 %, erfüllte die Kirche auf diese Weise einen guten Zweck. Darlehen bei privaten Geldgebern waren oft viel teurer. Erst nachdem Mitte des vorigen Jahrhunderts öffentliche Sparkassen eingerichtet wurden, hörten die Geldgeschäfte der Kirche auf, zumal auch durch die Ablösung der alten Gefälle die Einnahmen versiegten.
Bis zum Jahre 1896 bestanden in Engerhafe zwei Pfarren und zwar die „ältere oder Westerpastorei“ und die „jüngere oder Osterpastorei“. Das Gemeindegebiet war unter diese beiden Pastoreien aufgeteilt. Zur Osterpastorei gehörte Upende ganz, hinzu kamen die Moorkolonien Münkeboe und Moorhusen, die seit 1770 ständig anwuchsen, und fest bestimmte Häuser von Oldeborg und Engerhafe. Die Höfe der Engerhafer Marsch wechselten alljährlich zwischen der Ost- und Westerpastorei. Alle übrigen Häuser in Engerhafe, Fehnhusen und Oldeborg gehörten zur Westerpastorei.
Es gab daher auch zwei Prediger in Engerhafe. Das persönliche Verhältnis zwischen beiden Geistlichen war jedoch nicht immer gut. Besonders gespannt war es zwischen den Pastoren Anton Gottfried Reershemius von der Westerpastorei (1754-1801) und seinem Kollegen Christoph Bangert von der Osterpastorei (1754-1768). Bangert gelang es durch geschickte Verpachtungen, seine Einkünfte zu erhöhen, obwohl die Pfarrländereien geringer waren als die der 1. Pfarre. Ihm dürfte es auch zuzuschreiben sein, dass die Kirchenprotokolle, in denen Taufen, Trauungen und Beerdigungen eingetragen sind, seit 1754 für beide Pfarren getrennt geführt wurden. So konnte er nun seine Gebühren für Amtshandlungen jederzeit nachweisen. Er brauchte wohl auch viel Geld, denn er soff und wurde deswegen zuletzt auch aus dem Amt entfernt.
Seit dem Jahre 1807 war die 2. Pfarre vakant und wurde nicht wieder besetzt. Die Amtshandlungen wurden seitdem durch den nunmehr einzigen Pastor wahrgenommen, der dafür aus den Mitteln der Osterpastorei entschädigt wurde.
Im Laufe des vorigen Jahrhunderts siedelten sich in Münkeboe und Moorhusen immer mehr Menschen an, die durch den Engerhafer Prediger nur unzureichend geistlich betreut werden konnten. Seit 1850 bemühten sich die Kolonisten um eine eigene Kirche. Nach langem Kampf ging ihr Wunsch endlich 1896 in Erfüllung. Die Fronten zwischen den Interessenten der alten Gemeinde und den Kolonisten waren so verhärtet, dass zuletzt das Konsistorium beschloss, die 2. Pastorei wieder zu besetzen. Der Pastor aber hätte seinen Wohnsitz dann in Münkeboe bekommen. Die neue Kirchengemeinde Münkeboe/Moorhusen hat dann auch ihr finanzielles Fundament aus den Mitteln der ehemaligen Osterpastorei erhalten.
Vor dem 30 jährigen Kriege hat es in Engerhafe auch noch eine dritte Pastorei gegeben, von der heute aber keinerlei Unterlagen und Akten vorhanden sind. In seiner „Beschreibung des Amtes Aurich …“ von 1735, berichtet der damalige Amtmann C.H. Stürenburg über Engerhafe u.a.: „… Hieselbst sind vor diesem allemahl 2 Prediger gewesen und 2 Pastoren und hat jede ihren besonderen district … außerdem findet man Nachricht, daß noch eine 3. Pastorei da gestanden, die von der damaligen Landesherrschaft des letzten 3. Predigers Wittwe eigenthümlich soll geschenket seyn, und darauf der jahrliche Canon, so an die älteste Auricher Pastorey prästiret wird, gehafftet haben, von einem Kirchenvogt aber, Nahmens Schutemacher die Lande zum sogenannten Hoffker Plaatze frey gezogen, … es soll in der Mansfelder Zeit gewesen seyn …“. In einem Schatzungsregister für das Kirchspiel Engerhafe aus dem Jahre 1632 ist verzeichnet:
„Die dritte Pastorey, itzo Hindrich Schuttemacher Auskündiger 4 Gld.“.
Der Hoffker Plaatz kann nur der Hof Kirchwyk Nr. 1 (Alma Ihnen) sein. Auf älteren Flurkarten ist dort ein westlich vom Garten gelegenes Grundstück mit „Pastoreiacker“ benannt. Ein kleiner Teil der Ländereien der ehemaligen 3. Pastorei dürfte dem Schulmeister und Küster als Dienstland zur Verfügung gestellt worden sein.
In vergangenen Zeiten wurden die Pfarrer aus den Einkünften ihrer Pfarrländereien bezahlt. Sie konnten diese selber bewirtschaften oder verpachten. Außerdem erhielten sie von den einzelnen Höfen Roggen, Butter, Käse in unterschiedlichen Mengen und sogenannte Krumstergelder von Wohnhäusern.
Die Inventarien der beiden Pfarren weisen in der Zeit von 1744-1877 folgende Ländereien aus:
I. Westerpastorei. ca. ha
a) 11,5 Diemat Gründland nördl. v. Achterumsweg 6,44
b) 9 Diemat Meede am Ende d. Röttenwegs 5,04
c) 2 Diemat Meede in den 100 Diematen 1,12
d) 3 Diemat Grünland südl. der Kirche 1,68
e) 8 Äcker Bauland hinter der Pastorei 2,24
f) 6 Äcker Bauland südl. der Kirche 1,68
g) 5 Grasen Marschland im Osteeler Neuland 2,13
h) Garten der Pastorei 0,56
Zusammen: 20,89
II. Osterpastorei.
a) 11 Diemat Grünland südl. d. 2. Pastorei 6,16
b) 5 Diemat Meede am Pungerweg 2,80
e) 2 Diemat auf der Victorburer Meede 1,12
d) 6,5 Diemat im Ostermeedland 3,64
e) 4 Äcker Bauland südl. der Kirche 1,04
f) 3 Äcker Bauland nördl. d. 2.Pastorei 1,26
g) 2,5 Grasen Marschland im Osteeler Neuland 1,06
h) Garten der Pastorei 0,56
Zusammen: 17,64
Die in den Inventarien angegebenen Größen sind nach den damals üblichen Methoden ermittelt worden. Erst nach der katasteramtlichen Vermessung in der Zeit um 1880 sind die genauen Flächengrößen angegeben. Diese betragen laut Inventarium von 1897, also nach Abtrennung der Orte Münkeboe und Moorhusen, für die nunmehr einzige Pfarre Engerhafe:
Gemarkung Engerhafe ha,
1 Weidefenne 9.51.57
9 Diemate Meedland 5.41.65
2 Diemate Meedland 1.28.01
3 Diemate Ackerfenne 1.46.11
8 Äcker nördl d. Pfarre 2.25.26
6 Äcker südl. d. Kirchhofs 1.58.47
1 Weidefenne südl. d. Anst, 7.40.17
5 Diemate Meede 3.96.63
2 Diemate Meede Gemarkung
Uthwerdum 1.33.86
Meede im Ostermeedland 5.19.00
Bauäcker südl. d. Kirche 1.27.83
Bauäcker nördl. d. Anstalt 1.43.69
Dazu Pfarrgarten -.56.69
Zusammen: 42.68.94
Die 7,5 Grasen Marschland im Osteeler Neuland sind 1895 verkauft worden. Der Erlös wurde der neuen Gemeinde Münkeboe/Moorhusen zugewiesen. Durch Abgabe von Baugrundstücken seit 1950 hat sich auch die vorstehend aufgeführte Größe der Pfarrländereien verändert.
Außer den Erträgen aus den Ländereien gehörten zu den Pfarreinkünften Naturalabgaben, Accidentien (Gebühren für Amtshandlungen) und Krumstergeld. Dieses wurde von den Besitzern älterer Wohnhäuser bezahlt, die keine anderen Abgaben entrichteten. Bemerkenswert ist, dass später gebaute Häuser, wie u.a. auch die der Moorkolonisten in Münkeboe und Moorhusen, keine Krumster mehr bezahlten. Diese Abgabe beruhte wohl auf einem Herkommen aus alten Zeiten, für deren Erhebung nach 1744 keine Rechtsgrundlage mehr bestand. Es war eine Bagatelleabgabe. 1 Krumster war 1910 bei einer Ablösung dieser alten Reallast noch 5,5 Pfennig wert.
Die Naturalabgaben an die Pfarrer (Michaeligefälle):
Von den abgabepflichtigen Höfen und Häusern erhielten
die Westerpastorei:
8 Tonnen u. 1 1/2 Vierdup Roggen,
2 magere Gänse,
2 Käse,
39 Pfund Butter,
Krummstergeld,
Beheerdischheiten u. Grundheuern,
die Osterpastorei:
9 Tonnen u. 3 Vierdup Roggen,
42 Pfd. Butter,
2 Käse,
Krummstergeld,
Beheerdischheiten.
Weitere Einnahmen beider Pfarren waren Accidentien, also Gebühren für Amtshandlungen. In den Inventarverzeichnissen sind die Naturalabgaben mit dem jeweiligen Marktwert – Durchschnitt der letzten 6 Jahre bewertet. Gelegentliche Bemerkungen in diesen Verzeichnissen lassen interessante Rückschlüsse auf die damals hier herrschenden Verhältnisse zu. So heißt es im Inventarium der Osterpastorei für die Zeit von 1744 – 1752:
„Es sind hier keine andere accidentien, als pro Proclamatione 9 sch, und pro copulatione 1 Rtlr. Wann aber gemeinlich nicht mehr als vier Paar copuliret werden, davon ieder Pastorey den Halbscheidt hat; so machet die Summa 2 Rtlr. 18 sch., an Gülden 7 gl. 2 sch … . Für Kinder Taufen und Leichen Predigten bekömt man hier nichts, wiewohl einige wenige besonders Mohr-Häuser, die keine jährliche Krumster zahlen, 6 schaf für eine Leichen Predigt, und 3 stbr. für Kindtaufen geben müßen, bezahlen sie doch selten, weilen alle nichts zu geben gewohnt sind. Deswegen dann auch zwey öfters gar drey Partheien und Haushaltungen in einem Hause für 6 Krumster, die jährlich von dem Hause gehen, umsonst wollen bedienet seyn.“
Krumstergeld wurde demnach nicht von allen Häusern gezahlt, besonders nicht von den Hütten der Moorkolonisten, die sowieso zu arm und „alle nichts zu geben gewohnt“ waren. Zum anderen ist hieraus ersichtlich, dass die Häuser überfüllt waren, die Familien waren meist sehr kinderreich. Die Menschen müssen in den kleinen Räumen in drangvoller Enge gehaust haben, für uns heute unvorstellbar.
Die Pfarrländereien wurden verpachtet, wie es auch heute noch geschieht. Die Bauäcker sind hin und wieder auch vom Pastoren selbst bewirtschaftet worden, der natürlich versuchte, einen möglichst hohen Ertrag zu erwirtschaften. Das konnte jedoch auch fehlschlagen. Im Inventarium der Westerpastorei hat der Pastor Reershemius 1765 eingetragen: „Bau-Äcker: Weil ich selbige zum Halben bauen laße, so läßet sich das järliche Einkommen nicht eigentlich bestimmen indeßen, wenn die Einsaat Vierpsweise a 5 Gld. zur Heuer in Anschlag gebracht wird, so wird der järliche Ertrag genau können determiniret werden.“
Der Pastor wollte den Roggen selber ernten für seinen eigenen Bedarf. Er überließ die Feldbearbeitung den Einwohnern, die wahrscheinlich kein eigenes Land besaßen. Diese Methode ist älteren Einwohnern noch aus der Zeit nach dem letzten Kriege, also noch um 1950 bekannt. Damals wurden vielfach Kartoffeln zum Halben angebaut. Der Landbesitzer erhielt die Hälfte der Ernte von dem betr. Anbauer als Pacht.
Zur Westerpastorei gehörten auch 11 1/2 Diemat Weideland, gelegen zwischen dem Achterumsweg und der Maar. Hierüber berichtet P. Reershemius: „Dieses Stück Weyde Land, ob es gleich im Ganzen muß betrachtet werden, so ist es doch durch einen Mittelschloot in 2 Stücke vertheilet, welches wie einige Alte mir versichert, um der Abwäßerung willen geschehen, auch in denen benachbarten Ländern gegen Westen, sind solche Mittelschlooten zum Ablauf des Waßers gegraben, die aber nicht genugsam gereinigt werden. Das vorderste Stück, so einer irregulairen Figur gleich, wird genannt die Vor- oder niedrige Fenne; Die Vorfenne ist wegen der niedrigen und tiefen Lage mannigmal zum Viehweiden ser unbrauchbar, zum bauen aber gar untauglich. Denn im Winter hindurch stehet sie unter Waßer, und im Frühjahr wird selbige spät trocken. Im frühen Herbst wird sie bald unter Waßer gesetzet welches auch mitten im Sommer geschehen kann, zumal wenn wir naße Zeiten haben.
Im Jahr 1762 brachen die Eingeseßenen hieselbst aus guter Zuneigung mir die Vor- oder niedrige Fenne auf; und wurde auf meine Kosten mit Haber besäet. Allein statt einer gewünschten Erndte, wurde die Einsaat durch Näße sehr verdorben, und kam mit genauer Noth schadenlos davon. Des folgenden Jahres mußte die Bebauung nochmals geschehen, wegen des anhaltenden Regens bekam eine gewaltige Schlappe, meine Hoffnung wurde gar zu Waßer, und die Einsaat pl. m. 8 Tonne Haber ging durch die Überströmung verloren. Hinter der hohen Fenne gegen Noorden lieget ein kleiner Fluß, das Maar genannt. Wenn dasselbe wird ausgegraben werden, so liegen diesen Weydelande auch einige Ruthen zur Last. Als eine gefährliche und beschwerliche Last gehören zu diesen Grünlanden (gemeint sind alle Grünlande der Pfarre) 94 1/2 Fuß Teich, als 27 Fuß in Schoon-Ort und 67 1/2 Fuß in dem alten Teich. Alle Jahr muß ich dieser Teiche wegen pl m. 2 Gl. auszahlen. Wann die gütige Vorsehung das Land mit Vieh-Seuchen verschonet, so können die Grünlande mehr Heure thun, sonsten aber nicht einmal so viel.“
Mit den „Teichen“ sind die Deiche der Südbrokmer Deichacht gemeint, die damals noch Seedeiche waren und von den Eingesessenen der Kirchspiele Engerhafe, Victorbur und Wiegboldsbur unterhalten werden mussten. Deichpflichtig waren alle Eigentümer bzw. Bewirtschafter von Grünland, das von Überflutungen immer bedroht war. Hiervon war niemand ausgenommen, auch nicht die Kirchenlande und auch nicht die fiskalischen, früher gräfliche und fürstliche Ländereien. Die Deiche der Südbrokmer Deichacht erstreckten sich von der Kreitlapperei bis an den Grimersumer Altendeich.
Aus all diesem geht hervor, dass die Einkünfte der Pfarrer je nach den bestehenden Verhältnissen schwankten. Immerhin gehörte Engerhafe zu den gut dotierten Pfarrstellen. In vielen ostfriesischen Gemeinden lagen die Einkünfte unter 300 Gulden im Jahr. Damit ist unser Thema eigentlich beendet. Jedoch soll noch etwas über die Entwicklung der Pfarrbesoldung bis zum Jahr 1900 gesagt werden: Die in den Inventarienbüchern genannten Summen waren nur Durchschnittswerte. Sie werden in folgender Übersicht wiedergegeben:
Pfarre Westerpastorei Osterpastorei
1750: Gld. sch. witt. Gld. sch. witt.
Pachten 221. 8. – 173. 4. –
Sons. Einnahmen 117. 142. 1.
Insgesamt: 338. 8. 315. 5.
1768:
Pachten 288. 8. 330. 4.
Sons. Einnahmen 112. 7. 180. 8. 10
Insgesamt: 401. 5. 511. 2. 10
1806: Rtlr. Stb. Witt Rtlr. Stb. Witt
Pachten 273. 179.
Sons. Einnahmen 142. 14. 147. 9.
Insgesamt: 415. 14. 326. 9.
1857: Rtlr. Ggr. Pfg. Rtlr. Ggr. Pfg.
Pachten 296. 218. 5. 7.
Sons. Einnahmen 278. 9. 8. 278. 26. 6.
Insgesamt 574. 9. 8. 497. 3. 3.
1877: Mark Mark
Pachten 1.199,– 756,32
Sonst. Einnahmen 401,98 530,72
Insgesamt: 1.600,98 1.287,03
1897: Nach Gründung der Kirchengemeinde Münkeboe/ Moorhusen belief sich das Pfarreinkommen des Pastors in Engerhafe auf:
Pachten 1.925,25 Mark
Sonstiges 648,79 Mark
Insgesamt: 2.573,04 Mark jährlich.
Die 2. Pfarrstelle war ab 1807 nicht mehr besetzt worden. Der Pastor zu Engerhafe hatte die Amtgeschäfte der früheren Osterpastorei mit zu erledigen. Hierfür erhielt er jedoch nicht die gesamten Einkünfte dieser Stelle, sondern nur einen Zuschuss von etwa 1/3 derselben. Die nicht verbrauchten Gelder wurden zinsbringend angelegt, um für einen später etwa einzustellenden 2. Pastor die nötigen Mittel bereit zu halten. Aus diesen Rücklagen ist dann 1896 der Grundstock für die Bildung der neuen Gemeinde Münkeboe/Moorhusen gelegt worden.
Bis zum Ausgang des vorigen Jahrhunderte sind die Pastoren der Landgemeinden nach der vorher beschriebenen Art besoldet worden. In den Städten, wo es mehrere Pfarrstellen gab, war es ähnlich, wenn auch örtlich verschieden.
So zahlte z.B. die Stadtkasse Emden seit 1806 Zuschüsse:
an 6 reformierte Prediger 2.971 Rtlr.
an 2 lutherische Prediger 992 Rtlr.
an den französisch-ref. Prediger 504 Rtlr.
an den Mennonitenprediger 27 Rtlr.
an den katholischen Prediger 157 Rtlr.
Zusammen: 4.651 Rtlr.
(Menno Smid, Ostfries. Kirchengeschichte, S. 434)
In Ostfriesland gab es früher zahlreiche kleine Gemeinden, in denen das Pfarrvermögen nicht einmal 300 Rtlr. im Jahr aufbrachte, so u.a. auch in Siegelsum. Hier wurden Überlegungen angestellt ob es nicht besser sei, diese Pfarrstellen mit einer des benachbarten Ortes zu vereinigen. Wären diese Gedanken verwirklicht worden, dann wäre Siegelsum zu Engerhafe gekommen. 1819 wurde die alte baufällige Kirche abgebrochen, ein Grund für die Vereinigung mit Engerhafe war gegeben. Doch der damalige Generalsuperintendent Johann Ernst Müller, der aus Marienhafe stammte, setzte sich für das Weiterbestehen dieser kleinen Gemeinden ein und bemerkte in seinem Bericht an die ihm vorgesetzte Behörde u.a.: „… daß es zwar schön und wünschenswerth sey geringe Predigerstellen zu verbessern, welches der Hauptgrund für diese Combination ist, daß dieses aber auf andere Weise und nie auf Kosten der kleinen Gemeinen geschehen müße, da eine solche in jeder Hinsicht beßer berathen sey, wenn sie ihren eigenen Prediger habe, als bey eine Combination …“
Für Siegelsum wurde 1822 die Bauerlaubnis erteilt, die Kirche wurde ausschließlich aus eigenen Mitteln der Gemeinde neu erbaut, und die Gemeinde blieb selbstständig.“ (Smid aaO.) Zur Verbesserung der gering dotierten Pfarr- und Schulstellen wurde 1822 ein Kirchen- und Schulunterstützungsfonds eingerichtet, aus dessen Mitteln zunächst 12 Pfarrstellen, deren jährliche Einkünfte unter 300 Rtlr. lagen, auf diese Summe erhöht wurden. 1825 wurden in Ostfriesland das Einkommen von 16 reformierten und 17 lutherischen Pfarrstellen aus zusätzlichen Mitteln der Klosterkasse auf 300 Rtlr. jährlich erhöht. 1870 wurde in der Landeskirche Hannover durch das Gesetz zur Verbesserung der Einkommen von Pfarrstellen der Mindestsatz auf 500 bzw. 600 Rtlr. festgesetzt. Diejenigen Gemeinden, die diesen Mindestsatz aus eigenen Mitteln nicht aufbringen konnten, erhielten staatliche Zuschüsse aus dem Etat der Klosterkammer. Auf diese Weise gerieten aber Pfarrer und Gemeinden immer mehr in eine finanzielle Abhängigkeit vom Staat. Schon in der Zeit der ostfriesischen Fürsten hatten die Pastoren teilweise obrigkeitliche Aufträge zu erfüllen. Dazu gehörte z.B. die Kirchenbuchführung, die durch landesherrliche Verordnungen geregelt wurde, das Abkanzeln von amtlichen Bekanntmachungen und die Aufsicht über die Schulen.
In der hannoverschen Zeit waren die Pfarrer Vorläufer der Standesbeamten und durch das preußische Schulgesetz von 1872 mussten sie umfangreiche Aufgaben als Ort- und Kreisschulinspektoren mit erledigen. Sie waren auf dem besten Wege, Staatsbeamte zu werden, ihre eigentlichen kirchlichen Aufgaben mussten zwangsläufig darunter leiden. Da der Landesherr (in Preußen der König) zugleich oberster Bischof der evang. Landeskirche war (in Sachsen war der König sogar katholisch), entstand die Einheit zwischen „Thron und Altar“ – nicht zum Besten der Kirche. Dieser Zustand endete 1918. Die Fürsten und Könige traten zurück, die Landeskirchen wurden selbstständig. Die Trennung von Kirche und Staat war vollzogen. Nach den Artikeln 135-141 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 mussten die Landeskirchen sich neue Verfassungen geben. Das geschah in der reformierten und lutherischen Landeskirche Hannover im Jahre 1922. Ein neues Zeitalter begann auch für die Kirchen.
Kirchen- und Schuldienst zu Engerhafe um 1700.
(von Heinrich Drees, in: Unser Ostfriesland, Beilage Nr. 27 der Ostfriesenzeitung vom 2. 2. 1954)
Aufschlussreiche Nachrichten finden sich im dem Protokoll über die am 9. November 1704 zu Engerhafe durchgeführte Kirchen- und Schulvisitation. Der Generalsuper-intendent Heinson zu Aurich hat diese Visitation in Gemeinschaft mit dem Geheimen Rat und Drosten Hume von Mandersheim und dem Auricher Amtmann Wiarda vorgenommen und die Ergebnisse in einem umfangreichen Protokoll festgelegt.
Pastor Hinricus Wolcken antwortete auf die üblichen Fragen des Generalsuperintendenten u.a.: Ich bin 1662 zu Wittmund als Sohn des dortigen ersten Predigers Johannes Wolcken geboren und habe die Schulen zu Esens, Norden und Braunschweig besucht. Anno 1681 bin ich nach Rostock gezogen und habe dort zwei Jahre studiert und anschließend noch fast ein Jahr zu Wittenberg. Im Jahre 1689 wurde ich von der hiesigen Gemeinde zu ihrem ersten Prediger gewählt, vom regierenden Fürsten bestätigt und von den fürstlichen Beamten in den hiesigen Dienst eingeführt. Im Sommer werden sonntäglich zwei Predigten gehalten, zwischen denen eine halbstündige Pause liegt. Im Winter wird sonntags nur eine Predigt gehalten. In der Advents- und auch in der Fastenzeit wird einmal in der Woche, und zwar am Freitag, gepredigt. In der Frühpredigt wird die Epistel und der Katechismus erklärt und die Jugend öffentlich befraget. Der Hauptpredigt bleibt die Erklärung des Evangeliums vorbehalten.
Pastor Christoph Henningsen sagte aus: Ich bin Anno 1668 als Sohn des fürstlichen Vogtes Johann Friedrich Henning zu Oldeborg geboren und habe die Schule zu Norden besucht. Im Jahre 1687 bin ich nach Rinteln gezogen, allwo ich ein Jahr studiert habe. Anno 1689 wurde ich mit dem Predigerdienst zu Holtgaste begnadet und am 23. September 1695 von der hiesigen Gemeinde zum jüngsten Prediger erwählt und nach erfolgter Bestätigung von den fürstlichen Beamten allhier eingeführt. Die Gemeinde hierselbst ist in zwei Kluften geteilt. (Das große Engerhafer Kirchspiel umfasste schon damals außer dem Kirchdorf und dem Uiterdyk, die Dörfer Fehnhusen, Oldeborg, Upende und die Marsch mit fünf Plätzen).
Organist, Schulmeister und Küster Gerd Tammen (sein richtiger Name war Frerich Tammen) gab zu Protokoll: Ich bin zu Dornum geboren (um 1624) und dort 20 Jahre Küster gewesen. Im Jahre 1670 erwählte mich die hiesige Gemeinde zu ihrem Organisten, Schulmeister und Küster. Vor etwa drei Jahren habe ich einen Menschen, namens Johann Davids, eines Ausmieners Sohn, zur Information der Kinder annehmen müssen. (Im Berichtsjahr stand Tammen in seinem 81. Lebensjahr.)
Tammens Gehilfe, der Interims-Schulmeister Johann Davids, erklärte auf Befragen, daß er Anno 1700 von der hiesigen Gemeinde erwählt wäre, und dass die Engerhafer ihre Kinder nach Siegelsum in die Schule schickten. Diese Ausschulung war wohl darauf zurückzuführen, dass der alte Tammen seinem Dienst als Schulmeister nicht mehr nachkommen konnte, und dass es nach Einstellung des Gehilfen bei der Gewohnheit geblieben war. Den Predigern wurde aufgegeben, die Eltern anzuhalten, ihre Kinder nunmehr zu Davids in die Schule zu schicken.
In der Gemeinde befinden sich zwei Pfarrhäuser nebst großen Scheunen und Gärten: die Wester- und Osterpastorei. Vormals soll im Kirchdorf noch eine dritte Pastorei gestanden haben, „welche nahe an Engerhafe gegen Westen gelegen, wovon noch ein hoher Hügel und die Rudera (Trümmer) zu sehen sind.“ Dem Sagen nach sollen die zur dritten Pfarre gehörigen Ländereien anderweitig verteilt worden sein. Ein Teil dieser Ländereien wäre den Pastoreien in Aurich zuerkannt worden, „deren unterste Pastorei (noch damals) vom hiesigen ältesten Pastor jährlich 21 Gulden zu heben hat, und es stehet in der Quittung, daß solches gegeben wurde von Christoph Lamberti Platz.“
Das Haus des Schulmeisters, Küsters und Organisten stand am Kirchhofe, „und wird jetzt (Anno 1704) Schule darin gehalten. Das Haus wird bewohnt von Johann Davids, welcher dem alten Küster, Schulmeister und Organisten, so altershalber nicht mehr informieren kann und deswegen zu seinen Kindern wohnen gegangen ist, jährlich 12 Gulden dafür gibt und dagegen die Küsterei mit Frau und Kindern bewohnt und auch das Schulgeld von den Kindern genießt. Er bekommt von einem jeglichen Kinde für den Winter einen Gulden, auch wohl einen halben Reichsthaler.“
Die beiden zeitigen Kirchenvorsteher Steffen Broers Fossema und Johann Gerken sagten aus, dass sie 1697, beziehungsweise 1700 erwählt und bestätigt worden wären. Sie klagten, dass die starken Sturmwinde der Kirche großen Schaden getan, „sonst hätten die Herren Visitatoren alles in einem besseren Zustande vorgefunden.“ Sie baten darum, „daß den Predigern eingebunden würde, die Predigten zeitiger angehen zu lassen.“ Eine „Speziale Verordnung“ an die Kirchenvorsteher besagt: „Sie sollen die Kinder warnen, die Kirchenfenster einzuwerfen.“ Sie enthielt auch Anweisung über die Buchführung und die vorschriftsmäßige Aufstellung der Rechnungen durch die Handwerker.
Auch die Armenvorsteher waren befragt und zugleich ermahnt worden, „ihr Amt christlich zu führen, so sie auch an Eidesstatt versprochen und angelobt haben, womit sie dann in ihrem Amte bestätigt wurden.“
Zum guten Ende mag hier noch mitgeteilt werden, was der Generalsuperintendent über die Kirche niedergeschrieben hat: „Die Kirche, so sehr groß und beinahe 200 Fuß lang ist, befindet sich in einem schlechten Zustande. Viele Leyen (die Kirche ist mit Schieferplatten gedeckt) sind vom Dach gefallen. Doch wird jetzt an dem Dach gearbeitet. Der Kirchenboden ist vermodert. Die Floren sind zerbrochen und abhanden gekommen. Die Kirchenmauer weichet gegen Norden ein wenig aus, gegen Osten ist sie geborsten, aber auch an anderen Stellen. Der Chor ist gar nicht befloret und der Toten wegen auch nicht untergraben (unterkellert), maßen Pastoris Wolcken Frau allein darauf begraben liegt. Die Kanzel ist fast neu, die Kirchenstühle sind noch ziemlich. Der Altar ist auch neu und Anno 1697 hierher gebracht worden. Die Orgel ist noch in ziemlichen Zustande.
Die Taufe ist schön von Erz gegossen, stehet auf vier ehernen Füßen und ist mit einem eichenen Deckel versehen. An der Taufe sind die Bilder der Evangelisten mit ihren Namen zu sehen und eine Umschrift, die an die wüsten Mansfelder erinnert. Die Mauern des Glockenturmes sind an einigen Stellen geborsten. Im Turm hängen zwei Glocken, von denen die kleine 1636 und die große 1698 gegossen wurden.“
Heinrich Drees, Aurich.
Die Taufe eines Juden 1764
Im Jahre 1764 ist in der Kirche zu Engerhafe ein Jude getauft worden. Dieses seltene Ereignis hat im Kirchenbuch folgende Eintragung ergeben:
„Anno 1764. Geborene und Getaufte:
Wilhelm Eberhard. Ein Proselyt vorher genannt Lewi Ben Samuels. Dieser junge Mensch ist von jüdischen Eltern geboren. Sein Vater ist gewesen Samuel Vietor, ein Schlachter- Jude aus Grimersum, Grethsyler Amtes, seine Mutter Mareke Lewi.
Nachdem derselbe bis in die 26 Jahren, als ein verlohrenes Schaaf von dem Hause Israel herumgegangen, und keine Religion angenommen, hat er sich in seinem Gewißen gedrungen gesehen, weil er nach seinem eigenen Bekändtnis in dem Judenthum nicht selig werden könne; sich zur christlichen, und zwar zu unserer evangelisch lutherischen Religion zu bekennen.
Wie er sich also im Monat März 1763 aus eigenem Triebe bei mir, A. G. Rershemius, ältester Prediger hieselbst angegeben, um ein Christ zu werden: So habe ich unter dem göttlichen Beystande, in denen nötigsten Heilswahrheiten nach Anleitung des kleinen Chatechismi Lutheri, indem er weder hebräisch, noch teutsch, noch jüdisch-teutsch lesen noch verstehen konnte, unterwiesen und darauf unter Genehmigung Sr. Königl. Majest. in Preußen und allerhöchst derselben hochwürdigsten Consitorii, nachdem er öffentlich vor der hiesigen Gemeinde zu Engerhafe bey dem Taufstein examiniret und sein Buß- und Glaubens- Bekentniß unter vielen Tränen abgeleget, nach der Haupt-Predigt Dom. III p.: Epiphan. d. 22. Januar 1764 die Taufe conferiret und nachher Fer: l. Fest: Pasch: zum heiligen Abendmahl admittiret.
vid. Communic. Protoc: Sub anno 1764.
Die Taufzeugen waren:
Der Hoch- u. wolgeborene u. Hochgelarte Herr Boduin Eberhard Kettler von Upgant.
Und die Hoch- u. wolgeborene Frau Wilhelmina Anna Charlotte Kettler von Upgant, geborene Lantzius-Beninga von Grimersum, weil selbige aber Unpäslichkeiten halber persönlich nicht bey der Tanfe aßistiren konnten so stunden an deren Stelle:
Der Hochwol und Hochgelarte Herr Christoph Bangert, Pastor hieselbst
Der Hochwol u. Hochgelarte Herr Henricus Wolcken, Pastor zu Victorbur,
Der buchhaltende Kirchen-Vorsteher Dirk Habben, Erbgeseßener zu Fehnhusen,
Der aßistirende Kirchen-Vorsteher Jann Dirks Jacobs, Erbgeseßener zu Engerhafe.“
Diese Eintragung ist wörtlich in der niedergeschriebenen Schreibweise dem Kirchenbuch entnommen. Zu damaliger Zeit gab es noch keine einheitliche deutsche Rechtschreibung, auch benutzte man viele Fremdworte, besonders aus dem Französischen und dem Lateinischen. Heute wird unsere deutsche Sprache leider auch verhunzt durch englische und amerikanische Ausdrücke. Wir sind also nicht besser als unsere Vorfahren.
Worterklärungen: Dom.III p.: Epiphan. = dritter Sonntag nach Epiphanias.
Fer: 1.Fest. Pasch: = l. Ostersonntag
Vid Communic. Protoc: Sub anno 1764 = siehe Communikantenprotokoll vom Jahr 1764. = Niederschrift über die Abendmahlsgäste 1764.
Eingetragen im Kirchenbuch von dem damaligen Pastor A.G. Rershemius.
Zur Judentaufe des Jahres 1764 findet man in der Akte noch folgende Eintragung des Pastors Rershemius:
„Bei den Alten war es Brauch, daß die Täuflinge bei der Taufe ein weißes Wester- Hemd anhatten. Nach der Taufe nahmen die Taufzeugen solches zu sich und legten es verwahrsam bei. Wenn sie nun bemerkten, daß der Täufling seines Taufbundes nicht mehr erinnerlich war und sich pflichtvergessen beweise, so pflegten sie dem Täufling das Hemd unter harten Erinnerungen vorzuhalten … (unleserlich) und des Bundes aufs neue wieder zu erinnern und einzuschärfen. … (unleserlich) die hohen Taufzeugen werden nicht unterlassen, wenn du dich nicht deiner Taufzusage gemäß beweisest, dich zu strafen und dies unter Augen zu stellen.“
Ein dreifacher Mord 1769
Einen dreifachen Mord, nannte der Pastor zu Victorbur, Henrikus Wolken einen Vorfall, welcher die Gemüter der Einwohner von Engerhafe und der benachbarten Orte am 23. August 1769 stark erregte. Im Kirchenbuch von Victorbur ist ein langer Bericht über diese Begebenheit enthalten, die sich damals im Kirchspiel Engerhafe zutrug. Er beginnt: „1769 d. 23. August hat Meine Wilms, alt 26 Jahr, des Wilm Albers Müllers zu Uthwerdum nachgelaßener Sohn sein Leben in Engerhafe auf höchst unglückselige Art beschloßen; und ist d. 25. eiusdem auf obrigkeitlichem Befehl, in aller Stille ordentlich und ehrlich, ohne Ceremonien hieselbst begraben worden …“.
Wie es in diesem Bericht heißt, hatte der junge Mann eine gute Erziehung genossen, führte ein ordentliches Leben, besuchte regelmäßig den Gottesdienst und „fand sich öfters bey dem Tisch des Herrn ein.“ Weiter schreibt Pastor Wolken, daß er sich fern hielt „von allem rohen und wüsten Wesen, als Bier und Tantzgesellschaften etc., welche sonst, leider Gottes, die heute erwachsene Jugend trotz aller Bestrafungen und Ermahnungen ohngeachtet mehr als zuviel ergeben ist.“
1764 nahm er Dienst als Knecht in der Gemeinde Bedekaspel „bey einem Reformato, der zwar ein sehr braver Mann war, und ein gutes Gerücht hatte, aber die Dogmata Calvinistarum (das reformierte Bekenntnis) vehementer defendirete“ (mit aller Kraft verteidigte, d.h. dafür eintrat). Er war ein Mann, der seine reformierte Überzeugung auch anderen Menschen aufdrängen wollte. Meine Wilms diente dort 3 Jahre lang. Er verlobte sich mit der Nichte seines Bauern, einem „artigen, wohlerzogenen und zur Stille incliniretem Mädgen, welches aber durch Überredung ihres Oheims wider Willen die reformierte Lehre annahm.“
Die beiden jungen Leute heirateten und es schien alles einen guten Gang zu nehmen. Sie kauften sich einen eigenen Hof in der Gemeinde Engerhafe, der aber vorerst noch verpachtet war. Bis zum Ablauf der Pachtzeit wohnten sie zunächst in einer Kammer. Hier lebte das junge Paar sehr zurückgezogen, besuchte regelmäßig den Gottesdienst und war bei den Einwohnern gut gelitten. Schon während der 3 Jahre, die Meine Wilms in Bedekaspel verbrachte, hatte man ein besonders stilles Wesen an ihm bemerkt, das an Melancholie denken ließ. Um Ostern 1769 nahm die Melancholie zu. Er wollte niemanden sagen, was ihn bedrückte und klagte nur über eine schwere Last.
Im Kirchenbuch heißt es dann: „Wollten sie ihn aufrichten, und mit der theuren Gnade Gottes in Christo, unsern ewig geliebten Erlöser trösten, so gab er ihnen mit einer traurigen Stimme die Antwort: Ein Knecht aber, p.Luc.12, 47.“ (Dort heißt es: Ein Knecht aber, der seines Herrn Willen weiß, und hat sich nicht bereitet, auch nicht nach seinem Willen getan, der wird viel Streiche leiden müssen). Seine innere Angst aber wurde immer größer. Eines Morgens ging er sehr früh zu Pastor Wilrath, der kurz zuvor von Pogum als 2. Pastor nach Engerhafe berufen war, und rief dort aus: „Ich muß Jesum haben!“ Dieser versuchte ihn aufzurichten, jedoch vergeblich. Er ging dann zu Pastor Reershemius, dem es durch vieles Fragen gelang so viel aus ihm herauszubringen, „daß er sich die Verheißungen an der göttlichen Gnade in Christo nicht zueignen könnte.“ P. Reershemius „wandte alle seine Kräfte an, diese arme Seele aus den Klauen des Satans zu erretten.“
Willms ging endlich nach Hause und erklärte seiner Frau, daß er aus der Unterredung mit P. Reershemius guten Trost empfangen habe. Doch einige Tage darauf verfiel er nicht nur wieder in seine Melancholie, sondern auch in eine „erschrecklichste Desperation“. Der Bericht fährt fort: „Er beging eine That, — O, eine gantz unbegreifliche und unmenschliche That! Die Hand zittert mir und meine Vernunft stehet stille. Er beging, wollte Gott, daß ichs nicht melden dürfte, in einer Nacht einen dreyfachen Mord! Er nahm das Schermeßer und schnitt seine schwangere Frau und sich die Kehle ab, und in diesem Zustande wurden sie, im Blute schwimmend, des Morgens im Bette gefunden.“
Broer Jürgen Lienesch
Unter dem Titel „Gestorbene und Begrabene“ ist im Jahre 1770 im Kirchenbuch eingetragen worden: „Broer Jürgen Lienesch, gewesener Interessent zu Fehnhusen, Hochfürstlich bestellter Teich-Richter der Südbrockmer Teich-Acht und Fändrich der Südbrockmer Voigtey, wie auch Kirchenverwalter hieselbst in Engerhafe, starb d. 18ten Julii Abends um 9 Uhr am Schlag Fluße; ist darauf den 27ten ejd. in der Kirche beerdiget; alt: im 90. Jahre, indem er 1681 den 23ten April St. Georgi geboren. Er gehört mit unter die seltenen Alten, weil er bis an sein Ende munter vom Geiste gewesen, und den Gebrauch der Sinne gehabt.“
Dieser Bauer hatte in seinem langen Leben wichtige Ehrenämter inne gehabt: In der eigenen Gemeinde war er Kirchenverwalter gewesen und dazu Fähnrich der Südbrokmer Vogtei, also militärischer Führer der Landesmiliz. Zur Zeit der ostfriesischen Grafen und Fürsten hatte jede Vogtei ein Fähnlein, also eine Kompanie Krieger aus ihren Reihen zu stellen, wenn Not am Mann war und der Landesherr es befahl. Die Offiziere wurden von den Interessenten der Kirchspiele aus ihren Reihen gewählt und vom Landesherrn verpflichtet.
Wichtiger war das Amt des Deichrichters. Er war für die Sicherheit der Deiche der Südbrokmer Deichacht verantwortlich, zu der das ganze Südbrookmer Land gehörte. Diese Deichacht wurde geleitet von zwei Deichrichtern und hatte zu jener Zeit den Seedeich vom Wirdumer Altendeich bis zur Kreitlapperei zu unterhalten. Jedes Kirchspiel hatte seine besonderen Pfänder. Außerdem musste damals auch noch der weiter östlich liegende alte Deich betreut werden, der das Wirdumer Neuland schützte. Die Deichaufsicht übten fürstliche Beamte zusammen mit den Deichrichtern aus. Dabei scheint es oft Schwierigkeiten gegeben zu haben. Hierüber berichtet der Amtmann Stürenburg in seiner Beschreibung des Amtes Aurich von 1735 u.a.: „…zumalen es denen Teichrichtern eben nicht mit ist, und sie so wohl als die Interessenten stets aufgewiegelt werden.“
Auf das Leben dieses Mannes treffen die Worte der Heiligen Schrift zu, wie sie im 90. Psalm, Vers 10 verzeichnet sind: „Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fähret schnell dahin, als flögen wir davon.“
Abendmahlbesuch 1800
In den alten Kirchenbüchern unserer Gemeinde sind nicht nur die Taufen, Trauungen und Beerdigungen der damaligen Gemeindeangehörigen eingetragen, man findet hin und wider auch Notizen über besondere Ereignisse, die auch heute noch für uns bemerkenswert sind. In den Jahren 1797 bis 1800 waren hier öfters Soldaten einquartiert, welche in der Kirche Gottesdienst hielten, und von denen auch eine Anzahl am heiligen Abendmahl teilnahm. Sie gehörten dem Husaren-Regiment des Generalmajors v. Blücher an, dem späteren General-Feldmarschall v. Blücher der Befreiungskriege.
Der Pastor Reershemius hatte Ostern 1800 im Protokollbuch folgendes eingetragen: „Von dem Königl. Preuß. Wohllöblichen Husaren Regiment des Herrn General-Major v. Blücher Hochwohlgeb., der Esquadrons des Herrn Obrist Lieutenant v. Proschen, so hieselbst einquartiret waren, haben sich einige, des Sonnabends zur heiligen Communion, auf den 1 ten heiligen Oster Feyertage, bey mir angegeben und sind, da sie auf befragen bezeuget, daß sie sämtlich der evangelischen Lutherischen Confession ergeben wären, zum heiligen Abendmahl, öffentlich im Choro Templi (Chor der Kirche) admittiret (zugelassen) worden.
Engerhafe, den 1. ten April 1800
1) Der Herr Unter-Officier Christian Penck, aus West-Preußen, aus Königsberg.
2) Georgius Paantje, aus Wosedje in Pommern, im Bythowiesen Amte.
3) Christian Ludewig Lindern, aus Pommern, aus Rummelsberg.
4) Ludewig Heftmann zu Stolpe in Pommern.
5) Johann Jacob Rudell zu Dantzig.
6) Johann Gottlob Henske, aus Süd-Preußen, Aretz.
7) Der Herr Unter-Officier Johann Friederich Jordan, aus der Neumark, aus Landsberg.
8) Johann Friedrich Kiekebusch, aus der Neumark aus Nürnberg.
9) Michael Lobitz, aus Pommern bey Wilthau.
Nota: Ganz besonders, habe Ihnen sämtlich, wie sie sich gemeldet haben, das schöne Exempel von dem Hauptmann zu Capernaum, nach Matth. 8 V: 5-10 zur Selbst-Prüfung ans Herze geleget.“
Was alte Kirchenrechnungen erzählen.
Maikäfer flieg,
der Vater ist im Krieg,
die Mutter ist im Pommernland,
Pommernland ist abgebrannt,
Maikäfer flieg.
Es ist ein altes Kinderlied, das zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges entstanden sein soll, und das früher auch hier oft von Kindern bei ihren Spielen gesungen wurde. Ob es auch heute wohl noch bekannt ist?
Dieser unselige Krieg (1618-1648), hatte damals den Menschen im ganzen Deutschen Reich große Not und unsagbares Elend gebracht. Die Gegenden, die mehrfach von durchziehenden Kriegsvölkern verheert wurden, waren zuletzt fast menschenleer. Besonders betroffen wurden Pommern, die Mark Brandenburg und Sachsen. Ostfriesland, das 1622/1623 durch die Mansfeldische Invasion schwer gelitten hatte, war von weiteren Kampfhandlungen verschont geblieben. Die einheimische Bevölkerung konnte ihrer täglichen Arbeit nachgehen und die Wirtschaft im Lande muss sich bald gut erholt haben. So konnte z.B. schon 1646 in Engerhafe eine neue Taufe im Werte von rd. 735 Gulden beschafft werden, als Ersatz für die alte, von den Mansfeldern geraubte Taufe. Wenn die Ostfriesen auch die Auswirkungen des Krieges spürten und schwere Kontributionen für die verschiedenen fremden Besatzungstruppen, insbesondere für die Hessen, aufbringen mussten, war ihre Lage aber doch viel besser, als die der vielen Flüchtlinge aus allen Gegenden des Reiches. Diese zogen in Deutschland umher, um ihr nacktes Dasein zu fristen. Nicht wenige von ihnen kamen auch nach Ostfriesland und baten an den Haustüren um milde Gaben. In den noch erhaltenen Kirchenrechnungsbüchern der Gemeinde Engerhafe aus jener Zeit sind die Empfänger und Geldbeträge verzeichnet, die von der Kirchenkasse ausgezahlt wurden. Leider sind für die Jahre 1618-1633 keine Unterlagen mehr vorhanden. Sie sind verloren gegangen. Doch die Kriegsereignisse der Jahre nach 1630 finden ihren Niederschlag in den Kirchenrechnungen, wie die folgenden Buchungen aus den Jahren 1634 – 1648 zeigen:
1634
11. Junii Gl. sch. W.
Einer verdrewender Mahn und fraue von Magdeborg gegewen – 7. 10
20. Augusto
Eine verdrewene Schoelmesters Fraue von Laßen uth Pommern – 7. 10
30. Augusto
Ein arme vorbrande fraue uth der stadt lütje brugge im Lande
the holdstein gegewen – 7. 10
20. Septembr.
Ein armer verdrewener Mahn von Magdeborg mit
nahmen Christian Steinacker gegewen – 7. 10
25. Decembr
Ein armer Mahn von Lübeck mit nahmen Johann Bloehm,
so alle seine guede durch Kriegesvolck affgenohmen
von der Kirchenmiddeln gegewen – 4. 10
1635
23. January
Ein fraue so nah geloffwardiger Getuchniße in der Stadt Laßen in Pommern durch das schwedische Krieges volck alle ihre guedt Verbrandt, gegewen ½ Taler – 7. 10
17. Martii
Zwey arme studiosi von tonnans Uth der paltß si wegen zwey von des Keiserlichen Kriegesvolck verbrande doerper ein hulp stuer begehret. Ihme der anderen benachbarten Kercken nah gewen – 6. –
5. May
Ein armer verdrewener Mahn uth dem Stift Minnen so durch Kriegeswesen alle seine guedt genohmen und mit 10 kleine Kindern in groter Armott umme schweiwen moßte, so guede getuchnisse hedde Ehme gegewen – 3. –
7. May
Ein armer Mahn von Haselünne welche sin hueß und guedt durch Kriegesvolck affgebrande – 5. –
13. Septem.
Ein verdrewener Pastor uth der Graffschafft Tecklenborg von dem Karspell Wersen von Keiserlichen Kriegesvolck verdrewen und durch sine behne gestecken – 7. 10
Diese „ummer schweiwende verdrewende“ kamen von weit her und waren gewiss schon seit Jahren auf der Wanderschaft. Das Elend dieser Menschen muss unbeschreiblich groß gewesen sein. Herausgerissen aus einem relativ geordneten Leben, geplagt von Hunger, Kälte und Krankheiten, wanderten sie auf miserablen Wegen durch die Lande, jederzeit in Gefahr, durch marodierende Soldaten oder Wegelagerer beraubt und umgebracht zu werden.
Im Jahre 1630 landeten die Schweden unter ihrem König Gustav Adolf an der pommerschen Küste. Seit dieser Zeit mögen die Flüchtlinge aus Lassan unterwegs gewesen sein. 1631 wurden die Städte Neubrandenburg in Mecklenburg und Magdeburg an der Elbe von den Kaiserlichen unter Tilly zerstört und ihre Bürger zum größten Teil massakriert (Neubrandenburg wurde damals von dem in schwedischen Diensten stehenden Freiherrn Dodo von Kniphausen-Jennelt verteidigt, der bei der Eroberung der Stadt in Gefangenschaft geriet. Er fiel im Januar 1636 bei Haselünne in einem Gefecht mit kaiserlichen Truppen und wurde am 3. Mai 1636 in der Kirche zu Jennelt beigesetzt). Durch die Kämpfe und Durchmärsche wurden immer wieder Menschen aus den betroffenen Städten und Landschaften vertrieben. Davon zeugen die in den Kirchenrechnungen jener Zeit eingetragenen Ortsnamen: Magdeburg, Jennickendorf, Warnemünde, Bretz in der Mark Brandenburg, Schwedt (Oder), Bernau, Berlin, Hohenlohe in Schlesien, Groß Gerau, Meißen, Weimar, Anhalt, Stollberg, Bevern u.a.m.
Außer Gaben zum Unterhalt des persönlichen Lebens wurden aber auch solche für bestimmte Zwecke erbeten, unter anderen auch zum Freikauf von Gefangenen. Unter diesen befand sich auch ein Seemann aus Norden, der im Mittelmeer von türkischen Piraten gefangen worden war.
1641
23. Octobri Gl. sch W.
Einer armen frauen von Norden in behufs ihres Sohnes
Rantzion von den Türcken -. 5. -.
1644
13. Marty
Einen mit nahmen Henrici Wilwodted Sohn Pastoris in Bernau
so von Keiserlichen verbrandt Ihren Bürgermeister gefangen 1. -. -.
1648
5. Februari
Einem vertriebenen Edelmann aus Polen so bey den Türcken gefangen umb nun Ranzion zu collegiren mit nahmen Johannes Hazbelky -. 7. -.
22.Setembr.
Einem vertriebenen aus der Wetterau von Summerode, deßen
Bruder ein Bürgermeister und wegen der Contribution gefangen
sonsten mit Nahmen Marten und Johan Sturm geben -. 6. 15
Es würde zu weit führen, alle Ausgaben dieser Art hier aufzuführen. Vom Unglück betroffene Ostfriesen, die ihr Hab und Gut durch Feuer- und Wassernot verloren hatten, und schiffsbrüchige Seeleute sind ebenfalls unterstützt worden. Von diesen werden nachstehende Fälle hier angegeben:
1635
15. January Gl. sch W.
Dreyen Manner von Noortmohr welche von einen quadenen so ihre hueß und guede verbrandt nach den heren beamten tho Stickhusen getuchnisse von der Karcken gegewen -. 7. 10
7. May
Ein ahrmer schipper Jan janßen von Amsterdam so up der Reise nah Brehmen sin schip und geudt verlohren und deßen fraue der eine Arm thor braken. Ehme mitgedehlet -. 3. -.
25. Juni
Ein armer Mahn mit nahmen Hermanus van Iderhoff welcher nach seine getuchnisse alle sine Vihe durch Wassers Noth verlohren -. 5. -.
7. Septem
Ein schipp mit nahmen Ahmgen Janßen de welcke van den Türcken gefangen und so ehme die eine Arme affgesaget und durch sine Zunge gestecken -. 5. -.
16. Septem
Ein Engellandsche schipper mit nahmen Johannes flueds so von den Dueenkarkeners den eine Arm affgeschaten -. 5. -.
Nach den Jahresrechnungen von 1634-1648, mit Ausnahme der Jahre 1637-1639 über die keine Unterlagen mehr vorhanden sind, wurden in jener Zeit insgesamt 118 Bittsteller unterstützt und zwar:
1634 1635 1636 1640 1641 1642 1643 1644 1645 1646 1647 1648
8 18 6 3 6 16 5 12 9 10 8 7
Mit dem Frieden von Münster und Osnabrück im Jahre 1648 wurde der große Krieg beendet, der Zulauf der Vertriebenen hörte auf. Die große Tragödie, die in den nüchternen Eintragungen der Engerhafer Kirchenrechnungen ihren Ausdruck fand, endete hier fast wie ein Witz. Im Jahre 1649 wurde nur eine milde Gabe verzeichnet. Die Buchung lautet:
„18.Junii: Deß Deutschen Schuelmeister blöde Vetter zu Aurich geben“
Her Almer, Kerkheren tho Butae in Broke.
Während die Namen der Pfarrer an der Kirche zu Engerhafe seit dem Jahre 1545, also nach der Reformation, sämtlich bekannt sind, kennt man von den in der katholischen Zeit an dieser Kirche amtierenden Geistlichen nicht mehr als fünf. Aus alten Urkunden geht hervor, daß hier um 1387 Embeco, um 1406 Almer und um 1435 Hilmer als Kerkher (Priester) wirkten, um 1450 wurde in einer Kaufurkunde Goedke und um 1478 Urto als Medekerkher (Mitpfarrer bzw. zweiter Pfarrer) genannt.
Von diesen Geistlichen ist Her „Almer“ bemerkenswert, denn er war nicht nur Priester an der hiesigen Kirche, sondern zugleich Hofkaplan und als solcher auch Kanzler und Bevollmächtigter der Häuptlinge Keno und Ocko tom Brok. Im Jahre 1400 sandte der Rat von Bremen an den Rat von Lübeck zwei Briefe, die Keno tom Brok seinem in Bremen weilenden Kaplan Almer zugeschickt hatte („…gesand heft an her Almer, zinen capellan…“). Der Bremer Rat forderte Lübeck auf, bemannte und bewaffnete Schiffe in die Ghand zu senden, weil zu befürchten sei, daß Keno sonst wieder die Vitalienbrüder bei sich aufnehmen würde „unde wurde dan dat leste argherer den ersten“. Keno suchte Hilfe gegen seine Feinde bei den Hansestädten, da er sonst die Seeräuber zum Beistand herbeirufen müsste. Das aber würde für die Hansestädte das ärgere Übel gewesen sein.
Die „Ghand“ hieß damals die Mündung der Abelitz und der Maar in die Leybucht. Sie muss sich etwa nördlich der heutigen Schottjer Piepe befunden haben. 1406 beglaubigte Almer eine Urkunde der „Vroue Folked, Kenen Moder“, welche später unter dem Namen „quade Foolke“, sehr wahrscheinlich zu Unrecht, verrufen wurde. Hier nannte er sich „Her Almer, Kerkheren to Butae in Broke“, und in einer anderen Urkunde vom Jahre 1413 erscheint er als „Canonicus tho Oldenborch unde beleende Preester tho Utengerbure“. Hieraus geht hervor, daß er einmal Kaplan der tom Brok in Oldeborg und zugleich Gemeindepriester an der Kirche zu Engerhafe war.
Engerhafe wurde bereits um 1250 und auch noch um 1406 „Butae“ genannt, was soviel wie „außerhalb“ oder „jenseits der Ehe“ bedeutet. Man kann annehmen, dass dieser Ortsname entstanden ist aus der Sicht der südlich der Ehe gelegenen Landschaften, besonders der Propstei Hinte, welche um 1250 mit den Brokmerländern in Fehde lag. Die Ehe muss damals viel breiter und größer gewesen sein als heute, zumal sie mit dem offenen Meer in Verbindung stand. Spuren im Gelände weisen noch darauf hin. 1413 aber tritt schon der Name Utengerbure auf, der dann später über Utengerhove zu Engerhafe wurde.
Um für unsere Mitbürger eine kleine Erinnerung an diese längst vergangene Zeit und ihre damals handelnde Personen zu bewahren, hat der Ortsrat Oldeborg kürzlich dem Gemeinderat Südbrookmerland vorgeschlagen: Dem Siedlungsweg des auf dem Kirchenland nördlich der Pastorei ausgewiesenen Baugeländes den Namen „Almer Straße“ zu geben. Der Gemeinderat Südbrookmerland wird einen entsprechenden Beschluss fassen.
Pastor König 1746
In den Aufzeichnungen des Pastors König vom Jahre 1746 befindet sich folgende Bemerkung: d. 19ten January hat Corneljes Janßen, Schiffer, von mir 5 Tonnen Rocken a 10 Gulden gekauffet und sie mit seinem Vater und Bruder abgeholet, um mit Schlitten über Eis durch Westerende nach Aurich zu führen und daselbst verkauffet; aber davon nur 25 (Gulden) bey seiner Wiederkunft bezahlet.
Ist mir also noch schuldig geblieben: 25 Gulden.
Davon hat er mir 1749 eine Fuhre Kalk
Verkauffet für: 16 Gulden.
und d. 21. Octobris geliefert.
Restiret noch: 9 Gulden.
Da der Pastor diesen Rest wahrscheinlich lange vergeblich angemahnt hat, schrieb er unter diese Eintragung in kräftig dahingeschriebenen Buchstaben: „dieses ist ihm geschenket“.
Er hat sich dabei gewiss sehr geärgert. Diese Aufzeichnung gibt einen kleinen Einblick in die damaligen Einkommensverhältnisse der Pastoren zu Engerhafe und auch, wie damals die hiesigen Produkte verkauft und befördert wurden.
Der Schiffer Cornelius Janßen kaufte das Korn, transportierte es zur Stadt um es dort weiter zu veräußern. Im Winter, wenn das Eis fest war, benutzte er dazu den Schlitten. Die Fahrt ging von Engerhafe über die „Zwei“ – „Ehe“ quer über das Große Meer zur Westerender Ehe, die heute noch in den Südteil des Großen Meeres einmündet. Dann ging die Fahrt flussaufwärts bis Westerende. Dort musste die Fracht auf Wagen umgeladen und nach Aurich gefahren werden. Das alles war sehr umständlich. Wenn er dann auf dem Markt in Aurich oder bei seinem Getreidehändler nicht den Preis erhielt, den er vielleicht erwartet hatte, blieb ihm kein Verdienst übrig. Ob das im vorliegenden Fall so war, geht aus der Notiz nicht hervor. Im Sommer und in der eisfreien Zeit fuhr er mit seinem Schiff in der Regel nach Emden.
Fiskus gegen Kirchenvorstand Engerhafe.
Ein Prozess um 5 Pfd. Käse.
In vergangenen Zeiten erhielten die Prediger und auch die Küster, die vielfach gleichzeitig Organist und Schulmeister waren, kein festes Gehalt. Ihr Einkommen bestand in dem Ertrag der Pfarr- bzw. Schulländereien sowie aus Naturalabgaben, den sogenannten „Michaeligefällen“. Diese ruhten als Reallast auf den Höfen und waren ab 1764 in den Hypothekenbüchern eingetragen. Warfstellen und Häuser ohne Land zahlten das „Krummstergeld“. Daneben erhielt der Pastor für vorgenommene Amtshandlungen Gebühren und der Schulmeister das Schulgeld nach Zahl seiner Schüler.
Da das Pfarrvermögen je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen in den einzelnen Gemeinden höchst unterschiedlich war, war auch das Einkommen der Pastoren nicht gleich, denn es gab arme und reiche Gemeinden. Engerhafe gehörte, wenn auch nicht zu den reichen, so doch zu den besser gestellten Gemeinden. Hier konnten früher sogar 2 Prediger besoldet werden. Ab 1807 wurde die 2. Pastorei aber nicht mehr besetzt.
Erst 1875 wurde seitens des Staates erwogen, das Mindesteinkommen der Pastoren auf 2.400 Mark jährlich anzuheben. Dazu waren staatliche Mittel erforderlich, die jedoch berechtigt waren, weil die Pastoren immer mehr staatliche Aufgaben wahrzunehmen hatten wie u.a. die der Orts- und Kreisschulinspektoren, die Aufsicht über das Volksschulwesen.
1919 erfolgte die Trennung von Kirche und Staat, die Besoldung der Pfarrer war nun ausschließlich Sache der jeweiligen Landeskirche. Durch die Einführung der Landeskirchensteuer auf Grund des Niedersächsischen Landesgesetzes vom 21.12.1948 war die Landessynode der ev.-luth. Landeskirche Hannover in der Lage, den Gemeinden die ersatzlose Streichung aller alten Gefälle zu empfehlen, zumal diese alten Abgaben wegen der inzwischen stattgefundenen Umwälzungen in Staat, Kirche und Gesellschaft dem Gerechtigkeitsempfinden der Gemeindeglieder zuwiderliefen. Damit erlosch eine alte Tradition kirchlicher Finanzgeschichte.
In den Jahren um 1875 betrug das Einkommen des Pastors Eilers in Engerhafe, der neben seiner eigenen 1. Pfarrstelle auch die Aufgaben der seit 1807 vakanten 2. Pastorei mit wahrnehmen musste, 620 Taler, also 1860 Mark jährlich, es lag also unter dem damals angestrebten Mindestsatz. Es ist verständlich, daß der Kirchenvorstand auf den Eingang auch der kleinsten Gefälle bedacht sein musste.
Im vorigen Jahrhundert gab es noch eine große Anzahl von Abgaben und Gefällen auf Naturalbasis, die aus alten Zeiten stammten und zwar nicht nur für die Kirche, sondern insbesondere auch für die Obrigkeit, die „Domanialabgaben“, wie z.B. das Hühner- und Eiergeld im Amte Aurich „Item van elcken Heerd ende Huys daer Roeck uitgaet ende bewoont werd, een Hoen ende een Styge Eyer“, Torffahren vom Moor zur Burg in Aurich, Abgaben an Speck, Hafer, Roggen und Gerste, und dergleichen mehr. Die Heerde im Brookmerland mussten jährlich auch 1/4 Tonne Hafer, den „Schottjer Fährhafer“ abliefern.
In preußischer Zeit, ab 1744 sind die Naturallieferungen an den Staat, durch Geldzahlungen ersetzt worden. Als 1806 die Holländer Ostfriesland besetzten, wurde das holländische Steuersystem eingeführt, dafür aber die Zahlung der alten Domanialgefälle suspendiert, d.h. sie wurden vorerst nicht mehr erhoben. Die Hannoversche Regierung aber führte 1817 trotz heftigen Widerstandes der ostfriesischen Stände die suspendierten Gefälle wieder ein, obwohl sie nicht mehr zeitgerecht waren.
Die Regierung in Hannover erließ 1833 ein Ablösungsgesetz, auf Grund dessen die alten Domaniallasten durch eine Kapitalabfindung abgelöst werden konnten. Dieses Verfahren ist dann durch Gesetz vom 3. April 1869 auch auf die Kirchengefälle ausgedehnt worden. Die Domaniallasten sind bis 1875 in Engerhafe sämtlich abgelöst worden, die Kirchengefälle jedoch nur nach und nach. Noch in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg gab es in Engerhafe einige Höfe, die noch abgabepflichtig waren. Am 5. April 1967 beschloss dann der Kirchenvorstand auf Empfehlung der Landessynode, auf die Erhebung dieser restlichen Gefälle endgültig zu verzichten.
Zur Kirchengemeinde Engerhafe gehören auch die Domänen Amerland und Klein- Heikeland, die früher ebenfalls Naturalabgaben an die Pastorei und an den Küster liefern mussten, darunter je einen Käse von 15 Pfd. Es liegt auf der Hand, dass die Domänenverwaltung allein schon wegen der Arbeitserleichterung diese an sich geringen jährlichen Verpflichtungen los sein wollte. Die Ablösungsgesetze und die damit zusammenhängenden Ausführungsbestimmungen gaben ihr nun dazu die Möglichkeit. Die Königliche Finanzdirektion in Hannover als Vertreterin des Domänenfiskus beauftragte den damaligen Kreishauptmann Neupert zu Aurich, die Ablösung der von den beiden Domänen an die Pfarre und an den Küster in Engerhafe zu leistenden Abgaben in die Wege zu leiten, und dieser bestellte den Amtsvogt Munzel zu seinem Vertreter. Nun wurde der Kirchen- und Schulvorstand Engerhafe zu einer Verhandlung eingeladen, die am 8. Februar 1875 im Amtshause zu Aurich stattfand. Es wurde jedoch keine Einigung erzielt. Im Namen des Domänenfiskus beantragte der Kreishauptmann nur bei der Königl. Ablösungskommission eine Ablösung der Vermittlung der Rentenbank. Auf einer neuen Sitzung am 7. Juni 1875 wurde folgende Sachlage festgestellt:
Die Königl. Finanzdirektion -Abteilung für Domänen in Hannover hat anerkannt verpflichtet zu sein, von dem Heerde Amerland 1 Käse zu 15 Pfd. an die Pfarre und von dem Heerde Klein-Heikeland je 1 Käse zu 15 Pfd, an die Pfarre und an die Schule zu liefern unter Berechnung des jetzigen Normalpreises von 1 Groschen und 5 Pfennig für das Pfund.
Der Kirchen- und Schulvorstand haben dies bestritten und statt des gewöhnlichen Käses sogenannten Süßmilchkäse von 4 Groschen für das Pfund und zum Gewicht von 20 Pfund für jeden Käse und außerdem auch vom Heerde Amerland einen solchen Käse für die Schule verlangt. Dies wurde fiskalischerseits abgelehnt. Trotz aller Bemühungen der Ablösungskommission konnte zwischen den beiden Parteien keine Einigung erzielt werden. Bei diesem Streit handelt es sich nicht um eine Feststellung des Wertes, sondern um die Ermittlung und Feststellung der abzulösenden Gerechtsame und der „provokatischen Ansprüche“ nach Umfang und Inhalt. Diese aber kann nach den Ablösungsordnungen nur auf dem Rechtswege erfolgen, wobei folgende Punkte zu klären sind:
„Kann der Schulvorstand auch einen Käse von dem Heerde Amerland fordern?
Können der Kirchenvorstand und der Schulvorstand auf ein Gewicht von 20 Pfd. eines jeden Käses bestehen?
Können der Kirchenvorstand und der Schulvorstand s.g. Süßmilchkäsen in Anspruch nehmen?
Bevor diese Punkte nicht auf dem Rechtswege entschieden sind, kann das Ablösungsverfahren nicht weiter gehen. Deshalb hat die Königl. Finanzdirektion erst den Rechtsweg zu beschreiten und wird hiermit auf denselben verwiesen. … Die bisher vorbehaltenen Kosten des Ablösungsverfahrens hat die Königl. Finanz-Direction als Provokantin vorläufig zu zahlen, vorbehaltlich der Entscheidung des Kostenpunctes in dem demnächstigen weiteren Ablösungsverfahren bei dessen endgültigen Abschlusse.
Aurich, den 13. Nov. 1875
Der Königl. Ablösungs-Commissar für Amt u. Stadt Aurich. gez, Conring. „
Am 3. Januar 1876 reichte die Königl. Finanzdirektion Hannover beim Amtsgericht Aurich Klage gegen den Kirchenvorstand Engerhafe ein in der es u.a. heißt:
„Wir beantragen,
1. die Pfarre in Engerhafe zu verurtheilen, anzuerkennen, daß sie von jedem der Plätze Amerland und Klein-Heikeland nicht mehr als einen gewöhnlichen ostfriesischen Käse im Gewicht von 15 Pfund jährlich zu Michaelis zu fordern berechtigt sei,
2. die Schule respc. die Küsterei daselbst zu verurtheilen anzuerkennen, daß sie von dem Platze Amerland nicht mehr als einen gewöhnlichen ostfriesischen Käse im Gewicht von 15 Pfund jährlich zu Michaelis zu fordern berechtigt sei,
3. den genannten Instituten die Kosten dieses Verfahrens als auch die bis dahin entstandenen und durch die Weiterungen der Berechtigten verursachten Kosten des Ablösungsverfahrens mit 21,50 Mark zur Last zu legen und ihnen die Erstattung der Kosten aufzuerlegen.“
Der Pastor Eilers erbat namens des Kirchenvorstandes, vom Konsistorium zu Aurich die Genehmigung und die Vollmacht, den Prozess führen zu dürfen, die ihm auch erteilt wurde. In seinem Bericht an das Konsistorium erläuterte er den Anspruch auf Lieferung von „Süßmilchkäse.“ Diese Bezeichnung findet sich im Inventarium von 1768, der Wert wurde damals einem Vierdup Roggen gleichgesetzt. Allerdings fehlt dieser Name schon im Inventarium von 1768.
Er gibt auch zu, daß von Amerland schon seit Mitte des vorigen Jahrhunderts kein Käse an die Küsterei geliefert wurde. In den Verhandlungen mit der Ablösungskommission wollte die Finanzdirektion nur 3 Käse zu 15 Pfd, das Pfund zu 1 1/2 Groschen, ablösen, worauf aber der Kirchenvorstand sich nicht einließ.
Der Vorschlag des Ablösungskommissars, jeden Käse zum Wert von 1 Rtlr. anzusetzen, fand wohl die Zustimmung des Kirchenvorstandes, nicht aber die der Finanzdirektion; so daß der Vermittlungsvorschlag scheiterte und nun Klage eingereicht wurde.
Vertreter des Kirchenvorstandes war der Obergerichtsanwalt Sekels aus Aurich. Dieser gab am 16.6.1876 zu Protokoll: „… Bezüglich des Platzes Amerland wird ein Anspruch der Küsterei auf Lieferung eines Käses nicht mehr geltend gemacht. Bezüglich des Platzes Amerland und Klein-Heikeland beansprucht der K. Vorstand einen Käse von 20 Pfd. und zwar von gewöhnlicher ostfriesischer Qualität. Dasselbe beansprucht auch der Schulvorstand bezüglich des Platzes Klein-Heikeland. Der betr. Anspruch ist erworben durch unvordenkliche Zeit und 30 jährige Verjährung. Übrigens wird der vom Ablösungs-Commissar bereits gemachte Vergleichsvorschlag in der Hauptsache wiederholt …“.
Im nächsten Termin beantragt Sekels Eidesdelertion (d. h. Zeugenvernehmung unter Eid). Der Amtsvogt Munzel als Bevollmächtigter der Finanzdirektion beruft sich auf das Inventar von 1861, in dem 15 Pfund Käse verzeichnet sind. Dazu sagt Sekels laut Protokoll: „… Das Inventar hat nicht die Bedeutung einer Urkunde, es ist überhaupt nicht beweisfähig. Es enthält vielmehr eine Nachweisung über das Vermögen der Pfarre.“
Über den Verlauf der Verhandlungen hatte der Amtsvogt Munzel regelmäßig an die Finanzdirektion zu berichten. So heißt es in seinem Schreiben vom 30.6.76 u.a. „… daß beklagerischerseits schwerlich der Beweis geführt werden kann, daß die betr. Pächter nicht weniger bis zu dem Gewicht von 20 Pfund und darüber bisher an Käse abgeführt haben. Nach den Erkundigungen haben dieselben regelmäßig einen Käse geliefert, wie er hier in Ostfriesland gewöhnlich fabriciert wird, ohne sich an das Gewicht desselben beiderseits gekehrt zu haben. Die auf dem Lande hier fabricierten Käse haben ferner eine bestimmte Schwere nicht, sie werden ganz verschieden, bald groß, bald klein fabriciert und an den Markt gebracht …“.
In dem Prozeß in Sachen der Königlichen Finanz- Direction zu Hannover in Vertretung, des Domainen Fiskus, Klägerin
wider
die Kirchengemeinde zu Engerhafe, vertreten durch den Kirchenvorstand daselbst, letzterer bestehend aus dem Pastor Eilers und den Landwirthen J. C. Müller, J. Fr. Müller und Lübbert Dirksen sämtlich zu Engerhafe und Landwirth Cornelius zu Fehnhusen, Beklagte,
wurde am 20. September 1878 das Urteil verkündet. Aus der umfangreichen rechtlichen Begründung werden hier nur einige wichtige Punkte angegeben, so u.a.: „Gründe: Die angestellte Klage ist als negatorische Klage aufzufassen. Diese ist nämlich dem Eigenthümer gegenüber jeder unberechtigten Antastung der Freiheit seines Eigenthums gegeben, daher unter anderem auch zur Abwehr von Reallasten zuständig und durchführbar gegen Jeden, der sich entweder thatsächlich oder wörtlich ein die Freiheit des Eigenthums beschränkendes dingliches Recht anmaßt, folglich auch gegen denjenigen, der die Grenzen eines ihm an sich zustehenden Rechts überschreitet. Diese Voraussetzungen finden sich in der gegenwärtigen Klage des Fiskus genügend substanziert.“
Dann folgt eine lange Abhandlung über den Klagefall selbst. Die gerichtliche Entscheidung wird dann auf den eigentlichen Grund bezogen und zwar heißt es:
„… es handelt sich im Weiteren nur noch darum:
a) ob der Platz Amerland jährlich um Michaelis für die Pfarre in Engerhafe einen gewöhnlichen ostfriesischen Käse im Gewichte von 15 oder von 20 Pfund,
b) ob der Platz Kl. Heikeland jährlich um Michaelis der Beklagten für die Pfarre und die Schule resp. die Küsterei je einen, also zwei gewöhnliche ostfriesische Käse im Gewicht von 15 oder von 20 Pfund zu prästieren habe?
Die Beklagte stützt den Erwerb ihrer Berechtigungen auf unvordenkliche Zeit und 30 jährige, eventuell 44 jährige Verjährung, für den ihr beim Leugnen des Klägers obliegenden desfallsigen Beweis von zur Begrenzung der Zeiträume als Maßgebend in Betracht zu ziehen. Aus unvordenklicher Zeit, also aus einem Zeitraum, der über Menschengedenken hinaus gedauert hätte, kann Beklagte Rechte nur herleiten, sofern sie erweislich vor Emanation des Landrechtes, also vor 1794 bereits bestanden hätten. Da ferner Rechte gegen den Fiskus begründet werden sollen, so reicht dazu ein 30 jähriger Zeitraum nach den landrechtlichen Bestimmungen nicht aus, vielmehr erfordern letztere einen 44 jährigen Zeitraum. Für diese Zeit wird sich Beklagte auf die Zeit vor Emanation des Landrechts nicht mit berufen können, weil durch die Zeit der französischen Fremdherrschaft der Lauf der Verjährung gesetzlich für unterbrochen galt. Die 44 jährige Zeit ist daher nur von Erhebung der Klage an zurückzurechnen, eine weiterhinaus liegende Zeit kann der Beklagten nicht zu gute gerechnet werden. Der Beweis der Rechtlichkeit des Besitzes war der Aequirantin für die unvordenkliche Verjährungszeit nicht, wohl aber für die 44 jährige Verjährungszeit mit aufzuerlegen. Der Gegenbeweis, daß der Zustand in unrechtlicher Weise begründet wurde, ist aber in beiden Fällen zuzulassen. Diesem allen nach ergeht jetzt die Entscheidung: Der Klageanspruch auf Erstattung der Kosten des voraufgegangenen Ablösungsverfahrens im Betrage von 21,50 Mark durch die Beklagte wird als unbegründet zurückgewiesen. Im Übrigen habe die Beklagte zuvorderst, directen Gegenbeweis dem Kläger überall vorbehaltlich, zu beweisen:
entweder daß Beklagte schon vor Emanation des Landrechts seit unvordenklicher Zeit ungestört sich im Besitz des Rechts befunden habe, jährlich zu Michaelis usw., usw.
oder daß Beklagte seit einem ununterbrochenen Zeitraum von 44 Jahren, von Anstellung der Klage zurückgerechnet in der Absicht ein Recht auszuüben sich im ungestörten Besitz des Rechts befunden habe, einen gewöhnlichen ostfriesischen Käse usw. ..
Die Entscheidung über die Prozeßkosten bleibt noch vorbehalten …
gez. Dempwolff.“
Der Anwalt des Kirchenvorstandes, Obergerichtsanwalt Sekels, hatte Eidesdelertion, d.h. Vernehmung von Zeugen unter Eid, beantragt. Die Zeugen wurden am 18. Januar 1877 vernommen. Zunächst der Pächter der Domäne Amerland, Harm Bewen. Dieser sagte aus: „Ich heiße Harm Janssen Bewen, bin 70 Jahre alt, geboren in Abbingwehr, reformiert, wohnhaft seit 44 Jahren in Amerland, Pächter des dortigen Domänen Fiskus. Ich habe seit Anfang meiner Pachtzeit, also seit 15. Mai 1833, habe ich stets um Michaelis an die Pfarre zu Engerhafe einen gewöhnlichen ostfriesischen Käse im Gewicht zu 20, 21 auch wohl 22 Pfund geliefert. Dies war das Gewicht von allen Käse, die in meiner Wirtschaft gemacht wurden. Mir war wohl bekannt, daß der von mir gepachtete Platz einen gewöhnlichen Käse zu Michaelis zu liefern hatte, nicht, daß er ein bestimmtes Gewicht und welches haben mußte …“.
Der Pächter von Klein-Heikeland war kurz zuvor gestorben. An seine Stelle wurden der Pächter von Groß-Heikeland und der Besitzer von Hoogelücht als Zeugen vorgeladen, weil diese beiden Plätze genau gleiche Käsemengen an die Pfarre zu Engerhafe liefern mussten.
„Ich heiße Claas Andreas Voß, bin 47 Jahre alt, geboren auf dem Domänen Platz Groß Burhafe in der Victorburer Marsch, wohnhaft auf dem Kettlerischen Platz Groß-Heikeland …“. Er führte aus, daß in seiner Haushaltung Käse von 26, 20 oder mehr Pfunden gemacht werden, für den Pastoren wurde immer ein besonders guter Käse ausgesucht. Das Gewicht kam dabei nicht in Betracht.
Der nächste Zeuge erklärte: „Ich heiße Jürgen Heyen Janssen, bin 65 Jahre alt, in Wiegboldsbur geboren und zu Hoogelücht in der Engerhafer Marsch wohnhaft. Ich weiß nicht, welches Gewicht die 4 Käse haben müssen, welche die Plätze Amerland und Klein-Heikeland an die Pfarre und Schule zu Engerhafe zu Michaelis liefern müssen, ebenso wenig, in welchem Gewicht sie tatsächlich die Käse seit her geliefert haben. In meiner Haushaltung wird regelmäßig ein besonders guter Käse für die beiden Berechtigten geliefert. Mir ist nicht bekannt, daß ein bestimmtes Gewicht vorgeschrieben ist …“.
Am 16. März 1877 wurde wiederum vor dem Amtsgericht zu Aurich verhandelt. In dem hier erlassenem Urteil wurde festgestellt, daß die Kirchengemeinde den Beweis: „seit unvordenklichen Zeiten ungestört sich im Besitz des Rechtes auf die Käselieferung befunden habe, nur durch Eidesleistung antreten könne. Diese ist aber unzulässig, weil der Eid nur über Tatsachen, nicht aber über Rechtsbegriffe zugelassen werden kann. Die unvordenkliche Zeit ist aber ein Rechtsbegriff. Ihr Beweis ist eigentlich unmöglich, denn unmöglich kann von Jetztlebenden ein Eid über Zustände gefordert werden, deren Anfang über Menschengedenken hinausliegt. „Der Beweis der Beklagten gilt daher für verfehlt.“ Auch auf die Zeugenaussagen kann nicht viel Gewicht gelegt werden, denn von einer Verpflichtung zur Lieferung der Käse zu 20 Pfund wissen sie nichts. Aber auch der Gegenbeweis des Klägers ist misslungen. Die vorgelegten Inventarien über die Mittel der 2. Pfarre sind keine beweiskräftigen Urkunden, sind sie doch ihrem Zweck nach nur Nachweise über das Pfarrvermögen.
Gegen dieses Urteil legte die Königliche Finanzdirektion Hannover Berufung ein, der Prozess wurde deshalb vor dem Königlichen Obergericht zu Aurich fortgesetzt. Am 15. September 1877 erließ dies Gericht ein Urteil, in dem der Antrag der Klägerin, der Beklagten die Kosten des Ablösungsverfahrens zur Last zu legen, verworfen wurde, weil es zu einer solchen Entscheidung nicht zuständig sei.
Hierzu sei nur die Ablösungskommission befugt. Zur Vervollständigung des Urteils des Königl. Amtsgerichts vom 20. September 1876 wurde der Beklagten der Beweis auferlegt, daß die Klägerin von dem Recht der Kirchengemeinde Engerhafe, jährlich zu Michaelis von den Plätzen Amerland und Klein-Heikeland die strittigen Pfunde Käse zu fordern, während eines Zeitraumes von 44 Jahren, von Anstellung der Klage zurückgerechnet, Kenntnis gehabt habe. Das endgültige Urteil wurde am 20. Februar 1878 verkündet.
Die Richter kamen zu der Überzeugung, daß den Ausführungen des erstinstanzlichen Richters bezüglich der Beweiskraft des von der Klägerin behufs Führung des direkten Gegenbeweises eingereichten Kircheninventars nicht beigetreten werden kann. Dieses Inventar ist von dem Kirchenvorstande am 28. April 1860 aufgestellt und hat in der Kirchengemeinde öffentlich ausgelegen. In demselben wird das Gewicht des zu liefernden hier streitigen Käse auf je 17 Pfund veranschlagt. Damit ist namentlich unter Mitberücksichtigung der Zeugenaussagen in ausreichender Weise von der Beklagten anerkannt, daß diese nicht ein Recht auf Lieferung eines Käses von je 20 Pfund sondern nur von 15 Pfund erworben hat …
Der Anspruch der Kirchengemeinde Engerhafe auf Lieferung von Käse im Gewicht von 20 Pfund wurde unter Verurteilung derselben in die Kosten beider Instanzen abgewiesen. Durch das Ablösungsverfahren und den Prozess in beiden Instanzen hat die Kirchengemeinde Engerhafe zahlen müssen insgesamt 262,66 Mark. Der Ablösungsbetrag für die Käse betrug 168,75 Mark.
Motto: Bauern, lasst das Prozessieren,
es kommt nichts dabei heraus.
Haltet miteinander Frieden,
dann steht’s wohl in Hof und Haus.
Der Advokat in guter Ruh,
melkt sonst noch eure letzte Kuh!
(alter Spruch)
Das Register des Pastors Friedericus von 1552.
Im Archiv der Kirchengemeinde Engerhafe befindet sich die Abschrift eines Verzeichnisses über die beheerdischten Ländereien der Kirche, deren Pachterträge für die Unterhaltung der Kirchen und deren Aufgaben verwendet wurden. Es beginnt wie folgt:
„Hier na volget de Kerckhuere van engerhafen so man de betaele heeft Anno Dm mille quigmo XLVII extract uth heern fredericen register“
Dieser „heer Frederico“ wird sonst nur noch im Ausgabenverzeichnis von 1552 erwähnt, als man ihm als Abschiedsgabe 50 Gulden verehrte. Er hatte sich verdient gemacht, denn durch seine Abschrift älterer Register wurden Einkünfte und Rechte der Engerhafer Kirche aus dem katholischen Mittelalter über den Graben der Reformation hinübergerettet.
Pastor Chr. Meyer, der von 1969-1976 hier Pfarrer war, hat über diese Kirchenheuer-Register eine Arbeit geschrieben, die meines Wissens noch nicht veröffentlicht wurde, von der er mir aber freundlicherweise einige Auszüge schenkte. Er schreibt u.a.: „… Wenn die heute noch vorhandenen Listen allerdings nur ein ‚Extract‘ sind, so ist natürlich der Verlust der vollständigen Vorlagen zu bedauern, andererseits können wir uns glücklich schätzen, durch die Sorgfalt des heern frederico überhaupt noch einen Blick in die vorreformatorischen Zeit tun zu können. Dazu kann vor allem das Verzeichnis der gesamten Kirchenländereien dienen, in dem die letzten Schenkungsurkunden gleichsam vom Vorabend der Reformation mitgeteilt werden …“.
In diesem Zusammenhang schreibt er folgenden kirchengeschichtlichen Bericht: „Das Jahr 1547 ist für die Reformationsgeschichte und für den Fortgang der evangelischen Sache von entscheidender Bedeutung. Am 24. April 1547 wurden die im Schmalkaldischen Bund vereinigten Evangelischen in der Schlacht bei Mühlberg auf der Löchauer Heide von den Truppen der Kaiserlichen geschlagen. Der Kaiser (Karl V.) versuchte darauf, die Wiederherstellung des alten Glaubens in die Wege zu leiten. Dazu dienten insbesondere die Beschlüsse des Augsburger Reichstages vom Mai 1548, die als das „Augsburger Interim“ bekannt geworden sind. Darin ging es nicht nur um die Wiederanerkennung der katholischen Lehre und die Wiedereinführung des katholischen Messgottesdienstes, sondern auch um die Rückgabe der von evangelisch gewordenen Landesherren in einer Art Säkularisation einkassierten Kirchengüter, in die Verfügbarkeit der Kirche.
Auch in Ostfriesland war diese Art von Säkularisation durch den Grafen Enno II. 1529 durchgeführt worden, wobei die rechtlichen Voraussetzung zu dieser Maßnahme höchst umstritten waren. Im Zuge dieser Maßnahmen, zu der besondere Kommissionen eingesetzt waren, wurden in Ostfriesland nicht nur die Klostergüter sondern auch die Kirchengemeinden heimgesucht, indem sie alles, was Aufrechterhaltung der katholischen Messe nötig gewesen und jetzt „überflüssig“ geworden war abgeben müssten wie: Monstranzen, Ziborien, Reliquienbehälter, Leuchter, Gewänder, Bücher und dergleichen, aber insbesondere die aus zahlreichen Schenkungen herrührenden Einkünfte aus den beheerdischten Ländereien. Zu diesem Zweck mussten die Einkünfteregister abgeliefert werden. Die Kirchengemeinden standen diesen Übergriffen von Seiten der Obrigkeit machtlos gegenüber, zumal ihnen auch die theologische Legitimation für den weiteren Erhalt dieser Einkünfte entzogen war. Es wurde den Gemeinden höchstens 1 Kelch und 1 Patene belassen, sowie die Grundlagen für die Pfarrbesoldung.
Damit war der Handlungsspielraum der Gemeinden zugleich auf ein Minimum beschränkt. Nach der Überwindung des ersten Schocks rührte sich aber zunehmend Widerstand in den Gemeinden, und man begann auf alte Rechte zu pochen, besonders nach dem Tode des Landesherrn während der Regentschaft seiner Witwe, der Gräfin Anna, nach 1540. Diese Aktivitäten liefen parallel zu den Versuchen, die Beschlüsse des Augsburger Interims auch in Ostfriesland durchzusetzen. Man ging daran, Übersichten über die hingezogenen Kirchengüter herzustellen und sie wieder in den Besitz der Kirche zu überführen.“
Im August des Jahres 1548 traf in Ostfriesland der Kaiserliche Gesandte mit dem Augsburger Interim ein, was zugleich auch die Durchsetzung dieser Beschlüsse in Ostfriesland zur Folge haben sollte. Die Gräfin befand sich in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite war ihr klar, dass man die Folgen der Reformation in Ostfriesland nicht durch einen Verwaltungsakt würde rückgängig machen können, auf der anderen Seite war ihr ebenso klar, dass sie sich den Forderungen des Kaisers nicht auf die Dauer würde widersetzen können. So wurde um Kompromisse gerungen und Teilforderungen des Interims war man gewillt nachzugeben, um ein Eingreifen des Kaisers zu verhindern. Zu der Verwirklichung einer solchen Teilforderung gehörte, dass Nachforschungen über den Verbleib der Kirchengüter angestellt wurden. Allein Johan a Lasko fertigte Register der veräußerten Kirchengüter folgender Gemeinden an: Larrelt, Gerdwehr, Twixlum (?) Loga, Westerhusen, Midlum, Hinte, Lopperum und Marienwehr. Im Jahre 1553 erhielt Wilhelm Gnapheus, der Sekretär der Gräfin, den Auftrag, die Norder Kirchengüter und Einkünfte zu registrieren. Diesen Maßnahmen verdanken wir sicher auch die Aufzeichnungen der Engerhafer Kircheneinkünfte von 1547 und 1552 durch den Pastor Friederico.
Zwar wurde durch die Erfüllung dieser Forderungen nicht die katholische Kirche wiederhergestellt, wie es die Ansicht des Interims gewesen war, wohl aber konnte man jetzt darauf verweisen, dass die evangelischen Gemeinden die legitimen Nachfolger der mittelalterlichen katholischen Gemeinden waren, indem ihr Besitzstand gewahrt blieb, bzw. ihnen wieder in die Eigenverantwortung zurückgegeben wurde.
Wie schon vor der Reformation verwalteten auch fortan zwei Kirchverwalter das Gut der Kirchengemeinde. Sie mussten allerdings jährlich zur Rechnungslegung nach Aurich zur Kanzlei. Der Landesherr hatte sich vorbehalten, über die Buchführung der kirchlichen Einnahmen und Ausgaben das Aufsichtsrecht auszuüben.
Dennoch war so sichergestellt, dass den Gemeinden Mittel zur Verfügung standen, um die dringendsten Ausgaben für Gebäude und Gottesdienste bestreiten zu können. Durch die Einziehung der Kirchengüter hatte man einsehen müssen, dass man die Kirche nicht all ihrer Einkünfte berauben darf; ohne sie damit dem totalen Verfall preiszugeben. Wo die Gemeinden nicht (mehr) über eigene Einkünfte verfügte, sah sich der Landesherr genötigt, hier neue Einnahmequellen zu erschließen.
Die Gräfin Anna hat sich in verschiedenen Erlassen Verdienste um den Erhalt der Eigenständigkeit der Gemeinden erworben (z.B. in Uplengen, wo kein beheerdischtes Land (mehr ?) vorhanden war, wurden der Kirchengemeinde die Einkünfte aus den beiden Mühlen in Remels und Bühren überlassen). Hierzu wären noch eine Reihe von Einzeluntersuchungen nötig.
Im Hinblick auf Engerhafe kann nur soviel gesagt werden, dass auch die übrigen Gemeinden des Brokmerlandes nach der Reformation weiterhin Einkünfte aus beheerdischtem Land bezogen: so Wiegboldsbur, Victorbur und Marienhafe. In keiner dieser Gemeinden reichen die Belege dafür allerdings in so frühe Zeit zurück wie in Engerhafe, soweit dieses Gebiet überhaupt schon erforscht ist.
Pfarrer wurden im Mittelalter mit „Herr“ (niederdt. Heer, vom lat. Dominus) und mit ihrem Vornamen angeredet. Das änderte sich auch nach der Reformation zunächst nicht. (In reformierten Gemeinden Ostfrieslands ist die Anrede „Domine“ noch heute bekannt.) Es ist daher nicht ganz leicht, aus den Quellen bei gleichlautenden Vornamen die Indentität der betreffenden Pfarrer festzustellen. So verhält es sich auch mit dem hier erwähnten „heer frederico“.
Im Jahre 1526 nimmt ein Friedericus N. Pevsumanus, am Oldersumer Religionsgespräch teil. Dann wird 1528 ein Friedericus als Verkünder der reinen Lehre zu Tergast erwähnt. In dem Register der Norder Kirchengüter von 1553 findet sich folgende Eintragung: „Item darynne is oek ein Parde-Venne gewesen, dar von Her Fredericus Pastor tho … ein gudt Bericht geven zall.“ Leider ist der Ort im Original nicht angegeben worden.
Dieser Friedericus war zusammen mit Pastor Gerhardus in Norden nach dem Tode des Resius und Johannes Stephanus und nach dem Weggang des Rhodius tätig. Später wird er jedoch von der streng lutherischen Partei unter Führung des Wilhelm Lemsius und des Drosten Reinko Krumminga aus Norden vertrieben. Die letzte Nachricht kommt aus den Niederlanden, wo er 1556 Pastor in einer lutherischen Gemeinde war. (Alle Angaben nach Babucke, S.54)
Vorausgesetzt, es handelt sich bei all diesen Angaben um ein und dieselbe Person, ließe sich folgender Lebenslauf rekonstruieren: Friedericus kam als junger Geistlicher nach Pewsum, schließt sich bestärkt durch das Oldersumer Religionsgespräch, an dem er 1526 teilnehmen konnte, der lutherischen Bewegung an. Bald darauf, 1528, kann er die Pfarrstelle in Tergast übernehmen. In die große Lücke, die zwischen diesem Datum und seiner Erwähnung in Norden klafft, fällt die mehrjährige Tätigkeit in Tergast und anschließend in Engerhafe, wo er mindestens von 1547-52 durch unsere Quelle bezeugt ist. Nach kurzer aber konfliktreicher Wirksamkeit in Norden wendet er sich 1656 in die Niederlande, wo sich seine Spur verliert.
Sollten die Angaben sich aber auf mehrere Personen namens Friedericus beziehen, bleiben den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet. Ein Hinweis darauf, dass es sich nur um einen Pastoren diese Namens handelt, scheint mir das besondere Engagement zu sein, das sich aus allen Angaben entnehmen lässt, wie er sich mit starker persönlicher Beteiligung für die Sache des Evangeliums eingesetzt hat. Dazu gehört auch der Versuch in Engerhafe, der Gemeinde ihre Einkünfte zu erhalten, auf die der Landesherr bereits seine Hand gelegt hatte.
Christian Meyer, P. „
Die Gründung der Kirchengemeinde Münkeboe- Moorhusen
(Auf Grund diesbezügl. Akten des Staatsarchivs Aurich, der Kirchengemeinde Engerhafe, und anderer Unterlagen, verfasst von Martin Wilken, Engerhafe)
Zum Kirchspiel Engerhafe im Brookmerland gehörten seit dessen Anfang im hohen Mittelalter die Orte Engerhafe, Fehnhusen, Oldeborg und Upende. Die Heideflächen und Moore ostwärts von Upende wurden wohl schon zu jener Zeit von den Eingesessenen als Viehweiden und zur Torfgewinnung gebraucht. An günstig gelegenen Stellen werden sich auch damals schon Menschen angesiedelt haben, gewiss schon seit dem 15. Jahrhundert. In einem Register der Torfmoore von 1632 wird ein „Jan bit Moor“ genannt, der seine Hütte sehr wahrscheinlich im Gebiet des heutigen Moorhusens erbaut hatte, und das Schatzungsregister von 1719 nennt fünf Familien als „Tagelöhner, so auff dem Mohr wohnen.“ Nach dem Erlass des preußischen Urbarmachungsedikts von 1764 setzte eine immer stärker werdende Bebauung diese Wildnisse ein, die Moorkolonien Münkeboe und Moorhusen entstanden.
In der Kirchengemeinde Engerhafe gab es damals zwei Pfarrstellen und zwar die erste, auch „ältere- oder Westerpastorei“ für den westlichen Teil und die zweite, die „jüngere- oder Osterpastorei“ für den östlichen Teil des Kirchspiels, also auch für Upende. Die Osterpastorei war somit auch zuständig für die Kolonisten, die sich in Oster-Upende, also im Raum Münkeboe und Moorhusen ansiedelten. Nun aber war diese seit 1806 vakant und nicht wieder besetzt worden. Ihre Aufgaben wurden dem Inhaber der 1. Pfarrstelle übertragen, der dafür einen Teil der Einkünfte der vakanten Pfarre erhielt. Die geistliche Betreuung der Kolonisten war von Anfang an schwierig und verschlechterte sich immer weiter, je mehr Neusiedler sich in den abgelegenen Wildnissen anbauten.
Die Kolonisten wünschen eine eigene Kirche.
Der Besuch der Kirche zu Engerhafe war für die Kolonisten wegen der weiten und überaus schlechten Wege, besonders im Winter und bei Regenwetter, kaum möglich. Diese Umstände behinderten ebenfalls Taufen und Beerdigungen und natürlich auch den Pastoren selbst bei seinen Besuchen in den Moorsiedlungen. Hinzu kam, dass die Bänke in der Kirche den Eingesessenen der alten Gemeinde gehörten, und nur wenig freie Sitze für Fremde vorhanden waren. Diese mussten immer erst den Eigentümer der Bank fragen, ob sie sich auf einen der unbesetzten Plätze setzen durften. Es liegt auf der Hand, dass derartige Zustände den Kirchgang der Kolonisten durchaus nicht förderten und nicht zuletzt auch dazu beitrugen, dass sich eine erhebliche Anzahl von Familien in Münkeboe und Moorhusen den Baptisten zuwandten, die damals hier eine Gemeinschaft gründeten. In einem Schreiben der Einwohner von Münkeboe und Moorhusen an das Konsistorium in Aurich vom 29. Nov. 1866 wird die Lage wie folgt geschildert:
„…Die Einwohner unserer beiden Gemeinden sind von der Kirche zu Engerhafe 1 1/4 bis 1 1/2 Stunden entfernt; alte und schwache Personen können die Kirche daselbst gar nicht besuchen, selbst für junge und gesunde Personen ist der Gang zur Kirche im Sommer wegen der Hitze und im Winter wegen der Kälte mit großer Beschwerde verbunden, öfters wegen schlechten Wetters unmöglich. … Wenngleich der Herr Superintendent Oepke zu Engerhafe in den Schulen unserer Ortschaften von Zeit zu Zeit abwechselnd predigt, so kann doch einerseits diese seine anerkennungswerthe Bemühung keinesfalls die regelmäßige Predigt des göttlichen Wortes ersetzen; wogegen andererseits, die bei solchen Predigten gewöhnlich gedrängt vollen Schulen den Beweis liefern, daß in unserer Gemeinde die Liebe zur Predigt des Wortes Gottes nicht fehle. Unsere Jugend ist bei der großen Entfernung von der Kirche fast noch größeren Nachtheilen und Gefahren ausgesetzt. Dieselbe ist auf dem weiten Wege zur Sonntäglichen Katechisation und zum Confirmanden- Unterricht, ohne Aufsicht sich selbst überlassen der Verführung zum Leichtsinn und zur Thorheit, wohl gar noch Ärgerem blos gestellt, so daß gewissenhafte Eltern ihre Kinder nur mit Furcht vor deren Entsittlichung dahin gehen lassen können, wo sie zur Gottesfurcht und Frömmigkeit angeleitet werden.
Große Schwierigkeiten bietet uns auch die Entfernung von der Kirche bei Taufen und Begräbnissen, weil der weite Transport der Täuflinge und der Leichen für die Erwachsenen nicht nur höchst beschwerlich, sondern für die Täuflinge sogar mit Gefahren für Gesundheit und Leben derselben verbunden ist. … . Die Folgen dieser mangelhaften kirchlichen Verhältnisse unserer beiden Gemeinden treten immer deutlicher zu Tage. Es ist anerkannte Tatsache und wird von den Bessergesinnten in unseren Gemeinden mit tiefen Schmerz empfunden, daß Unkirchlichkeit und in Folge davon Leichtsinn, Verwilderung, Unsittlichkeit, namentlich in puncto sextu, in unseren Gemeinden wachsen und überhand zu nehmen drohen.
Die Kolonisten hatten sich schon 1850 bemüht, einen eigenen Pastoren zu bekommen. Ihr Antrag blieb aber ohne Erfolg weil, wie das Konsistorium verfügte: „… unter den vorwaltenden Umständen von der Bildung einer Parochie für Münkeboe und andere benachbarten Ortschaften einstweilen und jedenfalls bis dahin, daß der emeritierte Prediger Oepke mit dem Tode abgegangen sein wird, Abstand genommen werde. …“. Die Kirchengemeinde Engerhafe scheint demnach ihrem alten, im Ruhestand lebenden Pastoren eine Pension gezahlt zu haben und hatte deshalb keine Mittel für einen neuen Pfarrer in Münkeboe zur Verfügung.
Nachdem der Pastor i.R. Oepke gestorben war, richteten am 2. April 1857 mehrere Einwohner aus den Kolonien eine Anfrage an den „verehrlichen Kirchenvorstand der Gemeine Engerhafe“, ob dieser „geneigt sei, die obgedachten, im Jahre 1850 abgebrochenen Verhandlungen auf der damals zu Grunde gelegten Basis wieder anzuknüpfen …“. Über das Ergebnis dieser Anfrage sind in den noch vorhandenen Akten keine Angaben zu finden.
Im Sommer 1866 wandten sich die Einwohner von Münkeboe und Moorhusen wegen Bildung einer eigenen Kirchengemeinde an das Konsistorium in Aurich. Dieses riet ihnen, von ihrem Plan vorerst Abstand zu nehmen, „…bis sich die von Jahr zu Jahr steigenden Einkünfte der 2. Pfarre zu Engerhafe noch mehr werden gehoben haben…“. Diese Antwort wurden den Einwohnern am 30. August 1866 in einer Gemeindeversammlung bekanntgegeben, in der sie auch beschließen sollten, ob sie imstande und bereit seien, für das jährliche Pfarrgehalt einen Zuschuss aufzubringen, wenn die Einkünfte der 2. Pfarre zu Engerhafe hierfür nicht ausreichen sollten. In Münkeboe beschloss man, hierfür einen jährlichen Beitrag von 200 Rtlr. zu übernehmen, falls Moorhusen sich daran verhältnismäßig beteiligen würde. In Moorhusen war man dazu grundsätzlich bereit, wollte sich aber noch nicht auf einen bestimmten Betrag festlegen.
Auch die Interessenten der Kirche zu Engerhafe verhandelten über die Trennung der beiden Kolonien von der alten Gemeinde und die Bildung einer neuen Parochie, und zwar am 19. September 1866. Es sollte geklärt werden, ob und wie die Kosten für die neuen Kirchengebäude, für das Pastorengehalt und für den Fonds der Armenkasse gesichert werden konnten. Sie beschlossen einstimmig, mit der Bildung eines neuen Kirchen- und Armenverbandes einverstanden zu sein.
Unter dem Vorbehalt, dass die Oberbehörde ihre Genehmigung zur Bildung einer neuen Gemeinde erteilen würde, beschlossen sie:
1.) der neuen Gemeinde zur Fundierung des Pfarrgehalts einen jährlichen Zuschuss von 150 Rtlr. aus der 2. Pfarre und
2.) zur Gründung eines eigenen Armenfonds aus dem hiesigen Armenvermögen ein für alle mal die Summe von 2.000 Rtlr. zu überweisen.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass damals die Pfarrer von den jeweiligen Kirchengemeinden bezahlt wurden. Das Geld hierfür wurde aufgebracht aus den Erträgen des Pfarrvermögens, also aus den Pachten der Ländereien, die seit alter Zeit zur Pfarre gehörten, aus den aufkommenden Gebühren und evtl. noch aus eigenen Umlagen der Gemeinde. Daher waren die Gehälter der Pastoren in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedlich hoch, denn es gab arme und reiche Kirchengemeinden.
Da die hiesigen Pastoren seit 1806 wegen der zusätzlichen Betreuung der Osterpastorei einen Teil der Erträge dieser Pfarre erhielten, ist es erklärlich, dass die Inhaber dieser Stelle befürchteten, in ihrem Einkommen geschmälert zu werden, falls die 2. Pfarre neu besetzt oder die Erträge derselben zur Finanzierung einer neuen Parochie verwendet werden würden. Heute werden die Gehälter der Pastoren durch das Landeskirchenamt in Hannover gezahlt, und die hier geschilderten Hindernisse können nicht mehr vorkommen. Die Erträge der Pfarrvermögen werden jetzt an das Landeskirchenamt abgeführt als Einnahme der Haushaltsstelle, aus der die Geistlichen der Landeskirche besoldet werden.
Am 26. September 1866 trafen sich die Kolonisten in der Schule zu Moorhusen, um über das Angebot der Engerhafer Interessenten zu entscheiden. Es wurde ein Ausschuss gewählt, der die Verhandlungen mit Engerhafe führen sollte. Er wurde beauftragt zu versuchen, ob nicht der jährliche Beitrag zum Pfarrgehalt von Engerhafe auf 300 Rtlr. und der einmalige Zuschuss zum Armenfonds auf 2.250 Rtlr. erhöht werden könne. Die Interessenten lehnten die Erhöhung des Zuschusses zum Pfarrgehalt ab, waren aber bereit, den Beitrag zum Armenfonds auf 2.250 Rtlr. aufzustocken.
Nun wandten sie sich am 29. November 1866 erneut an das Konsistorium in Aurich mit einer Eingabe, in der sie ihre Gründe für die angestrebte Trennung ihrer Gemeinden von der Kirche in Engerhafe und die Gründung einer eigenen Kirchengemeinde sowie eines eigenen Armenverbandes darlegten. In diesem Gesuch heißt es u.a.:
„… Königl. Hochwürdigstem Consistorio wird hoffentlich nicht unbekannt sein, daß unsere beiden Gemeinden Münkeboe und Moorhusen bisher noch in keiner Kirchengemeinde definitiv eingepfarrt gewesen, die Einwohner derselben sich indeß stets zu der benachbarten Gemeinde Engerhafe gehalten haben und von dieser in kirchlicher Hinsicht als Gastgemeinde aufgenommen und betrachtet worden. Hinsichtlich des Armenverbandes sind wir jedoch seither als Vollberechtigte und Verpflichtete angesehen und behandelt worden …“.
Der Begriff „Gastgemeinde“ ist in den Verordnungen und Bekanntmachungen für Kirchen- und Schulsachen, die das Konsistorium in Aurich für seinen Bezirk herausgab, nicht zu finden. Jedoch kommt er im Preußischen Allgemeinen Landrecht vor, und zwar heißt es dort:
„§ 294. Auch ganze Gemeinen, welche noch zu keinem Kirchspiel gewiesen sind, müssen sich, unter Nennung und Genehmigung der geistlichen Oberen zu einem benachbarten Kirchspiel schlagen.
§ 723. Auch Gastgemeinen, welche zu einer benachbarten Kirche gewiesen werden (§294fgg) müssen dazu Beitrag leisten.
§ 743. Die einzelnen Mitglieder bloßer Gastgemeinen entrichten den viertel Theil dessen, was ein Contribuent von eben der Classe aus der eigentlichen Pfarrgemeine zu leisten hat.“
Dem heutigen Betrachter der damaligen Zustände muss es sonderbar erscheinen, dass die beiden Kolonien, die ja auf dem Gebiet entstanden sind, das früher östlich von Upende wild gelegen und von den Einwohnern des Kirchspiels Engerhafe mehr oder weniger stark bewirtschaftet wurde, nicht von Anfang an nach Engerhafe eingepfarrt waren. In Engerhafe wurden die Kinder der Kolonisten getauft, die Hochzeitspaare getraut und die Toten fanden auf dem dortigen Kirchhof ihre letzte Ruhestätte. Der Pastor zu Engerhafe war Schulinspektor für die Schulen in Münkeboe und Moorhusen. Zum Neubau der Engerhafer Schule und Lehrerwohnung im Jahre 1852 wurden die Gemeinden Münkeboe und Moorhusen mit den anderen Orten der Parochie zur anteilmäßigen Zahlung eines Drittels der Baukosten herangezogen und zwar für die Kosten der Küsterei, weil die Küster- und Organistenstelle ja für den gesamten Bereich das Kirchspiels zuständig war.
Damals hatten Oldeborg und Upende den vollen Beitrag ihres Anteils zu zahlen, Münkeboe und Moorhusen aber nur den halben Beitrag, weil, wie Oberamtmann Scheeler von der weltlichen Kirchenkommission in einem Schreiben vom 2. November 1852 bemerkte, sie „nicht in Engerhafe eingepfarrt und deshalb nur als Gastgemeinden anzusehen sind.“
Im Königreich Hannover kannte man politische oder Wohngemeinden, Kirchengemeinden, Schulgemeinden und Armengemeinden, die aus einem Ort, oder mehreren Orten bestehen konnten, und die unabhängig voneinander für die Einwohner wirkten. Die Wohn- oder politischen Gemeinden um 1830 aus den alten Bauernschaften. Zu der Zeit wurden die alten Keddschaften des Kirchspiels Engerhafe selbstständige Kommunen, darunter auch Münkeboe und Moorhusen.
Anscheinend hat man damals versäumt, diese neuen Gebietskörperschaften in die alte Kirchengemeinde einzupfarren, so dass sie mit derselben nur lose, eben gastweise, verbunden waren. Möglicherweise haben die Kolonisten keinen großen Wert gelegt auf eine ordnungsgemäße Einpfarrung in die Kirchengemeinde Engerhafe, weil sie einmal schon immer von dort aus geistlich versorgt wurden und zum anderen vielleicht auch, weil die Glieder einer Gastgemeinde auf Grund des damals geltenden Allgemeinen Landrechts nur geringere Kirchenabgaben zu zahlen brauchten. Die genauen Vorgänge jener Zeit sind heute nicht mehr bekannt.
Sie blieben aber Mitglieder des Armenverbandes Engerhafe, der nunmehr aus den Wohngemeinden Engerhafe, Fehnhusen, Oldeborg, Upende, Münkeboe und Moorhusen bestand. Das Armenwesen war früher eine rein kirchliche Angelegenheit. Erst unter der preußischen Regierung begann der Staat einen im Laufe der Zeit steigenden Einfluss auf die Armenverwaltung auszuüben, der endlich zu der heutigen Fürsorgegesetzgebung geführt hat. Der kirchliche Ursprung des Armenwesens war den Einwohnern bekannt und vertraut. Deshalb sollte es auch noch eine bedeutsamen Rolle spielen in den Auseinandersetzungen unter den Engerhafer Interessenten, den Kolonisten und den Behörden, die der Gründung der neuen Kirchengemeinde Münkeboe- Moorhusen vorausgingen.
In ihrem Antrag vom 29. November 1866 an das Konsistorium wiesen die Kolonisten auf die Dürftigkeit der beiden Gemeinden hin, die es ihnen unmöglich mache, die mit der Bildung einer eigenen Kirchengemeinde verbundenen großen Geldausgaben aufzubringen und sie hofften, dass die hohe Kirchenbehörde ihnen in der Realisierung ihres Wunsches „nach Kräften förderlich sein“ werde. Zugleich berichteten sie, dass Engerhafe für die Pfarrstelle jährlich 250 Rtlr. und für den Armenverband einmalig 2.250 Rtlr. zahlen wolle. Selber wolle man 150 Rtlr. aufbringen, so dass dem künftigen Pastor 400 Rtlr. gezahlt werden könnten, dazu die Erträge aus den jährlichen Gefällen und etwaigen Stolgebühren.
„… Zur Herstellung der erforderlichen Kirchen- und Pfarrgebäude haben wir freilich noch zwar nichts, können auch in dieser Hinsicht auf die eigenen Kräfte unserer beiden Gemeinen nicht rechnen; setzen aber nächst Gott unsere Hoffnung auf die anerkannte Bereitwilligkeit unserer hohen kirchlichen und weltlichen Behörden in Beförderung kirchlicher Zwecke. …“.
Dann wird noch auf die vielleicht mögliche künftige Entwicklung des Kirchenwesens in Engerhafe hingewiesen, die durch eine Wiederbesetzung der 2. Pfarrstelle entstehen könnte, und zwar heißt es weiter: „… Wir verhehlen es nicht, daß auch im günstigen Falle wir durch die gewünschte Einrichtung eines Kirchenwesens eine schwere Last übernehmen würden, dürfen aber auch nicht übersehen, daß, falls unser Wunsch nach einer eigenen Kirche nicht mögte in Erfüllung gehen, uns alsdann über kurz oder lang, wenigstens bei Wiederbesetzung dar vacanten zweiten Pfarre in Engerhafe, die definitive Einpfarrung daselbst und in Folge davon die Auferlegung fester jährlicher Gefälle an dieselbe, sowie bedeutend höhere Beiträge an die Kirchenkasse wie bisher, bevorstehen würden, ohne daß wir durch die Wiederbesetzung der zweiten Pfarre für unser specielles religiöses und kirchliches Leben vollen Vortheil erlangten; daß uns aber auch damit zugleich für immer die Hoffnung abgeschnitten wäre, bei vielleicht ebenso hoher Kirchenlast, als die eigene Kirche erheischte, die hiesigen kirchlichen Übelstände fortdauern und bei der zunehmenden Einwohnerzahl, namentlich wegen des im Zunehmen begriffenen Proletariats, sich fortwährend steigern zu sehen. … „.
Wegen der vorgesehenen Gründung eines eigenen Armenfonds „als gewissermaßen selbstverständliche Pertinenz des Kirchenwesens“ war man zuversichtlicher. Der vorgesehene Armenverband Münkeboe- Moorhusen konnte ja einmal mit dem Grundkapital von 2.250 Rtlr. rechnen, den der Armenverband Engerhafe zur Verfügung stellen wollte, zum anderen glaubte man, in dem neuen kleineren Bezirk die Personen, welche Armenmittel beanspruchten, leichter und strenger überwachen bzw. zur Arbeit anhalten zu können, und drittens hoffte man, dass manche Produkte, wie z.B. Torf, billiger als in anderen Dörfern zu haben seien, so dass die Ausgaben des Armenverbandes erheblich vermindert werden könnten, und dass aus diesen Gründen die von der Gemeinde zu leistenden Beiträge sich gegenüber den bisherigen Armenbeiträgen kaum erhöhen dürften.
Das Gesuch schloss mit der Bitte: „Königliches Nachwürdigstes Consistorium wolle Hochgeneigtest die Wünsche unserer beiden Gemeinden auf Gründung eines eigenen Kirchen- und Armenwesens hieselbst berücksichtigen und die zur Verwirklichung derselben erforderlichen Verhandlungen veranlassen. Mit schuldigstem Respect verharren eines Königlichen Consistorii gehorsamste,
gez.
Schullehrer Rahmeyer, Ortsvorsteher
Hinrich Garrelts, Ortsvorsteher
Heere Janßen Hanßen Arend Dirks Eckhoff,
Luitjen Janßen Osterkamp, Jann Janßen Saathoff,
Jann Gerdes Dreier, Gerd Janßen Flohr,
Brechter Hilberts Dorenbusch,
Klinkermann, Schullehrer.
Der Kirchenvorstand Engerhafe bestätigte die Richtigkeit der im Gesuch aufgeführten Angaben, besondere auch seine Zusagen in finanzieller Hinsicht, und erklärte, mit den Wünschen der beiden Gemeinden einverstanden zu sein. Bald darauf, am 5. Januar 1867, bat das Königl. Preußische Amt Aurich den Superintendenten Oepke in Engerhafe, um genaue Angaben über die Höhe der jährlichen Beiträge der Eingesessenen beider Gemeinden, zu den Kirchenlasten, den Armenbeiträgen und über die Anzahl der aus den Armenmitteln in den letzten 10 Jahren unterstützten Personen. Er meldete dem Amt folgende Zahlen:
1) Kirchenbeiträge aus Münkeboe und Moorhusen
pro 1857 von 165 Contribuenten 37 Rtl, 1 Gr. 4 Pfg.
1858 von 164 76 Rtl. 22 Gr. 4 Pfg.
1859 von 163 73 Rtl. 15 Gr. — Pfg.
1860 von 163 73 Rtl. 15 Gr. — Pfg.
1861 von 163 73 Rtl. 15 Gr. — Pfg.
1862 von 178 38 Rtl. 22 Gr. 5 Pfg.
1863 von 178 64 Rtl. 17 Gr. 5 Pfg.
1864 von 187 26 Rtl. 25 Gr. — Pfg.
1865 von 187 26 Rtl. 27 Gr. — Pfg.
1866 von 187 26 Rtl. 27 Gr. — Pfg.
Summa: von 1735 518 Rtl. 9 Gr. 8 Pfg.
D-schnitt von 173,5 51 Rtl. 24 Gr. 9,8 Pfg.
2) Armenbeiträge
1856/57 166 Contribuenten 161 Rtl. 7 Gr. 5 Pfg.
1857/58 176 129 Rtl. 9 Gr. 8 Pfg.
1858/59 176 129 Rtl. 19 Gr. 6 Pfg.
1859/60 176 129 Rtl. 19 Gr. 6 Pfg.
1860/61 176 129 Rtl. 19 Gr. 6 Pfg.
1861/62 180 256 Rtl. — Gr. 8 Pfg.
1862/63 180 239 Rtl. 25 Gr. 2 Pfg.
1863/64 180 159 Rtl. 26 Gr. 8 Pfg.
1864/65 180 159 Rtl. 26 Gr. 8 Pfg.
1865/66 180 159 Rtl. 26 Gr. 8 Pfg.
Summa: 1770 1655 Rtl. 2 Gr. 5 Pfg.
D-schnitt: 177 165 Rtl. 15 Gr.2,5 Pfg.
3) Unterstützungs- und Unterhaltungskosten.
1856/57 48 Pers. 459 Rtl. 24 Gr. — Pfg.
1857/58 52 Pers. 602 Rtl. 8 Gr. — Pfg.
1858/59 46 Pers. 441 Rtl. 13 Gr. 2 Pfg.
1859/60 45 Pers. 513 Rtl. 11 Gr. 9 Pfg.
1860/61 50 Pers. 481 Rtl. 19 Gr. 2 Pfg.
1861/62 56 Pers. 644 Rtl. 14 Gr. 5 Pfg.
1862/63 53 Pers. 612 Rtl. 8 Gr. 3 Pfg.
1863/64 47 Pers. 541 Rtl. 8 Gr. 9 Pfg.
1864/65 42 Pers. 405 Rtl. 2 Gr. 1 Pfg.
1865/66 44 Pers. 415 Rtl. 24 Gr. 5 Pfg.
Summa : 483 Pers. 5117 Rtl. 14 Gr. 6 Pfg.
D-schnitt: 48,3 Pers. 511 Rtl. 22 Gr. 4,6 Pfg.
Der damalige Amtsvogt Funzel musste dem Amt einen Bericht über die Steuerkraft der beiden Gemeinden vorlegen. Sein Bericht vom 4. Januar 1867 lautete:
I. Münkeboe:
a) Grundsteuern 198 Rtl. 19 Gr. 2 Pfg.
b) Haussteuern 46 Rtl. 16 Gr. 8 Pfg.
c) Personensteuern 102 Rtl. 15 Gr. 8 Pfg.
Summa: 347 Rtl. 21 Gr. 8 Pfg.
II. Moorhusen:
a) Grundsteuern 167 Rtl. 15 Gr. 6 Pfg.
b) Haussteuern 21 Rtl. 8 Gr. 4 Pfg.
c) Personensteuern 51 Rtl. 18 Gr. — Pfg.
Summa: 240 Rtl. 12 Gr. — Pfg.
Zahl der Wohnhäuser Einwohner: Familien:
In Münkeboe: 108 549 112
In Moorhusen: 87 471 87
Summa: 195 1020 199
Auch der Schullehrer Klinkermann musste für die Armenverwaltung Engerhafe einen Bericht vorlegen über die in der Zeit. von 1840-1850 in den Kolonien verwendeten Unterstützungen:
Übersicht von den durch die Armenverwaltung zu Engerhafe für die beiden Colonien Münkeboe und Moorhusen in den 10 Jahren de 1. Mai 1840 bis 1850 verwendeten Unterstützungen, aufgestellt durch den Schullehrer Klinkermann, Münkeboe für jedes Jahr ab 1840.
Die Endsumme beträgt:
Für Brot 901 Rtl. 2 ggr. 1 Pfg.
Saatkorn 4 Rtl. 16 ggr. — Pfg.
Torf 28 Rtl. 8 ggr. — Pfg.
Kleidung 325 Rtl. 9 ggr. — Pfg.
Schulgeld 427 Rtl. 17 ggr. 10 Pfg.
Arztlohn 92 Rtl. 20 ggr. 11 Pfg.
Verpflegung 206 Rtl. 3 ggr. 8 Pfg.
Wochengeld 133 Rtl. 22 ggr. — Pfg.
Begräbniskosten 140 Rtl. 1 ggr. 1 Pfg.
Summe: 2.259 Rtl. 4 ggr. 7 Pfg.
Einnahmen:
Eine Zulage der Armensteuer
in Münkeboe 30 Rtl. 8 ggr. — Pfg.
ab Ausfälle 3 Rtl. 12 ggr. 3 Pfg.
Differenz: 26 Rtl. 12 ggr. 5 Pfg.
in Moorhusen 23 Rtl. 10 ggr. 6 Pfg.
ab Ausfälle 4 Rtl. 21 ggr. 4 Pfg.
Differenz: 18 Rtl. 1 ggr. 7 Pfg.
Summa: 45 Rtl. 1 ggr. 7 Pfg.
Für 2 Zulagen im Jahr 90 Rtl. 3 ggr. 2 Pfg.
Ausgaben:
D-schn. d. l. 10 Jahre: 243 Rtl. 22 ggr. 7/10 Pfg.
Balance:
Einnahmen: 90 Rtl. 3 ggr. 2 Pfg.
Ausgaben: 243 Rtl. 22 ggr. 7/10 Pfg.
Minus im Jahr: 153 Rtl. 18 ggr. 1 7/10 Pfg.
Nachdem diese Angaben vom Amt Aurich geprüft worden waren, legte es am 29. März 1867 der Landdrostei in Aurich einen Bericht vor, in dem es u. a. heißt: „… Wir sind mit den Interessenten darunter einverstanden, daß die Bildung einer eigenen Parochie für die beiden Colonien von außerordentlicher Wichtigkeit und außerordentlich wünschenswerth sein würde, glauben aber auch andererseits aber unbedingt aussprechen zu dürfen, daß die Colonien bei den Anerbietungen der alten Gemeinde genügend Unterstützung nicht finden, um die erwachsenen Kosten tragen zu können. Wir sehen dabei noch voraus, daß durch die Bewilligung von Beihülfen aus öffentlichen Mitteln, Bewilligung von Collekten und durch milde Gaben die Erbauung der geistlichen Gebäude vollkommen aufgebracht werden, also den Colonien nur die Aufbringung eines Theils des Pfarrgehaltes und vorzugsweise der erforderlichen Mittel zur Unterstützung respc. Unterhaltung der Armen zufallen würde. Gleichzeitig glauben wir die Colonien als unfähig zur Aufbringung der Kosten bezeichnen zu müssen … . Um noch einmal auf die Armensache zurückzukommen, haben in den Jahren 1840/50 für die Colonien aufgebracht werden müssen: 243 Rtl., während in den Colonien bezahlt sind etwa 90 Rtl., mithin ein minus von etwa 153 Rtl. vorhanden gewesen … .
Weil die geplante neue Kirchengemeinde finanziell durchaus nicht gesichert erschien, vor allen Dingen das eigene Armenwesen, konnten die übergeordneten Behörden das Gesuch der Einwohner nicht unterstützen, und die Landdrostei hat dem Konsistorium am 4. April 1869 auch darüber seine Ansicht mitgeteilt. Als im Dezember 1867 das Konsistorium zu Aurich sich bei der Königl. Landdrostei nach dem Stande der Dinge erkundigte, erhielt es am 11. Januar 1868 zur Antwort: „… daß die Verhältnisse, die einer Sistierung jener Angelegenheit höheren Orts wünschenswerth erscheinen ließen, seit unserem Schreiben vom 4. April v. Js. sich nicht geändert haben und eine Anregung unsererseits zur Zeit nicht angemessen erscheint.“ Hierzu sei noch bemerkt, dass 1869 und in den folgenden Jahren der Buchweizen völlig missriet, wodurch die wirtschaftliche Lage der Moorkolonien Ostfrieslands auf das Schwerste bedroht wurde.
Neue Parochie Münkeboe-Moorhusen oder Wiederbesetzung der 2. Pfarrstelle zu Engerhafe.
Nach dem Tode des Pastors und Superintendenten Oepke zu Engerhafe († 21.01.1872) schrieb das Konsistorium in Aurich am 29. Februar 1872 an die Kirchenkommission der 1. luth. Inspektion des Amtes Aurich:
„Mit der Erledigung der 1. Pfarrstelle zu Engerhafe durch den Tod des Superintendenten und Pastors Oepke ist der Zeitpunkt gekommen, wo die Frage, ob außer der 1. auch die seit 1807 vacante zweite Pfarrstelle zu Engerhafe wieder zu besetzen, oder ob aus den bis dahin nicht förmlich nach Engerhafe eingepfarrten Colonien Moorhusen und Münkeboe eine besondere Parochie zu bilden sei, zur definitiven Entscheidung gebracht werden muß. Unter Bezugnahme auf die früheren Verhandlungen und im Anschluß an dieselben wolle daher die Kirchenkommission die Verhandlungen mit den Betheiligten wieder aufnehmen, dieselben thunlichst beschleunigen und zunächst darüber eingehend berichten, ob die an und für sich jedenfalls wünschenswerthe Bildung einer besonderen Parochie Moorhusen- Münkeboe sich ermöglichen lassen wird.
Königlich Preußisches Consiatorium
gez. Brandis.“
Der Kirchenvorstand zu Engerhafe erhielt eine Abschrift dieses Schreibens zur Bekanntgabe an die Gemeinde und um zu berichten, wie der Kirchenvorstand und die Gemeinde über diese Sache dachten. Zwar wurde die Besetzung der 1. Pfarrstelle hiervon nicht berührt und auch nicht ausgesetzt, es sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Einkünfte, die bislang der 1. Stelle aus dem Pfarrvermögen der 2. Pastorei zuflossen, wegfallen würden, wenn die 2. Stelle wieder besetzt oder wenn eine neue Parochie in Münkeboe- Moorhusen gebildet werden würde.
Am 15. April 1872 versammelten sich die Interessenten in der Schule Engerhafe, nachdem sie durch Abkündigung von der Kanzel und durch Ansagen van Haus zu Haus eingeladen worden waren. Geleitet wurde die Versammlung durch Pastor Hafermann aus Victorbur. Gegenstand der Beratung waren die erwähnten Schreiben des Konsistoriums und der Kirchenkommission. Den anwesenden Gemeindegliedern wurden folgende Punkte „zur Erwägung und zur Discussion“ gestellt:
„1. Erscheint zugleich mit der Wiederbesetzung der jetzt vacant gewordenen 1. Pfarrstelle auch diejenige der 2. Pfarrstelle wünschenswerth?
2. Oder ist es vorzuziehen, jetzt auf die Bildung einer eigenen Parochie Münkeboe- Moorhusen Bedacht zu nehmen; und eventuell in welcher Weise wäre des letztere nach Ansicht der Versammlung zu bewerkstelligen?“
Es wurde folgender Beschluss gefasst:
„I. Die Versammlung, zu welcher 2/3 der stimmberechten Anzahl der Kirchengemeindeglieder sich eingefunden hatten, sprach sich überall einstimmig dahin aus, daß sie in eine Bildung einer selbstständigen Parochie Münkeboe-Moorhusen nur unter folgenden Bedingungen willigen kann:
1. Die neu zu bildenden Kirchengemeinde bildet zugleich einen eigenen Armenverband, zu welchem Behufe die alte Gemeinde ihr ein Capital von 1.900 Thlr. cour. bewilligt und offeriert.
2. Behufs Neubildung der Parochie wird den genannten Colonien ferner die zweite Pfarrstelle offeriert, wie sie vorhanden ist; mit dem Vorbehalt jedoch, daß die erste hiesige Pfarrstelle aus den Mitteln der zweiten bis auf 800 Rtl. aufgebessert wird. Inbegriffen in diese Summe sind sämtliche Michaeli-Gefälle, die der ersten Pfarrstelle verbleiben; und sodann wird das sogenannte Woldewegster Land, 8 Grasen groß, welches letzt zu einem Drittheil im Mitbesitz der zweiten Pfarrstelle ist, in Alleinbesitz der ersten Pfarrstelle übergehen. Das Inventarium ist für die Abschätzung dieser Natural Intraden maßgebend.
3. Die Unterpastoreifenne zu 2 Dimten groß wird für die hiesige Küster- und Organistenstelle separiert; und wird der Inhaber dieser Stelle, soweit der Ausfall an Intraden, welche die Abtretung der Colonien für ihn verursachen würde, dadurch noch nicht gedeckt erscheinen, aus den Mitteln der zweiten Pfarrstelle schadlos zu halten sein.
II. Sollten die Verhandlungen mit den Colonien zu keinem Resultate führen, so gibt die Kirchengemeinde resp. Interessentenversammlung ihre Resolution dahin kund, daß nichtsdestoweniger die erste Pfarrstelle aus den Mitteln der zweiten auf 800 Rtl. zu bringen, um dann mit der Wiederbesetzung der zweiten Pfarrstelle so lange zu warten sei, bis das Vermögen sich soweit angesammelt hat, daß die Pfarrstelle 600 Rtl. einbringt, was in günstigen Conjuncturen schon in 10 bis 12 Jahren der Fall sein könnte. Jedenfalls erscheint es der Versammlung nach der ganzen Anlage des hiesigen Kirchenwesens erforderlich, daß die erste Pfarrstelle die angegebene Höhe des Diensteinkommens erreicht.“
Dieser Beschluss wurden dem Konsistorium überreicht. Am 1. September 1872 wurde von der Kanzel bekanntgegeben, dass die stimmberechtigten Interessenten der beiden Kolonien zu einer Versammlung eingeladen werden, in der über das Angebot der Gemeinde Engerhafe verhandelt werden soll. Die Versammlungen fanden am 3. September statt und zwar Nachmittags um 2 Uhr in der Schule zu Münkeboe und um 5 Uhr in der Schule zu Moorhusen. In Münkeboe fasste die Versammlung folgenden Beschluss:
„… Die Versammlung erklärte einstimmig, daß die in jener Vorstellung (Antrag vom 29. Nov. 1866) sich kundgebende Stimmung noch vorhanden und die Bildung einer neuen Kirchengemeinde Münkeboe-Moorhusen Wunsch der Einwohner der Colonie Münkeboe sei; auch seien sie ihrerseits erbötig, für die kirchlichen Zwecke allhier im Falle der Neubildung der Parochie dieselben Verbindlichkeiten, die sie in jener Vorstellung vom Jahre 1866 übernommen haben, wieder einzugehen und gemeinschaftlich mit Moorhusen 150 Rtl. aufzubringen.
Die Einrichtung eines neuen Armenverbandes anlangend, waren die Ansichten erst geteilt. Schließlich aber einigte man sich dahin, daß man einen neuen Armenverband für sich, aber nicht gemeinschaftlich mit Moorhusen zu bilden bereit sei, und die offerierte Unterstützung von 1.700 Rtl. an Moorhusen abzutreten und für sich selbst darauf gänzlich zu verzichten gewillt sei.
v. g. u.
gez. Gerd Flohr, gez. J. Blumhoff, gez. Jann D. Janßen als Schulvorstandsmitglieder,
gez. M. Gronewold, Ortsvorsteher, gez. Fr. Rosenthal, Lehrer.“
In Moorhusen beschloss man:
„… Die Versammlung erklärte einstimmig, daß die in jener Vorstellung sich laut gegebene Stimmung jetzt noch vorhanden, und sie ihrerseits gewillt sei, die Verbindlichkeiten, welche sie damals für die Neubildung einer eigenen Gemeinde übernommen, wieder einzugehen, und jährlich gemeinschaftlich mit Münkeboe für das auszubauende Kirchenwesen 150 Rtl. aufzubringen.
Die Errichtung eines eigenen Armenverbandes anlangend, so einigte man sich nach eingehender Besprechung dahin, daß die Colonie Moorhusen, im Falle sie alleine die von der Gemeinde Engerhafe bewilligten 1.700 Rtl. für Armenzwecke zu genießen haben sollte, und Münkeboe auf alle Ansprüche auf dies Capital verzichte, wohl im Stande und Willens sei, einen eigenen Armeeverband zu bilden und für ihre Armen selbst zu sorgen.
gez. Hanßen, Ortsvorsteher,
gez. Gerd Hillrichs, Schulvorsteher,
gez. Luitjen Janßen, Armenvorsteher,
gez. Rahmeyer, Lehrer.“
Die Koppelung des neu zu bildenden Kirchen- mit dem Armenwesen hat jedoch die Gründung der Kirchengemeinde Münkeboe-Moorhusen erheblich erschwert und um gut 25 Jahre hinaus verzögert. Das Armenwesen war inzwischen durch das Bundesgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 (BGBl. S. 360) und durch das Ausführungsgesetz dazu vom 8. März 1871 (Pr. Ges. Sammlung S. 130) auf eine neue Grundlage gestellt worden.
Die vorgesetzten Behörden waren weder in der Lage noch gewillt, die örtlichen Beschlüsse zu genehmigen. So heißt es in einem Schreiben der Landdrostei Aurich an den Kreishauptmann in Aurich vom 5. April 1873:
„… daß wir jedenfalls Bedenken tragen müssen, einem etwaigen Beschluß auf Zerschlagung des Gesamt-Armenverbandes Engerhafe, insbesondere auf Constituierung der Gemeinde Moorhusen zu einem Ortsarmenverband unsere Genehmigung zu ertheilen. Die genannte Gemeinde hat im Durchschnitt der letzten 10 Jahre pptr. 104 Thaler an Armensteuer gezahlt, während zur Verpflegung ihrer Armen pptr. 406 Thaler erforderlich waren.
Da nun die gesamten in derselben aufkommenden Staatssteuern im vorigen Jahre 327 Thaler betragen haben, so würde sie in Folge einer Trennung vom Gesamt-Armenverband Engerhafe unzweifelhaft dem Landesarmenverband zur Last fallen, ein Resultat, welches, wie uns jüngst auch der Herr Minister bei einer anderen Gelegenheit zu erkennen gegeben hat, ohne durchaus zwingende Gründe nicht herbeizuführen ist.
Königliche Landdrostei.“
Auch das Konsistorium in Aurich verhielt sich ablehnend, wie aus dem Schreiben vom 4. April 1873 an die Kirchenkommission der l. luth. Inspection Amts Aurich hervorgeht. Dort liest man:
„… Unter Rückschluß der Anlagen des Berichts vom 21./28. September v.J. betreffend die Gründung einer neuen Parochie Münkeboe- Moorhusen, eröffnen wir der Kirchenkommission das Nachfolgende:
Nach dem abschriftlich anliegendem Schreiben Königlicher Landdrostei vom 5/13. d. M. muß dieselbe gedenken tragen, einen etwaigen Beschluß auf Zerschlagung des Gesamt-Armenverbandes Engerhafe, insbesondere auf die Constituierung der Gemeinde Moorhusen zu einem besonderen Ortsarmenverbande die Genehmigung zu ertheilen, indem Königliche Landdrostei mit der Kirchen-Commission darin einverstanden ist, daß die Gemeinde Moorhusen nicht im Stande sei, auch mit Hinzunahme der Zinsen des von der Gemeinde Engerhafe offerierten Capitals von 1.700 Rtl. ihre Armen zu versorgen, sondern unzweifelhaft dem Landesarmenverband zur Last fallen würde. Da nun die Zerschlagung des Gesamt-Armenverbandes Engerhafe die Grundlage der bisherigen Verhandlungen betreffend die Gründung einer besonderen Parochie Münkeboe-Moorhusen bildet, so sind eben damit diese Verhandlungen hinfällig geworden.
Es wird die baldthunlichste Wiederbesetzung der 2. Pfarre zu Engerhafe ins Auge zu fassen sein, falls nicht die so sehr wünschenswerthe Gründung einer besonderen Parochie Münkeboe- Moorhusen unter der Bedingung, daß diese Gemeinde, wie dieses auch sonst, so bei der neuen Parochie Blomberg-Neuschoo der Fall ist, nach wie vor dem Armenverbande Engerhafe einverleibt weitergeführt werden kann.
Wir veranlassen die Kirchen-Commission, darüber mit dem Kirchenvorstand zu Engerhafe die erforderlichen Verhandlungen zuzulegen und demselben dabei zu eröffnen, daß, falls von der Bildung einer besonderen Parochie Münkeboe-Moorhusen abgesehen werden muß, wir uns:
1. die Bestimmung des Zeitpunctes der Wiederbesetzung der 2. Pfarrstelle zu Engerhafe ausdrücklich vorbehalten; und
2. in diesem Falle die bisher von dem Lehrer zu Engerhafe benutzte Unterpastoreifenne zu 2 Dimathen demselben nicht belassen werden kann, da die Gemeinde Engerhafe sehr wohl im Stande ist, dem Lehrer ein genügendes Einkommen zu gewähren.
Königlich Preußisches Consistarium
gez. Brandis.“
In Engerhafe fand am 26. Mai 1873 eine Versammlung der Interessenten statt, in der das Schreiben des Konsistoriums bekanntgegeben wurde. Hier wurde dann „einstimmig beschlossen, sich zu den vorjährigen Beschlüssen in dieser Sache auch jetzt noch willig zu bekennen und um deren Genehmigung, Bestätigung respect. Ausführung die hohe Behörde zu ersuchen. Die Gemeindeversammlung spricht sonach auf desfalls gestellte Frage einstimmig und ausdrücklich den Wunsch aus, daß von einer Wiederbesetzung der II. Pfarre hieselbst Abstand genommen, und daß die Constituierung einer Parochie Münkeboe-Moorhusen mit allen Mitteln gefördert werde, wenn es die hohe Behörde, dem Königl. Consistorio und der Königl. Landdrostei nach ihrer resp. Zuständigkeit gefallen sollte, folgende auch im vorigen Jahr gestellte Bedingungen durch ihre Genehmigung zum Vollzuge zu bringen, daß nämlich
1) der Parochietrennung die Trennung des Gesamt-Armenverbandes voran, nicht diese mit jener gepaart gehe,
2) die erste (hier verbleibende) Pfarrstelle auf 800 Rtl. aus den Mitteln der II. Pfarre erhält und
3) die sogen. Unterpastoreifenne groß 2 Dimathe dem hiesigen Küster- und Organistendienst definitiv zugelegt werde.
In Beziehung auf den letzten Punct beschließt die Versammlung ihre vorjährigen Beschlüsse dahin deutlicher auszulegen, daß die Erhöhung der I. Pfarrstelle so auch die Zulegung der besagten 2 Dimathe zum Küster- und Organistendienst hieselbst in jedem Falle auch abgesehen von der Parochialtrennung vorgenommen, sowie daß im Falle der Trennung auch der Ausfall der Accidentien, der den hiesigen Küsterdienst bedroht, aus den Mitteln der II. Pfarre ersetzt wird.
Das nach Abzug der zum obigen Arrangemeint nöthig werdende Posten noch verbleibende Einkommen der II. Pfarre bis zur Höhe von 400 Rtl. wird den Colonisten zur Dotierung ihrer aufzurichtenden Pfarrstelle überwiesen.
Da nun, was die Bedingung ad 1) betrifft, das Anerbieten der Gemeinde dem neu zu constituierenden Ortsarmenverband Moorhusen als Aussteuer 1.700 Rtl. Capital mitzugeben, seitens der Königl. Landdrostei als ungenügend abgelehnt ist, so wurde nach Vorlegung der einschlägigen statistischen Nachweisungen diese Sache nunmehr zur weiteren Berathung und Beschlußfassung gestellt. Ein Antrag des Inhalts, statt der im vorigen Jahr bewilligten 1.700 Rtl. nunmehr die Summe von 4.000 Rtl. Courant zur Trennung des Gesamtarmenverbandes auszusetzen, wurde nach längerer Debatte einstimmig angenommen! Indeß hält sich die Versammlung an dies Angebot nur gebunden, wenn die obigen Beschlüsse in Kirchensachen die Bestätigung des Königl. Consistorii finden.
Schließlich votiert die Versammlung der hohen Behörde den Dank der Gemeinde für die Anerkennung der Erwünschtheit und Nothwendigkeit der kirchlichen Trennung der sehr weit entfernten Colonien von der alten Gemeinde, und mit dem zu ihr gehegten Vertrauen, daß auch die hohe Behörde alles aufbieten werde, die angeregte Trennung zu verwirklichen, verbindet sie die Bitte, auch der Königl. Landdrostei die Trennung des Armenverbandes, die hier zur kirchlichen Trennung fast ebenso nothwendig ist, auf der neuen Basis genehmigt, befürworten zu wollen.“
Die Interessenten aus Engerhafe beharrten auf ihrem Standpunkt, den Gesamtarmenverband Engerhafe aufzulösen und an dessen Stelle in Moorhusen und Münkeboe Ortsarmenverbände einzurichten. Sie beschlossen am 26. November 1873 die Abtrennung der Kolonien vom Armenverband Engerhafe bei der Königl. Kommission für das Armenwesen in der Provinz Hannover zu beantragen und beauftragten mit der Durchführung des Prozesses den Obergerichtsanwalt Hacke in Aurich. Gleichzeitig baten sie das Konsistorium, die Verhandlungen über die kirchlichen Angelegenheiten bis zum 1. August 1874 aussetzen zu wollen, weil man bis dahin eine Entscheidung aus Hannover erhoffte. Am 7. August 1874 aber wurde um eine weitere Fristverlängerung gebeten, denn die Armenangelegenheit war immer noch in der Schwebe. Das Konsistorium verfügte am 4. September 1874, „… daß die Versammlungen, betreffend die Gründung einer Parochie Münkeboe- Moorhusen bzw. Wiederbesetzung der II. Pfarrstelle zu Engerhafe, auf die Dauer von 2 Jahren auf sich beruhen bleiben … „.
Obwohl zu Anfang des Jahres 1876 die Sache des Gesamtarmenverbandes noch nicht endgültig geklärt war, scheint man in Engerhafe nicht mehr mit einer seinen Vorstellungen entsprechenden Entscheidung gerechnet zu haben. Deshalb unternahm der Kirchenvorstand von sich aus schon am 11. Februar 1876 einen Versuch, die Neubesetzung der 2. Pfarrstelle zu Engerhafe zu verhindern. Die Verhandlungen zur Trennung der Parochie bzw. die Wiederbesetzung der 2. Pfarrstelle hätten zwar erst im Herbst 1876 wieder aufgenommen werden sollen. Weil aber „namentlich unter gegenwärtigen Verhältnissen und Umständen der damals als wünschenswerth und realisierbar hingestellten Trennung der Parochie und Etablierung einer gesonderten Parochie und Pfarrstelle zu Münkeboe- Moorhusen so gewichtige äußere Gründe sich entgegenstellten, daß die Ausführung dieses Projects beinahe zur Unmöglichkeit dürfte geworden sein,“ glaubte der Kirchenvorstand schon jetzt im Interesse der Gemeinde bestimmte Eingaben vorlegen zu müssen. Er schlug dem Konsistorium zu Aurich vor, „die 2. Pfarre, die nunmehr seit 70 Jahren durch den betreffenden ersten oder einzigen Pastoren mitverwaltet ist, dauernd mit der 1. zu vereinigen in der Art, daß dem ersten oder dann einzigsten Pastoren die Versorgung der ganzen Gemeinde, auch den dann einzupfarrenden Colonien Münkeboe und Moorhusen, die bislang blos gastweise von hieraus bedient wurden, definitiv aufzutragen, die gesonderte Verwaltung des Vermögens der 2. Pfarre dagegen aufgehoben und die Aufkünfte derselben oder die Vermögensstücke selbst unter die geistlichen Stellen und Institute hierselbst in einer noch näher zu ordnenden Weise getheilt würden.“
Dieser Vorschlag wurde zunächst einmal begründet mit dem „gegenwärtig drohenden oder schon eingetretenen Mangel an geistlichen Kräften“, die nach Ansicht des Kirchenvorstandes weder die Besetzung der 2. Pfarrstelle zu Engerhafe noch die der etwa in Münkeboe neu zu schaffenden Stelle ermöglichten. Weiter wurde erklärt, dass die Besetzung einer 2. Pfarre hier am Ort durchaus nicht gewünscht wird, denn bei einer Zahl von 1994 Seelen sei eine Versorgung durch zwei Pastoren wirklich nicht dringend.
Außerdem sei in Landgemeinden, die durch zwei Geistliche bedient werden, oft ein gestörtes Verhältnis der Kollegen zueinander und infolgedessen auch zur Gemeinde „von gedeihlichen Erfolgen der pastoralen Wirksamkeit“ wenig zu spüren. „Sonderlich hat die Engerhafer Gemeinde, soweit Nachrichten darüber noch vorliegen, in diesem Puncte sehr trübe Erfahrungen gemacht, da die Zeiten ihrer Bedienung durch zwei Geistliche fast regelmäßig Zeiten sichtlicher Zerrüttung des geistlichen und kirchlichen Lebens gewesen sind“.
Ferner wird bemerkt, dass bei einer Neubesetzung der 2. Pfarrstelle ein Neubau der Pfarrwohnung unbedingt erforderlich sein wird, weil diese „seit 70 Jahren an Arbeiterfamilien vermietet“ sich in einem „jämmerlich baulichen Zustand“ befindet, denn man hatte nur die allernötigsten Reparaturen ausgeführt die erforderlich waren, um das Haus vor dem Zusammensturz zu bewahren. Hierfür und für die unbedingt nötige Aufbesserung der beiden, dann sehr gering dotierten Stellen, wären „unverhältnismäßig große pecuniäre Opfer aufzubringen, mit denen auch im besten Falle der zu erhoffene Gewinn in keinem Verhältnis stehen dürfte.“
Zur Trennung der Parochie und zur Errichtung einer neuen Kirchengemeinde Münkeboe-Moorhusen schreibt der Kirchenvorstand, dass in den Kolonien bei der „jetzt obwaltenden Vermögenslosigkeit und in Anbetracht der dort vorzunehmenden Schulausbauten … so gut wie gar keine Lust zur Aufrichtung einer gesonderten Parochie vorhanden ist“ und erklärt, „daß wir uns dieselbe wenigstens auf lange Zeit als ausführbar nicht vorstellen können.“
Am Schluss dieses weitläufig aufgesetzten Gesuchs bittet der Kirchenvorstand das Konsistorium um Genehmigung, „daß die zweite Pfarre zu Engerhafe als solche aufhöre zu existieren, daß dagegen beide Pfarrstellen dauernd verbunden resp. die Pastoirung der Gemeinde einem Geistlichen aufgetragen werde, sowie daß die noch verwendbaren Aufkünfte der zweiten Pfarre zur genügenden Dotierung der jetzigen ersten Pfarre sowie zur Aufbesserung des Küster- und Organistendienstes Verwendung finden mögen.“
Dieses Gesuch sandte der Pastor Eilers am 21. Februar 1876 an die Königl. Kirchenkommission zur Weiterleitung an das Konsistorium. In seinem Begleitschreiben bemerkte er, dass es sowohl im Interesse der Gemeinde als auch in seinem eigenen dringend wünschenswert sei, die ganze Angelegenheit endgültig zu regeln. Dies sei auch pecuniär für ihn von Bedeutung, weil er für die Wahrnehmung des Dienstes der zweiten Pastorei nur noch die Accidentien und Gefälle dieser Pfarre erhalte und somit zu schlecht bezahlt werde. Pastor Eilers hat bald darauf Engerhafe verlassen und die Pfarrstelle in Backemoor angenommen.
Am 11. Mai 1876 antwortete das Konsistorium, „daß auf den Antrag des Kirchenvorstandes zu Engerhafe betr. definitive Aufhebung der zweiten Pfarre daselbst nicht eingegangen werden kann. Die für die Aufhebung beigebrachten Gründe sind in keiner Weise durchschlagend. Vielmehr wird, falls die Begründung einer besonderen Parochie Münkeboe-Moorhusen sich als unausführbar herausstellen sollte, bei der Seelenzahl und dem bedeutendem Umfange der Parochie Engerhafe auf demnächstige Wiederbesetzung der zweiten Pfarrstelle Bedacht zu nehmen sein. Eine Verwendung des Vermögens der zweiten Pfarre zu anderen Zwecken ist nicht stattnehmig.“
Der Plan, in Münkeboe eine neue Kirchengemeinde zu bilden, wurde vom Konsistorium weiter verfolgt. Deshalb wurde der Kirchenvorstand Engerhafe am 12. Januar 1877 aufgefordert, die Interessenten aus Engerhafe und aus den „Schulgemeinden Münkeboe und Moorhusen“ zu vernehmen, ob sie für die Trennung der alten Gemeinde und Bildung einer neuen Gemeinde Münkeboe-Moorhusen, oder ob sie die Besetzung nur einer Pfarrstelle in Engerhafe und die Vereinigung mit dieser wünschten.
Daraufhin fand am 5. Januar 1877 eine Versammlung der Interessenten aus Engerhafe, Fehnhusen, Oldeborg und Upende statt, die sich einstimmig für die Kombinierung beider Pfarren und Versorgung der ganzen Gemeinde durch einen Geistlichen aussprachen. In Münkeboe und Moorhusen fand die Zusammenkunft am 8. Februar 1877 statt.
Dort erklärte man sich mit überwältigender Mehrheit für die Trennung von Engerhafe und Bildung einer eigenen Kirchengemeinde. Der Kirchenvorstand sandte die Protokolle an die Kirchenkommission in Aurich und wiederholte seine bereits geschilderten Vorstellungen, beide Pfarren in Engerhafe zu vereinigen.
Anfang März 1877 verzog Pastor Eilers nach Backemoor, die Pfarrstelle war vakant. Der Pastor Hafermann aus Victorbur übernahm vertretungsweise die Dienstgeschäfte. Er lud den Kirchenvorstand am 27. März 1877 zu einer Sitzung ein, um über die nun erforderlichen Maßnahmen zu beraten. Es wurde beschlossen:
„1. Es ist wünschenswert, wenn zuerst das Gehalt des neu einzustellenden Pastoren geregelt wird, bevor die Stelle ausgeschrieben werden kann. Dies sei am besten durch die Kombinierung der beiden Steilen zu erreichen.
2. Die Gründung einer neuen Parochie Münkeboe-Moorhusen ist nach Ansicht des Kirchenvorstandes wohl aussichtslos, weil die alte Gemeinde nicht mehr bereit ist, einen Teil ihres Pfarrvermögens dafür herzugeben, zumal die vor fünf Jahren hierfür gestellte Bedingung, die Trennung der Kolonien vom Gesamt-Armenverband, sich nicht erfüllt habe. Kein Interessent ist heute noch geneigt, das damalige Angebot zu wiederholen.
3. Die hiesige große und ausgedehnte Gemeinde braucht einen tüchtigen Pastoren. Um einen solchen zu bekommen und hier zu halten, lässt es geboten erscheinen, die Kombinierung beider Pfarrstellen nochmals eingehend zu überprüfen.
4. Da dies sobald und so rasch nicht möglich sein wird, beantragt der Kirchenvorstand, eine Kombinierung nur für die Dauer der Dienstzeit des neu zu wählenden Pastors und zwar so, daß die hohe Behörde bei der nächsten Vakanz nach den dann vorliegenden Verhältnissen neu entscheiden kann.
5. Um die geistliche Versorgung in den Kolonien sicherzustellen, sollte der neue Pastor verpflichtet werden, alle 14 Tage abwechselnd in Münkeboe und in Moorhusen zu predigen und vierteljährlich dort das Heilige Abendmahl auszuteilen. Auf diese Weise wäre den Kolonisten besser gedient, „als durch Hinhalten einer Hoffnung auf ein eigenes Pfarrwesen, welches sich wahrscheinlich in einem Menschenalter noch nicht erfüllen wird.“
Das Protokoll dieser Sitzung wurde am gleichen Tage der Kirchenkommission in Aurich zugeleitet mit dem Antrage: „Eine Hohe Behörde wolle die Combinierung der beiden Pfarrstellen provisorisch und zwar für die Dauer der Dienstzeit des neu zu wählenden Pastors gütigst anordnen.“
Kurze Zeit später, am 16. April 1877 erneuerte der Kirchenvorstand seinen Antrag. Bei der Weitergabe desselben an das Konsistorium bemerkte die Kirchenkommission in ihren Begleitschreiben, sie könne sich dem Gesuch nicht anschließen, so lange noch Hoffnung auf die Gründung einer neuen Parochie Münkeboe-Moorhusen bestünde. Das Konsistorium antwortete:
„… so erwünscht uns die Bildung einer besonderen Parochie Münkeboe-Moorhusen im kirchlichen Interesse gewesen wäre, so müssen wir doch erkennen, daß derselben zur Zeit wenigstens unüberwindliche Schwierigkeiten um so mehr entgegenstehen, als die Trennung der Colonien Münkeboe und Moorhusen von dem Armenverband Engerhafe sich als unausführbar erwiesen hat, und die behuf Bildung einer besonderen Parochie Münkeboe-Moorhusen von der alten Gemeinde Engerhafe früher gemachten Offerten ausdrücklich zurückgezogen sind.
Demnach ist das Ziel im Auge zu behalten und dem neu zu wählenden Pastor der Gemeinde Engerhafe ausdrücklich die Verpflichtung aufzuerlegen, daß er sich eine etwaige Trennung der Colonien Münkeboe und Moorhusen von der Gemeinde Engerhafe behuf Bildung einer eigenen Parochie ohne Anspruch auf Entschädigung gefallen zu lassen habe.
Wenn auch die Interessenten der alten Gemeinde Engerhafe laut Protocolls vom 5. Februar d.J. einstimmig die Aufhebung der zweiten Pfarre zu Engerhafe und die definitive Vereinigung derselben mit der ersten Stelle beantragen, so können wir diesem Antrage nicht Statt geben. Dagegen wollen wir dem Antrage des Kirchenvorstandes zu Engerhafe vom 16. April d.J. gemäß, in Anerkennung der dafür hervorgehobenen Gründe genehmigen, daß die zweite Pfarrstelle für die Dienstzeit des neu zu wählenden Pastors unbesetzt bliebe und provisorisch mit der ersten Pfarrstelle combiniert werde unter folgenden Bedingungen:
1.) Der neu zu wählende Pastor bezieht die gesamten Einkünfte der 1. und 2. Pfarrstelle zu Engerhafe, mit alleiniger Ausnahme der bis dahin von dem Lehrer bzw. Küster aus den Intraden der 2. Pfarrstelle bezogenen Emolumente, die ihm für die Dauer des Provisoriums verbleiben mögen. Eine weitere Verbesserung der Schul- bezw. Küsterstelle zu Engerhafe aus den Intraden der 2. Pfarrstelle ist nicht stattnehmig.
2.) Der neu anzustellende Pastor ist verpflichtet, alle 14 Tage abwechselnd in den Schulen zu Münkeboe und Moorhusen zu predigen und vierteljährlich daselbst das Heilige Abendmahl auszutheilen. … Mit der Wiederbesetzung der Pfarrstelle zu Engerhafe ist ungesäumt zu verfahren. …
gez.Brandis.“
Die erste Pfarrstelle zu Engerhafe wurde 1877 mit dem neugewählten Pastoren Remmers besetzt und zwar zu den Bedingungen des Konsistoriums. Abwechselnd predigte er alle 14 Tage in den Schulen zu Münkeboe und Moorhusen. Als 1883 in Moorhusen eine neue Schule gebaut wurde, hat man dem Eingang gegenüber einen Anbau angebracht, in dem sich eine kleine Kapelle mit einem Altar und einem Epistelstuhl befand. Trotz dieser den früheren Zuständen gegenüber anerkennungs-werten Verbesserungen war die geistliche Versorgung der Kolonisten aber immer noch unbefriedigend. Auch für den Pastoren aus Engerhafe war es nicht leicht, seinen Dienst in den Moorkolonien zu versehen. Die Wege waren genau so schlecht wie sie es 100 Jahre zuvor gewesen waren.
Erst 1899/1900 wurde die Landstraße von Marienhafe über Rechtsupweg bis nach Moordorf gebaut, 1902 die Straße von Engerhafe bis zum Anschluß an jene in Upende, und 3 Jahre später legte die Gemeinde Münkeboe ihre gepflasterte Straße von Upende bis zur Mühle in Münkeboe an. Es war daher auch durchaus verständlich, wenn des Konsistorium seinen Plan, eine neue Kirchengemeinde in Münkeboe- Moorhusen einzurichten, weiter verfolgte. „… Königliches Landes- Consistorium hat daher die Frage angeregt, ob es sich nicht empfehle, schon jetzt mit der Ansammlung der zur Einrichtung eines selbstständigen Pfarrsystems für Münkeboe und Moorhusen erforderlichen Mittel zu beginnen und zur Erwägung verstellt, ob die Einwohner der genannten Ortschaften noch jetzt zur Aufbringung jährlicher, wenn auch zunächst geringer Beiträge zur Capitalansammlung für obigen Zweck zu bestimmen seien. …“.
Die Kirchenkommission sandte dem Kirchenvorstand zu Engerhafe eine Abschrift dieser Anfrage mit dem Auftrage, die erforderlichen Verhandlungen einzuleiten und über das Ergebnis zu berichten. Dieses Ansinnen stieg in Engerhafe auf wenig Zustimmung, zumal man dort mit dem gerade erreichten Zustand wohl zufrieden war. In seinem Antwortschreiben vom 8. Oktober 1878 heißt es:
„… Wir sind der hohen Behörde sehr dankbar, daß sie unseren Bitten in betreff der provisorischen Combinierung geneigte Gewährung hat zu Theil werden lassen. Wir haben Grund anzunehmen, daß auch die Einwohner der Ortschaften Münkeboe und Moorhusen mit der in Folge jenes Gesuches getroffenen Einrichtung regelmäßiger Predigtgottesdienste und Communionen in den dortigen Schulen sehr zufrieden sind; den besten Beweis dafür bietet der stets sehr gute Besuch unserer Gottesdienste.“
Weiter wird ausgeführt, das eine Trennung der beiden Orte von Engerhafe als notwendig und wünschenswert nicht anerkannt werden kann. Man habe aber dennoch gegen die Bildung einer neuen Parochie nichts einzuwenden, betont aber ausdrücklich, daß man nicht beabsichtige, einerseits durch „pecuniäre Beihülfen“ bzw. Abgabe eines Teils des Pfarrvermögens dazu beizutragen und verweist dabei auf das Protokoll vom 27. März 1877. Der Kirchenvorstand bittet sodann, ihn von den Verhandlungen mit den Einwohnern aus Münkeboe und Moorhusen wegen Ansammlung von Mitteln zur Bildung eines selbständigen Pfarrsystems daselbst zu verschonen, „um unserer eigenthümlichen von uns soeben dargelegten Stellung zu dieser Sache willen … zu der wir uns ohnehin nicht für competent erachten.“ Dabei wird darauf hingewiesen, dass die Kolonien in den nächsten Jahren nicht im Stande sein werden, nennenswerte Beiträge für kirchliche Zwecke aufzubringen, weil sie erhebliche Kosten für den Neubau ihrer Schulen tragen müssten. Dann aber heißt es: „wir erlauben uns darum den dringenden Antrag an die Hohe Behörde zu knüpfen, dieselbe wolle die gegenwärtige provisorische Vereinigung der beiden hiesigen Pfarren für eine definitive erklären.“
Das Schreiben schließt: „… Wir bitten Königl. Consistorium um geneigte Erwägung des von uns Vorgetragenen und um Gewährung unserer Bitte. Sollte aber dieselbe dazu nicht im Stande oder nicht competent sein, so bitten wir, uns eine höhere Instanz nennen zu wollen, an die wir uns evtl. zu wenden haben würden. … „. Dasselbe Gesuch wurde dann noch einmal am 20. September 1879 wiederholt.
Die Verhandlungen mit den Einwohnern von Münkeboe und Moorhusen mussten aber trotz des Einspruchs durchgeführt werden. Sie fanden statt am 28. Dezember 1878. Pastor Remmers aus Engerhafe wurde vom Konsistorium ausdrücklich damit beauftragt und folgende Fragen zur Beschlussfassung vorzulegen:
„1. Ob sie an dem Wunsche, eine besondere Parochie zu bilden, unter Loslösung von der Gemeinde Engerhafe festhalten, wenn dieser Wunsch sich auch zur Zeit nicht verwirklichen lasse,
2. Ob sie zu diesem Ende evtl. geneigt seien, zur Ansammlung eines Caßencapitals von jetzt an jährlich eine bestimmte Summe in die Capitalsammlungsanstalt der Königl. Clostercasse einzuzahlen,
3. Wie hoch diese Summe sich belaufe und wie dieselbe aufgebracht werden solle.“
Auf dieser Verfügung hat Pastor Remmers vermerkt: „Protocoll 19.12. eingesandt. Zu Frage I ja. -II ist nicht. -III fällt weg.“
Der Antrag des Kirchenvorstandes auf definitive Vereinigung der beiden Pfarrstellen zu Engerhafe ist dann an das Königl. Landes- Consistorium in Hannover zur endgültigen Entscheidung weitergeleitet worden. Dieses entschied am 9. Januar 1880: „… Auf die Vorstellung vom 4. v. Mo. betreffend die Vereinigung der beiden Pfarrstellen zu Engerhafe erwidern wir dem Kirchenvorstand nach Einsicht der Acten des Königl. Consistoriums zu Aurich insbesondere auch der an diese Behörde dieserhalb geschilderten Gründe vom 10. October 1878 und 26. September 1879, daß wir dem gehegten Antrage, der definitiven Vereinigung beider Stellen näherzutreten, auch unsererseits nicht zu entsprechen vermögen. Die zweite Pfarrstelle zu Engerhafe ist allerdings seit über 70 Jahren vacant, und wenn wir auch auf den Umstand kein entscheidendes Gewicht legen wollen, daß in diesem Zeitraum entgegen der Annahme des Kirchen- Vorstandes mehrmals der Wunsch nach Wiederbesetzung der 2. Pfarre, und zwar aus den Gemeinde Engerhafe selber, dem Königl. Consistorium vorgetragen ist, so gestattet doch die Rücksicht auf die große Ausdehnung der Parochie, insbesondere auf die factische Zugehörigkeit der Colonien Münkeboe und Moorhusen zu derselben nicht, jede Möglichkeit einer Wiederbesetzung der zweiten Pfarrstelle durch ihre Vereinigung mit der ersten Stelle abzuschneiden.
Auf diese Möglichkeit würde erst darin verzichtet werden können, wenn jene beiden Colonien von Engerhafe abgezweigt und zu einer besonderen Parochie erhoben würden. Ist auch durch das neuerlich eingerichtete Provisorium für die kirchliche Versorgung der Colonien auskömmlicher als früher gesorgt, so entspricht dasselbe doch keineswegs allen Anforderungen, vielmehr wird die angedeutete Parochiebildung immer noch das in erster Linie zu erstrebende Ziel bleiben, so große finanzielle Schwierigkeiten demselben auch jetzt noch sich entgegenstellen.
Für den Kirchenvorstand besteht aber zur Zeit auch kein Interesse, die Vereinigung der beiden Pfarrstellen herbeizuführen, nachdem eine solche factisch auf längere Zeitdauer gesichert ist. Die weitere Entwicklung kann getrost der Zukunft überlassen bleiben, in welcher auch der gegenwärtige Mangel an geistlichen Kräften voraussichtlich längst überwunden sein wird.
Königliche Landes- Consistorium
gez. Lichtenberg.“
Das kirchliche Leben in Münkeboe und Moorhusen war zunächst durch die provisorische Bedienung von Engerhafe aus geordnet. Eine weitere Verbesserung für die dortigen Einwohner trat ein, als 1894 in Münkeboe ein Friedhof angelegt wurde. Wegen der weiten Entfernung zum Kirchhof in Engerhafe und den oftmals sehr schlechten Wegen hatten sie sich schon lange einen im Ort gelegenen Friedhof gewünscht. Der erste Versuch, einen Begräbnisplatz in der eigenen Gemeinde zu erhalten, wurde im Jahre 1869 durch den damaligen Ortsvorsteher an das Konsistorium gestellt, der aber, nicht zuletzt wegen des heftigen Widerstandes des Kirchenvorstandes zu Engerhafe, abgelehnt wurde. Im Februar 1892 stellte die Gemeindeversammlung einen Antrag auf Anlage eines Friedhofes an den Landrat Neupert in Aurich, und auch der Kirchenvorstand zu Engerhafe war bereit, in dieser Sache eine Vereinbarung mit Münkeboe und Moorhusen zu treffen. Der neue Friedhof sollte aber kein „communaler, sondern ein confessioneller“ sein und sowohl in Bezug auf die Mitbenutzung durch die Einwohner von Moorhusen als auch im Hinblick auf die Gestaltung der künftigen Parochie Münkeboe- Moorhusen günstig liegen. Am 1. April 1894 konnte der Kirchenvorstand ein für diesen Zweck günstig gelegenes Grundstück erwerben, auf dem zunächst der Friedhof und etwas später die Kirche und das Pfarrhaus der neuen Gemeinde angelegt wurden.
In der Sitzung des Kirchenvorstandes Engerhafe am 13. Februar 1895 teilte Pastor Remmers den Kirchenvorstehern mit, dass er in allernächster Zeit die Gemeinde verlassen müsse, weil er als Superintendent und Pastor in die Gemeinde Willershausen bei Hannover berufen werden solle. Er hatte seine Gedanken über die Neuordnung des Kirchenwesens in Engerhafe, insbesondere über die Trennung der Kolonien Münkeboe und Moorhusen schriftlich niedergelegt, die er nun den Anwesenden vortrug. Diese waren grundsätzlich damit einverstanden und wollten sie bei der nächsten Kirchenrechnungsabnahme der Gemeinde bekannt geben.
Mit Verfügung vom 16. Februar 1895 teilte das Konsistorium der Kirchenkommission und dem Kirchenvorstand zu Engerhafe, einmal die Versetzung des Pastors Remmers mit und weiter, dass es beabsichtige, dem neuen Pastoren in Engerhafe einen Pfarrkollaboranten zur Seite zu stellen und diesem die Kolonien als sein besonderes Arbeitsgebiet zuzuweisen. Er soll dann soviel als möglich, aus den Einkünften der 2. Pfarre zu Engerhafe besoldet werden.
Dem Kirchenvorstand wurde anheimgestellt, hierzu seine besonderen Wünsche und Vorschläge vorzutragen. Dieser antwortete am 2. März, dass er mit der hohen Behörde übereinstimme, dass nun auch die Gelegenheit benutzt werden sollte, eine bessere kirchliche Versorgung in Münkeboe- Moorhusen anzustreben. Er wünsche entschieden eine völlige Trennung von der Kirchengemeinde Engerhafe und die Gründung „einer in vermögensrechtlicher und sonstiger Beziehung selbstständigen Filialgemeinde Münkeboe-Moorhusen sowie die Anstellung eines ständigen Pfarrcollaborators für diese Gemeinde.“
Er sei bereit, die Glieder der neuen Gemeinde von allen Beiträgen und dergl. für die Kirche, den Pastoren und den Küster freizustellen und der neuen Gemeinde für ihre kirchlichen Zwecke ein Kapital von 20.000 Mark aus dem Vermögen der 2. Pfarre zu überweisen. Stellte jedoch die Bedingung, dass die 2. Pfarrstelle definitiv aufgehoben bzw. mit der 1. Stelle dauernd vereinigt wird. Dieser Wunsch des Kirchenvorstandes wurde aber am 15. Mai 1895 vom Konsistorium abgelehnt.
Unter Bezugnahme auf die Verfügung vom 16. Febr. legte auch die Kirchenkommission am 9. März 1895 ihre Ansicht über die kirchliche Versorgung der beiden Orte dem Konsistorium vor. In diesem Bericht heißt es: „… Da alle Instancen von der Nothwendigkeit einer ausgiebigen kirchlichen Versorgung der beiden genannten Colonien wegen der weiten Entfernung derselben von dem Pfarrbezirk in Engerhafe und wegen des damit in Verbindung stehenden Umsichgreifens der baptistischen Sekte durchdrungen sind; da insbesonderheit der Kirchenvorstand zu Engerhafe beschlossen hat, der zu bildenden Tochtergemeinde außer dem bereits angekauften Grundstücke für das Pfarrhaus und den Friedhof das Fundations-Capital von 20.000 M. mitzugeben, so möchten die noch übrigbleibenden Schwierigkeiten nicht so groß sein, daß der Plan daran noch scheitern müßte. …“.
Die Schwierigkeiten aber waren doch noch größer als die Kirchenkommission ahnte, denn sowohl der Kirchenvorstand zu Engerhafe- als auch das Konsistorium in Aurich hatten ihre eigenen Ansichten über die Art und Weise, wie das Problem gelöst werden sollte. Die Standpunkte hatten sich nicht zuletzt auch wohl aus Prestigegründen verhärtet, zumal bei dem Kirchenvorstand, der von seinen alten überholten Vorstellungen hinsichtlich des Pfarrvermögens nicht abgehen wollte. Die nun folgenden Verhandlungen zeigen noch einmal diese gegensätzlichen Ansichten.
In seiner nächsten Sitzung am 25. Mai befasste der Kirchenvorstand sich mit dem Bescheid des Konsistoriums und bedauerte die Ablehnung, weil er „nach wie vor überzeugt ist, mit denselben das Rechte getroffen zu haben sowohl zur kirchlichen Versorgung der Moorkolonien als auch zur möglichen Wahrung der unzweifelhaften Eigentumsrechte der alten Kirchengemeinde.“ In seinem Schreiben an das Konsistorium vom 27. Mai 1895 weist er darauf hin, dass die Moorkolonien Münkeboe und Moorhusen, „die seit etwa 120 Jahren nach und nach entstanden, nie in die hiesige Kirchengemeinde ausdrücklich eingepfarrt sind.“ Es seien nur Gastgemeinden im Sinne der §§ 743 ff. des Allgem. Preuß. Landrechts. Als solche aber hätten sie keinen Anteil an dem Kirchenvermögen der alten Gemeinde und auch kein Recht, bei einer etwaigen Trennung einen Teil dieses Vermögens zu beanspruchen. Wenn nun der Kirchenvorstand den Kolonien im Falle der Abtrennung einen Teil des Pfarrvermögens angeboten hat, so wolle er damit seine Bereitwilligkeit beweisen, den über ein Jahrhundert mit Engerhafe verbundenen Orten nach Möglichkeit zu helfen. Dann heißt es weiter: „… Es sind ja mehrfach in den letzten Jahrzehnten in Ostfriesland kirchliche Abtrennungen von Moorkolonien erfolgt, es ist doch unseres Wissens nie von einer alten Gemeinde verlangt, daß sie die Gemeindeneubildung durch erhebliche Zuschüsse unterstützen sollte, geschweige denn, daß sie solche wie wir, freiwillig angeboten hätten. Der reine äußerliche Umstand, daß hier seit alters her zwei Pfarren sind, von denen die zweite seit mehr als 80 Jahren unbesetzt war, kann doch unseres Erachtens doch nicht zu unseren Ungunsten entscheident sein …“.
Zum Schluss bat der Kirchenvorstand, ihm die Zahlung von 540 Mark aus Mitteln der 2. Pfarre an die erste Pfarre zur Aufbesserung des Gehalte des Pastoren solange zu erlassen, bis die Verhältnisse der Kirchengemeinde Engerhafe zu den beiden Moorkolonien endgültig geordnet seien. Dieser Zuschuss war bereits 1875 angeordnet worden, damit der damalige Pastor Eilers das ihm zustehende Mindestgehalt von 2.400 Mark jährlich erhalten konnte; tatsächlich erhielt er jedoch nur 620 Thlr. = 1.860 Mark. Des dürfte auch der Grund gewesen sein, weshalb er sich um eine andere Pfarrstelle beworben hat. Sein Nachfolger bekam dann den nun vom Kirchenvorstand wieder in Frage gestellten Zuschuss.
Daraufhin schrieb das Konsistorium am 22. Juni 1895 an die Kirchenkommission: „Wir ersuchen die Königl. Kirchenkommission dem Kirchenvorstand zu Engerhafe auf den Bericht d. 27. v. Mts. zu eröffnen, daß wir uns nicht in der Lage befinden unsere Verfügung vom 15. v. Mts. betr. Zahlung des für die erste Pfarre festgesetzten Verbesserungszuschusses zurückzunehmen. Die Königl. Kirchenkommission wird vielmehr für ordnungsmäßige Ausführung dieser Verfügung Sorge tragen. Im übrigen werden wir die Behauptung des Kirchenvorstandes, daß die Kolonien Münkeboe und Moorhusen als zugeschlagene Gastgemeinden der Kirchengemeinde Engerhafe anzusehen sind, auf Grund unserer Acten einer sorgfältigen Prüfung unterziehen, bemerken aber schon jetzt, daß die im Bericht vom 27. v. Mts. wiederholt empfohlenen Vorschläge des Kirchenvorstandes betr. pastorale Versorgung der Kolonien auch dann nicht genehmigt werden können, wenn die angestellte Prüfung die Behauptung des Kirchenvorstandes bestätigt.
Es muß vielmehr unter allen Umständen für den in den Kolonien anzustellenden Geistlichen ein solcher Teil des Pfarrvermögens festgesetzt werden, daß seine jährliche Einnahme ans dem Pfarrvermögen 1.800 Mark beträgt, so daß die Steuerkraft der zu einer selbstständigen Parochie zu vereinigenden Kolonien sowie die Bewilligung aus öffentlichen Mitteln für die Erbauung des Pfarrhauses in Anspruch genommen werden kann.
Sollte es nicht gelingen, über eine diesen Bedingungen entsprechende Teilung des Pfarrvermögens ein Einverständnis zu erzielen, so wird wegen Wiederbesetzung der zweiten Pfarrstelle, sowie wegen Neubau des zweiten Pfarrhauses das Erforderliche oberlich angeordnet werden. Doch sind wir mit dem Kirchenvorstande darin einverstanden, daß es dringend wünschenswert ist, statt der Wiederbesetzung der zweiten Pfarrstelle die Anstellung eines besonderen Geistlichen für die Kolonien Münkeboe und Moorhusen und vollständige Trennung der letzteren von der Parochie Engerhafe zu ermöglichen. Wir haben daher den Generalsuperintendenten Baring beauftragt, nach Abschluß der oben erwähnten Prüfung mit dem Kirchenvorstand Engerhafe persönlich zu verhandeln.
Diese Verhandlung fand am 11. Juli 1895 in der Lehrerwohnung zu Engerhafe statt, die Leitung hatte der Pastor Siuts aus Victorbur. Zu Beginn wies der Generalsuperintendent den Kirchenvorstand auf die Verpflichtung der Gemeinde hin, den Zuschuss von 540 Mark zur Verbesserung der Dotation des ersten Pastoren zu leisten. Der Kirchenvorstand machte Einwände, die der Generalsuperintendent mit der Bemerkung zurückwies, der Zuschuss sei gesetzlich angeordnet und müsse auf jeden Fall aufgebracht werden. Dann wurde über die Abtrennung der Kolonien Münkeboe und Moorhusen verhandelt. Der Herr Generalsuperintendent erklärte dem Kirchenvorstand, dass aus dem Engerhafer Pfarrvermögen ein Betrag in solcher Höhe zur Verfügung gestellt werden müsse, dass von diesem jährlich 1.800 Mark an Zinsen aufkämen, die dann das Jahresgehalt des anzustellenden Geistlichen bilden würden. Damit war der Kirchenvorstand jedoch nicht einverstanden. Er sei bereit, die schon früher angebotenen 20.000 Mark Kapital der neuen Gemeinde zu überweisen, er wolle sogar noch mehr tun, nämlich den gesamten Überschuss von 3.000 Mark aus den Einkünften der bislang vereinigten Pfarrstellen für die Kolonien hergeben, aber das Konsistorium möge dann auch von weiteren Forderungen absehen. Daraufhin bemerkte Baring, er sei nicht gekommen um mit dem Kirchenvorstand zu handeln. Er müsse darauf bestehen, dass die Forderungen des Konsistoriums voll erfüllt werden, weil das die Bedingung sei, unter der die neue Gemeinde ihre Selbstständigkeit erlangen könne. Dann ließ er abstimmen. Die Vorschläge des Konsistoriums wurden vom Kirchenvorstand einstimmig abgelehnt. Eine Verständigung war nicht erzielt worden. Der Kirchenvorstand ließ dann noch im Protokoll vermerken, dass er sich in dieser Angelegenheit an das Königl. Landeskonsistorium bzw. an den Herrn Minister zu wenden gedenke. Die Eingabe an das Landeskonsistorium wurde am 22. August 1895 abgesandt.
Beim Landeskonsistorium in Hannover war man jedoch nicht mehr bereit, auf die Querelen des Kirchenvorstandes Engerhafe einzugehen. Man verlangte nunmehr die Wiederbesetzung der beiden Pfarrstellen in Engerhafe. Am 16. September 1895 schrieb die Kirchenkommission an den Kirchenvorstand Engerhafe: „Nachdem die mündlichen Verhandlungen unseres Commissars mit dem Kirchenvorstand zu Engerhafe zu einem befriedigenden Resultat nicht geführt haben, so hat das Königliche Landes-Consistorium nunmehr die alsbaldige Besetzung beider Pfarrstellen angeordnet. Die fehlende Wohnangelegenheit für den zweiten Pastor ist auf Kosten der Kirchengemeinde Engerhafe zu beschaffen.
Wegen Theilung der Kirchengemeinde Engerhafe in zwei Geschäftsbezirke, von welchen jeder Pastor ein Bezirk als sein besonderes Arbeitsgebiet zugewiesen werden soll, werden demnächst Anordnungen getroffen werden. Die beiden jetzt anzustellenden Pastoren werden wir bei ihrer Anstellung die Pflichten auferlegen, sich die Theilung der Gemeinde in zwei Gemeindebezirke, sowie die Zuweisung eines dieser Bezirke nach der Bestimmung des Königlichen Consistoriums gefallen zu lassen. … dasselbe (Vermerk des Verf.: hier ist das Gesuch des Kirchenvorstandes vom 22. August 1895 gemeint) ist inzwischen dadurch erledigt, daß wir auf Verlangen des Königlichen Landes-Consistoriums die Wiederbesetzung beider Pfarrstellen angeordnet haben. … „.
Diese Verfügung stellte den Kirchenvorstand vor eine Entscheidung, die er ohne Befragung der Gemeindeglieder nicht fällen wollte. In der Sitzung vom 1. Oktober beschloss er, eine Gemeindeversammlung einzuberufen, in der den Einwohnern Gelegenheit gegeben werden sollte, zu der ganzen Angelegenheit ihre Meinung zu äußern.
Die Einwohner sollten vor allem darüber beschließen, ob noch eine Eingabe an den Herrn Minister für geistliche usw. Angelegenheiten gemacht werden sollte, um auf diese Weise die Aufhebung der Verfügung des Konsistoriums zu erreichen, oder aber ob es zweckmäßiger sei, sich der Anordnung der Behörde stillschweigend zu fügen. In dieser Versammlung, die am 4. Oktober erfolgte und an der 30 Gemeindeglieder teilnehmen, scheint keine Entscheidung gefallen zu sein, denn das vorliegende Protokoll berichtet: „… Von verschiedenen Seiten sprach man seine Zustimmung dazu aus und hielt es insbesondere für angezeigt, daß auch mit den Kolonien Münkeboe und Moorhusen Verhandlungen gepflogen würden, damit womöglich erreicht würde, daß von den Kolonien ein Zuschuß von 5-600 Mark zur Besoldung des in ihrer Mitte anzustellenden Geistlichen bewilligt werde. Man hofft, daß dazu die wünschenswerthe Geneigtheit sich finden wird. Sollte sich aber das Gegentheil herausstellen, dann müßte noch, dahin geht der allgemeinde Wunsch der Versammelten, eine Eingabe an den Minister gemacht werden, ob vielleicht nicht auf diesem Wege die Aufhebung der Consistorial- Entscheidung zu erreichen sei …“. Der Kirchenvorstand beschloss, im Laufe der nächsten Woche eine Versammlung der Einwohner von Münkeboe und Moorhusen einzuberufen und dazu auch den Herrn Landrat aus Aurich zu bitten, die Leitung dieser Versammlung zu übernehmen. Man hoffte, auf diese Art eher ein befriedigendes Resultat erreichen zu können. Diese Besprechung fand am 6. November 1895 in Georgsheil statt, an der der Kirchenvorstand Engerhafe, der Landrat Iderhoff in seiner Eigenschaft als weltlicher Kirchenkommissar und mehrere Interessenten aus Münkeboe und Moorhusen teilnahmen.
Nachdem die Vorschläge des Kirchenvorstandes sowie die Forderungen des Konsistoriums vorgetragen waren, erklärten die Interessenten aus Münkeboe und Moorhusen, „daß sie auf die Forderung des Königl. Consistoriums bestehen müßten, zumal ihnen vom Generalsuperintendent Baring eröffnet sei, daß sie nicht mehr übernehmen dürften, weil sie nicht mehr leisten könnten.“ Dann verließen sie die Versammlung. Nun erklärte der Landrat den Anwesenden die ganze Angelegenheit und deren Rechtslage, und endlich fasste der Kirchenvorstand folgenden Beschluss: „Wir erklären uns bei der gegebenen Sachlage bereit, aus dem Vermögen der I. und II. Pfarre zu Engerhafe an die aus den Colonien zu bildende neue Parochie soviel abzugeben, daß für die in Engerhafe verbleihende Pfarre ein dauerndes Einkommen von jährlich 2.400,- Mark verbleibt. Die specielle Auseinandersetzung bezüglich des Vermögens bleibt vorbehalten. Nur wird schon jetzt bemerkt, daß der neuen Parochie, den dort belegenen Begräbnisplatz mit den darauf haftenden Schulden zu übernehmen, zur Pflicht zu machen ist.
v. g. u.
gez. Siuts, P. gez. L. T. Dirksen,
gez. E. Saathoff, gez. H. Haneborger, gez. W. H. Bruns.
Zur Beglaubigung
gez. Dr. Iderhoff, Landrath u. Kirchenkommissar“
Nun war der Weg frei für die Gründung der neuen Kirchengemeinde Münkeboe- Moorhusen. Das Konsistorium in Aurich befürwortete den Antrag des Kirchenvorstandes, die Anordnung der sofortigen Besetzung der beiden Pfarrstellen in Engerhafe zurückzuziehen und war auch damit einverstanden, dass der Begräbnisplatz in Münkeboe mit den darauf lastenden Schulden von der neuen Gemeinde übernommen wird. Am 20. Januar 1896 teilte des Landes-Konsistorium in Hannover dem Konsistorium in Aurich mit, dass es die Anordnung vom 24. August 1895 über die Wiederbesetzung der beiden Pfarrstellen zu Engerhafe aufgehoben habe. Den Bewerbern um die Pfarrstelle zu Engerhafe sei zu eröffnen, dass sie bei Abtrennung der Kolonien keine Entschädigung erhalten, und dass das Pfarrgehalt jährlich 2.400 Mark neben freier Wohnung beträgt.
Das Konsistorium in Aurich wies am 3. Februar 1896 den Kirchenvorstand an, nunmehr mit den Arbeiten zur Wiederbesetzung der Engerhafer Pastorei zu beginnen und innerhalb von 4 Wochen einen Vorschlag über die Vermögensauseinandersetzung zwischen der Gemeinde Engerhafe und der neuen Gemeinde Münkeboe-Moorhusen vorzulegen. Der Kirchenvorstand beschloss, der neuen Gemeinde die vorhandenen Pfarrkapitalien in Höhe von 38.155 Mark abzutreten und von den Pfarrländereien soviel zu verkaufen, dass von den Zinsen des daraus gelösten Kapitals der Rest des Pastorengehalts für Münkeboe- Moorhusen gedeckt werden kann.
Auf Anforderung des Konsistoriums wurde diesem eine Aufstellung darüber vorgelegt, wie man den Betrag von 1.800 Mark aufbringen wollte und zwar:
Zinsen aus dem Kapital von 38.225,22 Mark 1.445,67 M.
Taufgebühren 17,12 M.
Konfirmationsgebühren 58,66 M.
Leichengebühren 35,66 M.
Aufgebots- u. Traugebühren 75,70 M.
Summe: 1.632,81 M.
Betrag des Pfarrgehalts 1.800,00 M.
Noch aufzubringen 167,19 M.
Der Kirchenvorstand wollte zunächst „diese fehlenden 167,19 Mark in Form einer Capitalzahlung der Gemeinde Münkeboe- Moorhusen übergeben unter der Voraussetzung, daß die Empfängerin gehalten sein soll, das Capital zu demselben Zinsfuß zu übernehmen, zu welchen der Kirchenvorstand dasselbe aufnehmen kann.“ Damit war das Konsistorium natürlich nicht einverstanden und so wurde am 16. Oktober vom Kirchenvorstand beschlossen: „… die an dem Pfarrgehalt von 1.800 Mark für Münkeboe-Moorhusen noch fehlenden 167,19 Mark sind von dem jeweiligen Inhaber der Engerhafer Pfarrstelle jährlich an die Kirchenkasse Münkeboe- Moorhusen zu zahlen … „.
Am 18. August 1896 teilte das Konsistorium dem Kirchenvorstand Engerhafe mit, dass die Kolonien Münkeboe-Moorhusen durch die Errichtungsurkunde vom 11. Juli 1896 mit Wirkung vom 1. August 1896 an zu einer selbstständigen Kirchengemeinde erhoben worden sind. Die in diesem Bericht geschilderten Vorgänge, die der Gründung der Kirchengemeinde Münkeboe-Moorhusen vorausgingen, geben nicht nur einen interessanten Einblick in die finanzielle Lage der Kirchengemeinde Engerhafe, in die Besoldung der Geistlichen und auch der Lehrer, die damals ja als Küster und Organisten im Dienst der Kirche standen, sondern auch in die überraschend starke Stellung des Kirchenvorstandes als Verwalter des Kirchen- und Pfarrvermögens den übergeordneten Behörden gegenüber. Die Beschlüsse des Kirchenvorstandes konnten auch von der geistlichen und weltlichen Aufsichtsbehörde nicht ohne weiteres übergangen werden. Das lag an den Konkordaten von 1599, durch die den Landgemeinden in Ostfriesland eine weitgehende Autonomie bei der Wahl ihrer Pastoren und Lehrern und bei ihrer Finanzverwaltung gewährleistet wurde, und die noch 1883 für ein Gerichtsurteil den Ausschlag gaben. Damals wollte die Kirchenkommission einer ostfriesischen Landgemeinde die frei gewordene Küsterstelle mit einem Militäranwärter besetzen. Die Gemeinde war damit nicht einverstanden. Sie berief sich in dem Prozess auf den Artikel 25 des Konkordates von 1599 und erhielt Recht.
Wenn im Laufe des 19. Jahrhunderts der Staat einen verstärkten Einfluss auf das Kirchenwesen gewann, lag das auch zum Teil daran, dass die Gemeinden in zunehmenden Maße auf staatliche Zuschüsse angewiesen waren, insbesondere für ihre Bauvorhaben. Die alten Einkünfte aus ihrem Grundbesitz und aus den überkommenen Naturalabgaben hatten sich im Laufe der Zeit immer mehr verringert, nicht zuletzt durch die im Osterhusischen Akkord von 1611 festgeschriebenen Pachtsätze für die beheerdischten Lande (Stückländereien, die mit einem Heerd oder Hof durch unkündbare Dauerpacht verbunden waren). Durch langsame aber stetige Geldentwertung war es dahin gekommen, dass die Gemeinden mit den jährlich aufkommenden Grundheuern ihre Ausgaben nicht mehr bezahlen konnten, so dass besonders die Kirchen und andere Gebäude in ihrem baulichen Zustand verfielen. Abbruchsmaßnahmen wie z.B. die Verkürzung der Kirche zu Engerhafe oder gar der früher einzigartigen prächtigen Kirche zu Marienhafe waren die Folgen.
Durch die Ablösung der alten Beheerdischheiten seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind dann die vormaligen Pächter zu Eigentümer der aus alten Zeiten stammenden Kirchenländereien geworden. In manchen Gemeinden, so auch in Engerhafe, gab es zwei Pastoreien mit ihren Ländereien und sonstigen Einnahmen. Als die Geldmittel der Gemeinden spärlicher wurden, ließ man die zweite Pfarre unbesetzt, in Engerhafe seit 1807. Der Inhaber der ersten Pastorei übernahm dann den Dienst der vakanten Stelle und erhielt dafür eine Entschädigung aus deren Vermögen. Die restlichen Einkünfte konnten dann für die Unterhaltung der Kirche und für andere notwendigen Bedürfnisse verwendet werden. So wurden die Gemeindeglieder vor höheren persönlichen Kirchenbeiträgen bewahrt, man ging also möglichst den Weg des geringsten Widerstandes.
Diese Tatsachen muss man kennen, um das Verhalten des Kirchenvorstandes zu Engerhafe während des langjährigen Ringens um die Vermögensabgabe aus den Mitteln der zweiten Pfarre an die neu zu bildende Kirchengemeinde Münkeboe- Moorhusen beurteilen zu können. Der Kirchenvorstand war für die Vermögensverwaltung seiner Gemeinde verantwortlich.
Es war seine Pflicht und sein seit 400 Jahren überliefertes Recht, die geistliche Arbeit im Kirchspiel Engerhafe finanziell zu sichern. Das war zu der Zeit nur durch Ausschöpfung der örtlichen Quellen möglich, denn die alten Gemeinden erhielten keinerlei Zuschüsse aus überörtlichen Mitteln. Auch die Lehrerbesoldung durch den Staat erfolgte erst nach Erlass des „Gesetzes vom 3. März 1897, betr. Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Schulen“. Darum war dem Kirchenvorstand auch so viel daran gelegen, die Einkünfte des Lehrers in Engerhafe, der ja zugleich Küster und Organist war, ebenfalls aus den Mitteln der 2. Pfarre zu verbessern.
Endlich aber war er aus eigenem Entschluss doch bereit, den Kolonisten ein gutes Angebot zu machen, indem er ihnen 20.000 Mark aus den Mitteln der vakanten Pfarre zur Verfügung stellen wollte. In Engerhafe hatte man eingesehen, dass den Kolonisten nur durch die Gründung einer eigenen Kirchengemeinde geholfen werden konnte. Es war ein langer Weg bis dahin gewesen. Hatte man sich noch 1869 gegen die Anlage eines Friedhofes in Münkeboe gesträubt, weil dadurch dem Pastoren und dem Lehrer die Bestattungsgebühren geschmälert werden könnten, so war man endlich bereit, sich den Forderungen des Konsistoriums zu beugen.
Etwas anders aber darf man wohl den Streit um die von den Interessenten aus Engerhafe gewünschte Auflösung des Gesamt-Armenverbandes Engerhafe ansehen. Ihnen ging es um eine ganz einfache Rechnung: Die Armut in den Moorkolonien, ganz besonders in Moorhusen, brachte es mit sich, dass der Gesamt-Armenverband dort seine größten Ausgaben hatte, ohne dass von dort wesentliche Beiträge zur Armenkasse eingingen. In den übrigen Orten des Verbandes wie Engerhafe, Fehnhusen, Oldeborg und Upende waren die Aufwendungen für unterstützungs-bedürftige Einwohner weit geringer. Man hoffte, bei einer Abtrennung der beiden Moorkolonien in Zukunft weniger Beiträge in die Armenkasse zahlen zu brauchen. Solche eigensüchtigen Überlegungen dürften wohl maßgebend gewesen sein, so dass man sogar eine gerichtliche Entscheidung eingeleitet hatte. Vereitelt aber wurden diese Bestrebungen durch die inzwischen erlassenen neuen Gesetze für das Armenwesen. Der Gesamt-Armenverband Engerhafe hat bis 1925 bestanden und ist dann mit dem vorhandenen Vermögen in den Bezirks-Fürsorgeverband Aurich aufgegangen.
Alles Neue braucht seine Zeit um verwirklicht zu werden, mag es auch noch so dringlich erscheinen. Der Kirchenvorstand zu Engerhafe hat zwar die Bildung der neuen Parochie Münkeboe-Moorhusen über eine längere Zeit hinaus verzögert, jedoch ist er dafür nicht zu tadeln, denn er hat nur die ihm anvertraute Pflicht getan gemäß den damals bestehenden Verhältnissen.
Auch darf mit Recht bezweifelt werden, ob die Kolonisten in der Lage gewesen wären, bereits in den 50er bis 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein eigenes Kirchenwesen unterhalten zu können, denn gerade in jener Zeit war die wirtschaftliche Lage in der ostfriesischen Moorkolonien äußerst schlecht. Erst seit 1890 hat diese sich langsam aber stetig gebessert, vor allem durch den Bau fester Straßen und durch die Verwendung des nun aufkommenden Mineraldüngers. Erst jetzt konnte das bisher mühsam kultivierte Heide- und Moorland intensiv genutzt werden, und jetzt erst konnte dort auch eine Kirchengemeinde auf eigene Füße gestellt werden.
Die Schulen in Engerhafe und Oldeborg.
Seit wann in Engerhafe Schule gehalten wurde ist nicht bekannt. Es darf jedoch als sicher angenommen werden, daß schon vor der Reformation einzelne Eingesessene ihre Kinder vom Pfarrer im Lesen und Schreiben unterrichten ließen. Begabte Knaben haben dort auch wohl die lateinische Sprache gelernt, damit sie sich dann auf auswärtigen Schulen weiterbilden konnten. So studierte z.B. im Jahre 1479 in Rostock ein „Hinricus Vust de Engerhofe“. (Fr. Sundermann: „Die Ostfriesen auf Universitäten“ in: Emder Jahrbuch 12. Band, 1897, S.75.)
Es gibt aber auch Anzeichen, daß bereits vor der Reformation in ostfriesischen Dörfern Volksschulen bestanden haben. Graf Enno II. erließ im Jahre 1529 eine Ordinanz (Anordnung, Befehl), die das Schulwesen in seinem Lande reformieren sollte. Aus dieser Verordnung geht klar hervor, daß es auf dem Lande schon in katholischer Zeit „gemene“ oder „duetsche Scholen“ gegeben hat, denn die Ordinanz spricht von Dörfern, „dar to voren eine Schole in gewest“ und ordnet an, daß „dem Scholmester na older Gewohnheit und na sien Vliete de olde Gebühr“ gegeben werden soll. Zum Ausbau des Schulwesens verordnete der Graf, „dat vordan ein iedermann seine Kinderen to Schole sette, beide in unse steden und dorpen, darmede die jöget so jammerlick nicht verdorven“. (d.h., daß fortan jedermann seine Kinder zur Schule schicken soll, sowohl in unseren Städten als auch in Dörfern, damit die Jugend nicht jämmerlich verderbe.) Fr. A. Korte: „Aus der Chronik der Väter“, Norden 1932, S. 6-7.
1546 erließ die Gräfin Anna ihre Polizeiverordnung, in der die Grundsätze ihrer Landesregierung niedergelegt sind. Hier heißt es im Abschnitt „van den hussittenden Armen“: „Waer ock die olderen mit kinderen beladen, viff oder sess jaer olt sinnen, to der scholen gesettet scholen weerden, dat de de geloven, de tein gebade und dat vader unse leren.“ Das heißt in unserer heutigen Sprachweise, daß auch kinderreiche arme Eltern ihre Kinder vom 5. oder 6. Jahre an zur Schule schicken sollen, damit sie den Glauben, die zehn Gebote und das Vaterunser lernen.
Diese Verordnung enthält auch einen ganz modern anmutenden Absatz, welcher den Pastoren und Kirchendienern gebietet, darauf zu achten, daß arme, aber mit besonders gutem Verstande begabte Kinder auf Kosten der Gemeinde weiter ausgebildet werden sollen, unter Umständen sogar auf Schulen außerhalb des Landes. (Eggerik Beninga: „Chronica der Fresen“ Bd. III, Aurich 1964, S. 685.)
Da Engerhafe zu den wohlhabenden Gemeinden zählte, wird auch hier schon frühzeitig eine Volksschule bestanden haben. Bis in das 16. Jahrhundert hinein gab es in Engerhafe 3 Pfarrstellen (im Schatzungsregister von 1592 werden nur noch 2 Pastore angegeben). Da drei Prediger durch den Kirchendienst gewiss nicht voll ausgelastet waren, wird einer derselben sich wohl der heranwachsenden Jugend angenommen und sie unterrichtet haben. Es ist also durchaus möglich, daß die hiesige Schulstelle aus der ehemaligen 3. Pastorei entstanden ist, und daß ein Teil ihres Pfarrlandes dann für den Unterhalt des Schulmeisters verwendet wurde. Urkunden und andere Aufzeichnungen über diesen Vorgang sind für Engerhafe nicht vorhanden. Man kann dies nur vermuten, zumal alte Akten von Dörfern berichten, in denen die Schulen auf solche Art und Weise entstanden sind. (Fr. A. Korte, a.a.O.)
So ist es auch zu verstehen, daß Kirche und Schule eng zusammenarbeiteten, und daß der Schulmeister zugleich auch das Amt des Küsters und Organisten in der Kirche ausübte. Über die Lehrer in Engerhafe geben die Akten des hiesigen Kirchenarchivs und des Staatsarchivs zu Aurich gute Auskünfte. Der Schullehrer war ja zugleich Küster und Organist an der Kirche und bis 1918 hatten die Pastoren die Aufsicht über die Schulen in ihrer Gemeinde.
Eine alte Jahresrechnung von 1547 nennt einen Arnoldus, dem damals sein Jahreslohn als Organist bezahlt worden war. Er soll zuvor Mönch im Kloster Ihlow gewesen sein. Das könnte sehr wohl zutreffen; denn als Graf Enno II. in Ostfriesland die Klöster aufhob und ihren Besitz an sich zog, hatte er die Klosterinsassen entschädigt und ihnen zum Teil Pfarrstellen und dergleichen in seinem Herrschaftsbereich zugewiesen. So geschah es auch mit den Mönchen von Ihlow. „Der Abt Antonius verließ das Kloster und erhielt von Enno II, die Pfarrstelle in Larrelt. Ein Teil der Mönche ging ebenfalls. Mit den restlichen wurden die ostfriesischen Grafen handelseinig.“ (Menno Smid: Ostfr. Kirchengeschichte. S. 137 in: Ostfriesland im Schutze des Deiches Bd. VI, Pewsum 1974.)
Wir dürfen also mit diesem Arnoldus die Liste der in Engerhafe gewesenen Schulmeister beginnen:
Um 1547 – ? Arnoldus.
? – 1630 Jost Johannes van Dinghlage.
1633 – 1669 Wübbo Frebens.
1670 – 1705 Frerich -auch Fridrich- Tammen.
1700 – 1705 Johann Davids als Aushilfe, weil Tammen nicht mehr dienstfähig war.
1705 – 1748 Cornelius Frerichs Tammen.
1749 – 1771 Enno Janßen. (verließ den Schuldienst)
1771 – 1782 Jürgen Wilhelm Fastenau.
1782 – 1783 Hinrich Caspar Cramer (Aushilfe)
1783 – 1827 Valentin Ocken Ostermann.
1827 – 1856 Emme Garrelts Ostermann,
1857 – 1889 Harbert Martens Kaiser.
1889 – 1931 Reiner Dirksen Haneborger.
1931 – 1951 Heinrich Neumann, 1.Lehrer.
1924 – 1942 Dora Seeba, 2.Lehrerin.
1946 – 1950 Franz Gutzer, 2.Lehrer.
1951 – 1956 Otto Röhnert, 1.Lehrer.
1951 – 1952 Düsterberg, 2.Lehrer.
1952 – 1961 Heino Bredendiek, 2.Lehrer.
1957 – 1969 Günter Hensel, 1.Lehrer.
1961 – 1966 Karl-Heinz Hoffmann, 2.Lehrer.
Die alten Lehrer, bis Valentin Ostermann, hatten ihren Dienst bis an ihr Lebensende ausgeübt. Den Küsterdienst hat noch R. Haneborger versehen. Ab 1931 bis 1975 war der Lehrer nur noch Organist an der Kirche.
1966 wurden die Schulen zu Engerhafe und Oldeborg zu einem Schulsystem vereinigt. In Engerhafe verblieben die Grundschuljahrgänge der Kinder aus diesem Ort und das 5. Schuljahr der Kinder aus der gesamten Gemeinde. Als am 30. Juni 1970 in Moorhusen der Unterricht an der neuen Mittelpunktschule begann, wurde die Schule in Engerhafe geschlossen. Günter Hensel übernahm als Hauptlehrer die Grundschule in Oldeborg. Hensel war auch der letzte Lehrer, der den Organistendienst in der Kirche versah. Dieses Amt hat er bis 1975 wahrgenommen. Seitdem hat die Kirche keinen Lehrer als Organisten mehr. Eine alte und lange Tradition hat durch die neuen Verhältnisse ihr Ende gefunden. Die Schule war seit frühester Zeit eng mit der Kirche verbunden, der Schulmeister zugleich Küster und Organist. Allein schon aus diesen Gründen musste das Schulhaus möglichst nahe bei der Kirche stehen.
Wir dürfen daher annahmen, daß auch das aller älteste Schulgebäude an derselben Stelle gestanden hat wie jene alte Volksschule, die 1937 abgebrochen wurde, nachdem die neue zweiklassige Schule am Achterumsweg fertiggestellt worden war. Wie die ganz alten Schulen in Engerhafe ausgesehen haben, wie groß ihre Räume und wie sie eingerichtet waren, ist heute nicht mehr bekannt. Zur Zeit des Schulmeisters Cornelius Frerichs Tammen, der als 80-jähriger noch im Dienst stand, war das Gebäude schon abgängig. Ein Neubau wurde nötig, als der neue Lehrer, Enno Janßen, den Schuldienst übernahm. Mit Schreiben vom 7. März 1749 baten die Kirchenverwalter Dirck Habben und Jan Dircks Jacobs das Königl. Konsistorium zu Aurich um Erlaubnis, eine neue Schule bauen zu dürfen. Sie schrieben: „… daß hiesige alte gar zu kleine Schule und Schulhaus in einem solchen baufälligen Zustande sich befinden, daß, wenn auch die zu große Verbeßerungskosten angewandt würden, doch auf solchem Fuß nicht viel Nutzen würden schaffen können; und deßwegen die Gemeine, falls es mit Ihro Königl. Majs. allergnädigsten Gutachten geschehen möchte, das alte baufällige Haus niederwerffen und ein neues mit einer größeren und bequemeren Schule, welche nothwendig erfordert wird, aufzuführen entschlossen.“
Das Konsistorium verlangte eine Aufstellung über die nötigen Material- und Lohnkosten. Diese wurden am 21.März desselben Jahres vorgelegt. Danach sind folgende Baukosten entstanden:
. Gulden Schaf Witt
An Holz: 281 9 10
an Eisen (Anker, Bolzen u. dergl.): 40
an Fenster: 20
an Steinen: 73
an Zimmerer- u. Maurerlohn: 117
Insgesamt: 531 9 10
Umgerechnet nach dem Silbergehalt der damaligen Münzen hätte der Bau 390,65 RM betragen. 1 Gulden = 10 schaf = 20 Stüber = 200 Witt = 1,11 RM. Damals erhielt in Emden ein Handwerker einen Tagelohn von 10 Stüber 4 Witt = 0,57 RM, ein ungelernter Arbeiter erhielt 7 Stüber. 4 Witt = 0,39 RM.
Für dieses Geld konnte man aber doch allerhand kaufen. So kostete:
1 Dz Roggen etwa 6 Gulden = 6,66 RM.
1 kg Butter, 10 Stüber. 6 Witt = 0,58 RM.
1 kg Käse, 22 Witt = 0,40 RM.
1 kg Roggenbrot, 5 1/2 Witt = 0,10 RM.
Im Inventarium von 1756 wird dies Schulhaus wie folgt beschrieben: „Die Wohnung ist erstlich Anno 1749 erbauet, ist nur klein, aber ordentlich eingerichtet. Es befinden sich darinnen eine wohl eingerichtete Schule ins Westen, das innere Hauß, mitten im Hause zwischen die Schule und Scheune, als eine Küche an der Nordt seyte an dem Weg, eine nur kleine Kammer an der Suyd seyte am Kirchhof. In der Scheune ein kleine Karren-Hauß (Karnhus) an der Nordtseyte, die Scheune ins Osten ist nur ganz klein, daß nur zu ein Paar Kühe futter, und kaum zur Winter-Brand Torf kann geborgen werden … „.
Im Inventarium von 1807 heißt es: „… Schullehrer-Wohnung ist 72 Fuß lang u. 33 Fuß breit und ist für 400 Rtl. im Feuer Societ. Catastro versichert und begreift in sich a: die Schulstube, b: 1 kleine Küche, c: eine Stube oder Kammer und d: eine noch kleinere Stube, e: ein kleiner Keller, auch f: angrenzender Scheune. Alles ist in ziemlich gutem Stande .. „. In der Schulstube befanden sich: 3 große Tische, 1 kleiner Tisch, 7 Bänke, 1 Ofen und 1 Brett (wahrscheinlich die Wandtafel).
„Alles ist in ziemlich gutem Zustande…“. So steht es im Inventarium von 1807. Man war damals eben sehr bescheiden, wird aber andererseits die Mängel natürlich auch nicht in das Inventarverzeichnis aufgenommen haben. 40 Jahre später aber musste etwas geschehen, um die Schule überhaupt noch halten zu können.
Aus einem Schreiben des Lehrers Ostermann an das Konsistorium zu Aurich geht hervor, daß der Schulraum viel zu enge und düster war. Die Schule hatte an der Südseite nur 3, an der Westseite 2 und an der Ost- und Nordseite gar keine Fenster. Die vorhandenen Fenster waren alt und verwittert und ließen wenig Licht mehr durch. „… der von Kindern vollgepropfte Raum ist bis zur Unerträglichkeit mit Dünsten angefüllt“.
Die Gemeinde ließ das Schulhaus vom Amtszimmermeister Janßen aus Aurich besichtigen, der es für unzureichend erklärte. Daraufhin beauftragten ihn die Interessenten, ein Besteck (Bauplan) für einen Neubau anzufertigen, welches auch von der Behörde genehmigt wurde.
Inzwischen aber war die Nebenschule in Oldeborg von der Hauptschule in Engerhafe abgetrennt und zur selbstständigen Schule erhoben worden. Nun hatten die Einwohner aus Oldeborg und Upende kein Interesse mehr an der Engerhafer Schule. Am 26. Juni 1849 berichtete der Lehrer Ostermann dem Konsistorium, daß auf Veranlassung des Kirchenverwalters H. E Habbinga, Oldeborg die Gemeindeversammlung beschloss, auf einen Neubau zu verzichten und nur noch den Schulraum durch Hinzunahme einer kleinen Kammer der Lehrerwohnung zu erweitern. Das Konsistorium verhinderte die Ausführung dieses Beschlusses und beauftragte den Landbaumeister Blohm, Aurich, die Schule in Engerhafe auf ihren Bauzustand hin zu untersuchen. Diese Untersuchung ergab, daß das Gebäude bereits so sehr verfallen war, daß eine Reparatur völlig unzweckmäßig und daher ein Neubau unbedingt erforderlich sei.
Am 8. Mai 1850 beschloss die Gemeindeversammlung mit 19 gegen 18 Stimmen den Neubau, der dann 1852 vollendet werden konnte. Allen Widerständen aus Oldeborg und Upende zum Trotz verfügte das Ministerium in Hannover am 27. Dezember 1851, daß der Neubau gerechtfertigt sei, und daß den gegen den Neubau gerichteten Anträgen nicht stattgegeben werden könne. Dieses Gebäude hat bis 1937 als Schule und Lehrerwohnung gedient und wurde abgerissen, nachdem die neue zweiklassige Volksschule am Achterumsweg in Betrieb genommen worden war.
Wie schlecht die alte Schule vor dem Neubau im Jahre 1852 war und mit welchen Schwierigkeiten Lehrer und Schüler fertig werden mussten, zeigt eine Beschwerde des Schulmeisters Ostermann vom 26.Juni 1849, die hier auszugsweise wiedergegeben wird. Das Schreiben fand ich in den Akten des Staatsarchivs zu Aurich.
„Mittlerweile hat nun der Schullehrer Lubinus in Oldeborg eine Trennung des dortigen Schulbezirks von dem hiesigen Schulverbande beim Königl. hochwürdigsten Consistorium erwirkt, wodurch auch denn die Schülerzahl in Engerhafe um etwa 30 vermindert wird. Infolgedessen ist auf Veranlassung des Kirchverwalters Habbinga aus Oldeborg, weil der als Einwohner dort bei der hiesigen Schule künftig kein Interesse mehr zu haben glaubt, in einer von verhältnismäßig wenigen Interessenten besuchten Gemeindeversammlung am 16. d.M. beschlossen, den Neubau der Schule ganz fallen zu lassen und lediglich das Schullokal durch einen Ausbau, theils dadurch, daß eine bisher neben dem Schullokal befindliche, und bei der Beschränktheit meiner Wohnung unentbehrliche, kleine Kammer der Schule einverleibt und dagegen ein anderer Theil der Schule wieder zur Kammer eingerichtet werden soll, zu vergrößern.
Hierdurch kann keine Verbesserung vorgenommen werden, denn in den letzten 3 Jahren war die Schule im Winter von etwa 100 Kindern besucht, darunter 18 aus Oldeborg und Upende, 82 aus Engerhafe. Von diesen mußten 16 Schüler abwechselnd immer stehen, die übrigen saßen sehr gedrängt. Selbst der Eingang zur Schule war besetzt, so daß so oft ein Kind eines Bedürfnisses halber sich entfernen mußte, zuvor mehrere andere aufräumen mußten, was denn unaufhörliche Störung verursachte.
Während der Schreibstunde mußten 15 Schüler an den Bänken auf dem Fußboden liegen zu schreiben, und um die Plätze dazu zu gewinnen, mußte mehreren der Kleinen im Portal außer der Schulstube ihre Plätze angewiesen werden. Wurde irgendwie in der Schule meine Gegenwart erfordert, so mußte ich von meinem Platze aus über Tische und Bänke hinweg klettern, ohne mit einem Fuße den Fußboden zu berühren … „.
Diese Schilderung ist so wenig übertrieben, daß ich mich deshalb getrost auf das Zeugnis des Herrn Predigers Oepke und selbst des Kirchenvorstehers Habbinga berufen darf: „Eine andere eben sehr nachtheilige Beschaffenheit der Schule liegt in dem Mangel hinreichenden Lichts. Die Schule hat nämlich an der Südseite nur 3, an der Westseite 2, an der Ost- und Nordseite gar keine Fenster.
Sämtliche Fenster, mit Ausnahme einiger neuer Scheiben, sind alt und verwittert, daß sie nur wenig Licht mehr hindurchlassen. Dabei ist eins der südlichen und die beiden westlichen Fenster von Gebäuden umgeben, welche die Schule des Lichts berauben, weshalb denn im Winter die Kinder um 3 Uhr Nachmittags nicht mehr sehen können. Außerdem ist die Schule nur pl. m. 8 Fuß unter der Decke hoch, wodurch denn der von Kindern vollgepropfte Raum bis zur Unerträglichkeit mit Dünsten angefüllt ist …“.
Während 1970 die Schule in Engerhafe aufgehoben wurde, dient die Oldeborger Schule noch heute als Grundschule für die Kinder aus der ganzen Gemeinde. In Engerhafe stand die Hauptschule seit alter Zeit, und alle Kinder des Kirchspiels sollten diese besuchen. Aber die weiten und sehr schlechten Wege hielten die Schüler aus den von Engerhafe weiter entfernt liegenden Orten Oldeborg, Upende und Moorhusen vom regelmäßigen Schulbesuch ab. Vor allem war es den kleinen Kindern unmöglich, die täglichen Strapazen des langen Schulweges zu bewältigen. Deshalb hatten sich die dort wohnenden Familien schon früh einen Schulhalter bestellt, der in seinem eigenen Hause oder in einem Mietraum die Kinder schlecht und recht unterrichtete, ohne eine Genehmigung der Obrigkeit. Der Hauptlehrer zu Engerhafe erhob zwar Protest, weil er für diese Kinder kein Schulgeld erhielt, aber ändern konnte er auch nicht viel.
Erst als Ostfriesland 1744 an Preußen kam, zog auch in das Schulwesen bald ein neuer Geist ein. Die Schulpflicht wurde strenger gehandhabt. Nun wurde endlich auch den Einwohnern aus Oldeborg und Upende auf ihren Antrag die Genehmigung erteilt, eine Nebenschule für die kleinen Kinder zu halten. Upende erhielt diese Erlaubnis am 9. Januar 1760 und Oldeborg am 24. Juni 1761: „…. wegen der Entlegenheit von ihrer ordentlichen Schule … für ihre kleinen Kinder eine Nebenschule alda zu halten… „. Die über 10 Jahre alten Kinder mussten jedoch die Schule in Engerhafe besuchen. Die Kommunen Oldeborg, Upende und Moorhusen schlossen sich dann zusammen, um einen Nebenschulhalter anzustellen und erhielten am 1. Mai 1764 die Genehmigung des Konsistoriums, welche folgenden Wortlaut hat:
Decretum auf das allerunterthänigste Memorial an Seiten derer Communen Oldeborg, Upende und Moorhausen die Anlegung einer Neben – Schule zu Oldeborg oder Upende betr. de praes: 1 ten Maii 1764.
Nachdem den Communen zu Oldeborg und Upende schon vorhin, wiewol einer jeden Separatim, die Erlaubnis ertheilet worden, für die kleinen Kinder eine Neben-Schule unter gewißer Maaßgabe zu halten: Als wird ihnen auf ihre allerunterthänigster bittlichen Vorstellung hiemit bewandten Umständen nach verstattet, dergleichen Neben-Schule conjunctim zu haben; jedoch daß es übrigens in allen Stücken bei dem, was in den vorigen desfälligen Decretis verordnet worden, sein unveränderliches Bewenden habe.
Decretum im Königl. Preuß. Ostfries. Consistorio den 1 ten Maii 1764.
v. Derschau
Advoc, v. Essen Kronmayer.
Das war der Anfang der Schule zu Oldeborg.
Wenn auch die Schule zu Oldeborg offiziell erst am 1. Mai 1764 genehmigt wurde, so hatten doch die Einwohner bereits lange zuvor ihre Kinder durch angenommene Schulhalter unterrichten lassen; denn die Entfernung zur Kirchspielschule in Engerhafe war besonders für die kleineren Kinder zu groß, die Wege zu schlecht und im Winter wie auch bei Regenwetter unpassierbar. Einige dieser Schulhalter oder wie man sie damals auch nannte „Informatoren“ sind uns aus überkommenen Akten namentlich bekannt.
1689 wird im Taufbuch als Vater des Kindes der „verlauffene Schulmeister Johann Schmidten“ erwähnt.
1691 wurde dem „Schulmeister zu Oldeborg“ eine Tochter getauft. Sein Name ist leider nicht vermerkt.
Aus den Beschwerden des Schulmeisters Enno Janßen zu Engerhafe über, seiner Meinung nach, ungesetzliche Privatschulhalter, kennen wir:
1749 Thade Heyen, ein Zimmermanns-Knecht,
1755 Ahldrich Gerdes „der reformierten Religion zugethan“,
1757 Lorentz Müller, zuvor Vogt in Oldeborg,
1757 Willem Alberts, ein Arbeitsmann aus Upende,
1759 Jürgen Peters aus Upende.
Natürlich hatten diese Leute keine schulische Ausbildung und unterrichteten die Kinder so gut sie es vermochten. Auf Grund der Anzeigen des Engerhafer Schulmeisters wurde ihnen vom Konsistorium ihre Lehrtätigkeit verboten. An der mit Dekret von 1. Mai 1764 genehmigten Nebenschule, die spätere Volksschule zu Oldeborg, haben folgende Lehrer unterrichtet:
Als Schulmeister bzw. erste Lehrer:
1764-1771 Jann Reenders aus Engerhafe.
1771-1775 (nur in den Wintermonaten) Lorentz Müller, ehem. Vogt zu Oldeborg
1776-1777 Valentin Ocken Ostermann.
1777-1785 Johann Renken Bruns.
1785-1792 Eibe Harms.
1792-1795 Hermann Georg Fastenau (+ Febr. 1795)
1795-1799 Weyert Hayunks Schwitters.
1799-1801 Johann Harms.
1802-1839 Ecke Mennen Jürgen Eilers.
1840-1887 Peter Oltmanns Lubinius.
1887-1889 Heye Lichtsinn.
1889-1893 Heinr. Herm. Rudolf Bohlen.
1893-1903 Jann Berghaus.
1903-1934 Lammert Harms.
1935-1945 Ecke Tammen.
1946-1950 Dr. Rudolf Keckow.
1950-1963 Hauptlehrer Gerhard Freytag.
1963-1969 Hauptlehrer Rolf Diekmann.
1969-1975 Hauptlehrer Günter Hensel.
1975-jetzt Hauptlehrer Martin Hoffmann.
Als zweite und weitere Lehrer:
1909-1912 Otto Hartmann.
1912-1919 Wilhelm Schütte.
1919-1921 Jann Stein.
1921-1935 Ecke Tammen.
1934-1937 Rudolf Natje.
1938-1942 Heinrich Jürgens.
1942-1943 Herrmann Janßen.
1945-1945 Hedwig Reich.
1945-1946 Franz Gutzer.
1945-1965 Dora Seeba.
1949-1951 Wolfram Ohst.
1951-1956 Johann Janßen.
1956-jetzt Elfriede Schönherr.
1969-jetzt Inge Goldenstein.
In der Zeit von 1962 bis 1975 lehrten außerdem noch Heinz Farwig, Ilse Schäfer, Dietrich Gruhlke, Rüdiger Hermann, Heiko Remmers, Ingrid Schmidt, Christa Lange, Christa Sintara, Helga Geweke und Ragnhild Meyer-Fehling, an dieser Schule.
Nachdem die Einwohner zu Oldeborg, Upende, Moorburg und Moorhusen am 1. Mai 1764 die Erlaubnis des Konsistoriums erhalten hatten, für ihre kleineren Kinder gemeinschaftlich eine Nebenschule zu halten, wurde Jann Reenders als Nebenschulhalter angestellt. Dieser, der zuvor bereits 1 1/2 Jahre lang in Marienwehr bei Emden Kinder unterwiesen hatte, wohnte in Engerhafe, weil es in Oldeborg und Upende kein Schulhaus gab. Im Schul-Katalog (jährlicher Bericht an das Konsistorium) von 1766 heißt es: „Die Communen Oldeborg und Upende heuren alle Jahr, so wie sie am besten können, entweder in Oldeborg oder Upende eine Kammer, worinnen die Schule gehalten wird; der Neben-Schulhalter, der hieselbst in Engerhafe wohnt, muß mühsam alle Tage dahin, und wieder nach Hause gehen. Die Einwohner sind zu unvermögend, sonsten könnte daselbsten mit Nutzen ein eigenes Schulhaus aufgerichtet werden.“ Natürlich wussten die Einwohner, daß dieser Zustand nur für eine gewisse Übergangszeit andauern konnte, und daß der Bau eines eigenen Schulhauses in Oldeborg oder in Upende angestrebt werden musste.
5 Jahre später kauften sie ein Grundstück für die neue Schule. Der Pastor Reershemius meldete dieses am 9. April 1771 dem Konsistorium und schrieb u.a.: „…so daß sich die Einwohner bey dem An- und Zuwachs der Kinder, die sich bisher in ganz enge Mieth-Cammern, welche ins allgemein schlecht, ungesund und der Lage nach sehr finster und dunkel gewesen, kümmerlich beholfen, auch der Neben-Schulhalter von Engerhafe nach Oldeborg oder Upende bey der rauhesten Witterung alle Tage beschwerliche Gänge zur Information thun müßen, genöthiget sehen; selbsten auch eine wahre Begierde bezeigen, auf eine veste Schul-Wohnung bedacht zu seyn, so sind die Einwohner mit Zuziehung der Prediger, itzt gemeinschaftlich zusammen gekommen, und haben sich erkläret, quotative (anteilmäßig) zum Anbau eines neuen Schulhauses zu contribuiren (beizutragen) und deßfalls ein Grund-Stück pl.-m. 1/4 Diemath von Dirck Suntken Erben zu Oldeborg für 100 Gulden Courant, doch Sub ratificatione Potentissimme (mit allerhöchster Genehmigung), worauf das Schulhaus soll gesetzet werden, gekauft …“. Er bat um Genehmigung, diese 100 Gulden aus den Mitteln der Kirchengemeinde Engerhafe bezahlen zu dürfen, weil die Einwohner nicht vermögend genug seien, alle Baukosten zu bestreiten. Das Königl. Konsistorium zu Aurich erteilte am 29. April 1771 die Genehmigung zum Bau des Schulhauses.
Trotz allem guten Willen der Leute hat es doch viele Hindernisse gegeben, die erforderlichen Geldbeträge aufzubringen. Auch Jann Reenders war fortgezogen. Im Sommer wurde keine Schule mehr gehalten, sehr wahrscheinlich um Geld zu sparen. 1771/72 steht im Schul-Katalog: „… Der Neben-Schulhalter ist itzo ein gemeiner Arbeiter, vorher ist er hieselbst Vogt gewesen, und wird von denen Communen im Winter angenommen, weil man bis hierzu mit dem Anbau einer neuen Neben-Schule nicht fertig werden können. Er ist diesen Winter hindurch sehr fleißig gewesen.“
1774 heißt es: „… Seit 2 Sommer ist die Sommer-Nebenschule nicht gehalten. Die Einwohner sind nicht sonderlich vermögend, und deshalb hat es bisher Schwierigkeiten gegeben, ein eigenes Schulhaus bauen zu laßen, und einen eigenen Schulhalter zu bestellen und zu unterhalten … „.
Im folgenden Jahr liest man: „… Der vorgewesene Schulhalter (d.h. Lorenz Müller) hat auch diesen Winter continuiret (weitergemacht) und hat seine Sachen recht wohlgethan. Im verwichenen Sommer vermeinte man mit dem Schulbau fertig zu werden. Allein allerley Hindernisse machten den Bau recht schwer. Der alles wohlmachende und herzenslenkende Gott hat die Einwohner itzo dahin geleitet, daß Prediger und Schulaufseher durch Güte und Ernst durchdringen können, und mit mehr Gewißheit, Freudigkeit u. Zuversicht auf die göttliche Hülfe, den Aufbau alle Tage anzufangen und fortzusetzen. Die Einwohner haben sich auf geschehene vorteilhafte Vorschläge gütigst erkläret, freywillig quotatine ex propriis zu contribuiren (etwa anteilmäßig nach ihrem Vermögen beizutragen); daher man hoffen kann, die Schule bald fertig zu sehen, zumahl die Baumaterialien bereits angeschaffet, und die Arbeit ausgewonnen worden.“
Endlich, am 24. April 1776, konnte Pastor Reershemius dem Königl. Konsistorium in Aurich melden: „… daß die Einwohner mit dem Aufbau eines neuen Schulhauses so aus einer Schul-Cammer, welche wohl 40 bis 50 Kinder fassen kann, aus einer mittelmäßigen Küche, worinnen 2 Bettstellen (Butzen) und kleine Speise-Cammer, womit noch sonstige Commoditaeten verbunden, wie denn auch ein räumlicher Garten mit der Zeit kann angelegt werden, jüngst in der vorigen Woche fertig geworden … „.
Dieses erste Schulhaus stand an der Stelle, wo der Uiterweg von der Straße abzweigt, schräg gegenüber der heutigen Grundschule Oldeborg. Wie dieses erste Schulhaus ausgesehen hat, wissen wir heute nicht mehr, keine Zeichnung und kein Bild aus jener Zeit ist uns hierüber überliefert. Nur im Inventarium vom Jahre 1806 findet sich eine Beschreibung in der es heißt: „Die Oldebörger Nebenschule bestehet aus einem kleinen Hause und Garten; stehet ohngefähr mitten im Dorfe; die Schulstube, welche sich vorne im Hause befindet, ist pl.m. 17 Quadratfuß (5,64 m²) groß: Die Küche pl.m. 12 Quadratfuß (3,98 m²) woselbst sich auch in Verbindung mit dem Hause eine kleine Scheune befindet. … Der Garten dabey ist nur pl.m. 1/4 Diemath groß…“.
Die Bauweise dieses Hauses geht hervor aus einem Antrag des Lehrers Eilers vom 12. Sept. 1807, in dem er um Reparatur desselben bittet. Eilers beschrieb die Mängel wie folgt:
„1. In der Küche beim Bettstelle ist eine Leimen-Wand, wo sich ein ziemlich großes Loch befindet, das mit Leimen nicht gut zu machen ist. Es ist nötig, mit Steinen auszubessern.
2. Um das Schulgebäude, hinter und um die Scheune, befindet sich eine mit Stroh genähte Wand (jetzt aber zerrissen). Eine Steinmauer ist sehr nötig.
3. Um die Schule, welche mit dem Hause in Verbindung steht, ist eine Mauer, die bei Regen Wasser durchläßt. Reparatur ist dringend nötig.
4. Die Küche und Schulstube ist nie gefärbt worden.
Die Schulaufseher, Reender Rummerts Müseler und Mehme Harms haben trotz mehrfacher Bitten nichts veranlaßt.“
Aus diesem Antrag kann man schließen, daß es sich um eine Lehmhütte handelte, die Scheune hatte sogar nur Wände aus Stroh oder Reith. Seit dem Bau des Hauses (1776) sind auch kaum Instandhaltungsarbeiten durchgeführt worden. Am 15. Oktober 1895 schrieb der Lehrer, daß die Schule viel zu klein sei. Der damalige Schulinspektor bestätigte den Antrag und berichtete dem Konsistorium, daß die Schule viel zu klein sei und um die Hälfte vergrößert werden müsste. Die Kinder „müssen zusammengepreßt sitzen und können sich kaum bewegen“. Die Interessenten stellten einen Kostenanschlag auf . Wie der Bau danach ausgesehen hat und was er kostete, ist aus den Akten nicht zu ersehen.
30 Jahre später war auch dieses Haus nicht mehr brauchbar der Lehrer Lubinus beantragte bei seiner vorgesetzten Behörde eine Untersuchung des baulichen Zustandes. Diese fand am 10. Dezember 1848 statt, die Beschwerden des Lehrers wurden anerkannt.
Damals besuchten 80 Kinder diese Schule. Weil man eine Reparatur für unzweckmäßig hielt, ließ der Schulvorstand eine Bauzeichnung mit Kostenanschlag für ein ganz neues Gebäude anfertigen und zwar aus folgenden Gründen:
1. „weil in dieser Gegend überall neu angebaut wird“ (d. h. weil neue Kolonate angelegt werden)
2. „weil künftig mit der Trennung von Engerhafe zu rechnen ist und deshalb dann keine Kinder mehr nach Engerhafe gehen werden.“
Für einen Neubau war aber der Platz nicht geeignet. Er war zu klein und lag auch zu niedrig. Man versuchte, ein Haus in Oldeborg zu erwerben und zwar das Haus, in dem später die Bäckerei Folkert Backer eingerichtet wurde (heute Burgstraße 1), zumal dort ein großer Garten vorhanden war. Der Eigentümer, der Cürassier- Wachtmeister Haase zu Northeim forderte dafür 1.000 Rtl. Courant, dieser Preis war der Gemeinde zu hoch.
Der Schulvorstand sah sich deshalb nach einem anderen Grundstück um und fand ein geeignetes Stück gegenüber der Schule, dort, wo die Oldeborger Schule auch heute noch steht. Am 25. April 1848 schrieb er dem Konsistorium: „… Der Schulvorstand hat sich daher entschlossen, ein anderes, bei der alten Schulstelle belegenes Immobile, welche sowohl seiner hohen Lage als Beschaffenheit des Bodens wegen sich vorzüglich zur Anlage eines Schulhauses eignet, anzukaufen …“. In der Gemeindeversammlung am 29. Mai 1848 wurde der Ankauf dieses Grundstücks beschlossen. 21 Einwohner aus Upende stimmten dafür, aus Oldeborg 8, gegen den Ankauf stimmten 7 Einwohner aus Oldeborg. Wahrscheinlich passte es ihnen nicht, daß die Schule nun in der Gemarkung Upende gebaut werden sollte. Diese Eigenbrötler haben dann noch eine Zeit lang durch Widersprüche und Gegenvorschläge versucht, ihre Ansichten durchzudrücken, wurden zuletzt aber vom Ministerium zu Hannover endgültig abgewiesen. Im Juli 1848 genehmigte das Ministerium den Ankauf des Baugrundstücks und den Verkauf des alten Schulhauses, und im Mai 1849 begann der Bau der neuen Schule.
Schwierigkeiten bereiteten die Baubeiträge, welche die Einwohner bezahlen mussten. In Oldeborg/Upende wurden sie bisher gleichmäßig von allen Hausbesitzern aufgebracht. Das bedeutete, daß der Besitzer eines Bauernhofes nicht mehr zahlte als der kleine Kolonist. Die Unbilligkeit dieser Art der Umlage wurde zwar von allen Seiten anerkannt, auch von den Hofeigentümern, und alle waren auch mit einer Neuregelung des Beitragsfußes einverstanden, aber eine Einigung über die Art und Weise der neuen Beitragszahlung war nicht zu erzielen. Selbst ein Mehrheitsbeschluss kam nicht zustande. Deshalb musste die Behörde eingreifen. Der Schulvorstand wünschte eine Beitragsverteilung im Verhältnis zu den zu zahlenden Grundsteuern. Das aber war nach den damals geltenden Gesetzen nicht möglich, deshalb schlug das Konsistorium vor, die Beiträge im Verhältnis zu der Landeseinkommensteuer zu erheben, womit zugleich das Stimmrecht zum Schulvorstand geregelt werden konnte. Danach würden die Beitragspflichtigen der Schulgemeinde ihren Beitrag; nach dem Einkommen in 4 Klassen bezahlen:
Klasse 1, bis 100 Rtl. Einkommen, 1 Stimme,
Klasse 2, bis 200 Rtl. Einkommen, 2 Stimmen,
Klasse 3, bis 300 Rtl. Einkommen, 3 Stimmen,
Klasse 4, üb. 300 Rtl. Einkommen, 4 Stimmen.
Der Schulvorstand beschloss am 9. Januar 1854 diese Beitragsregelung, und die Landdrostei zu Aurich genehmigte den Beschluss am 1. Februar 1854. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bau des neuen Schulhauses begonnen.
Auch von diesem Hause sind weder Bilder noch Bauzeichnungen mehr vorhanden. Jedoch beschreibt Jann Berghaus, der von 1893 bis 1903 Lehrer in Oldeborg war, in seinen Lebenserinnerungen, „Jann Berghaus erzählt“, die Räume der Schule und Lehrerwohnung wie folgt: „… Dann ging ich zu meiner neuen Wirkungsstätte, zur Schule und Lehrerwohnung. Das Gebäude, beides umfassend, war eingereiht in die lange Häuserzeile, unmittelbar auf der Grenze zwischen Oldeborg und Upende.
Die Schulklasse nahm die gesamte Südfront ein; das ganze Anwesen war von beschattenden Linden freundlich umrahmt. Die Wohnung erwies sich als außerordentlich bescheiden. Sie umfasste eine Stube vier zu vier Meter, eine Upkamer drei zu vier und eine kleine Küche. Eine Schlafstube war nicht vorhanden, aber dafür gab es Butzen (Wandbetten). Dazu kam eine kleine Scheune für den landwirtschaftlichen Bereich. …
Die Schulklasse war äußerst mangelhaft. Sie war 6 m tief und 8 m breit, kaum 3 m hoch, so daß auf jeden der 100 Kinder ein Luftraum von 1 1/2 cbm entfiel. Die Fenster waren ganz altertümlich, keines hatte Flügel zum Öffnen und Lüften; einige konnten aufgeschoben werden. Wegen der übergroßen Breite musste das Pult in einer Ecke stehen, weil sonst die Klasse nicht zu übersehen war. Doch war dies nicht von großer Bedeutung, da ich stets vor den Kindern stehend unterrichtete …. „.
Dass dieser Schulraum den steigenden Anforderungen des Unterrichtes und der zunehmenden Schülerzahl sicht mehr entsprach, lag auf der Hand. Auch die Lehrerwohnung in ihrer alten Bauweise genügte nicht mehr. Deshalb beantragte der Schulvorstand Anfang 1894 bei dem Landrat Iderhoff, die Schulklasse und die Lehrerwohnung zu vergrößern. Er bat um eine staatliche Beihilfe, weil die Schulgemeinde einige Jahre zuvor das Lehrerdienstland gekauft hatte. Der Kaufpreis hierfür musste noch verzinst und getilgt werden.
Der Landrat ließ am 9. August 1894 durch den Kreisbauinspektor Bohnens ein technisches Gutachten aufstellen, das den damals gültigen Bauvorschriften entsprach. Besonderer Wert wurde auf gute Beleuchtung durch genügend große Fenster gelegt. Das Schulzimmer selbst musste 71,25 qm groß sein. An Kosten wurden 4.000 Mark veranschlagt. Da ein Ersatzraum nicht vorhanden war, konnte während des Umbaus kein Unterricht stattfinden. Deshalb hatte man die Sommerferien um einige Wochen verlängert. In dieser Zeit wurde der Umbau durchgeführt. Am 21. August 1895 meldete der Landrat dem Regierungspräsidenten, daß die Erweiterung der Schule zu Oldeborg fertiggestellt war, und daß am 1. September der Unterricht wieder aufgenommen werden würde. Jann Berghaus erzählt: „In den Sommerferien, die um einige Wochen verlängert wurden, erfolgte der Neubau. Ich führte für den Schulvorstand die Bauaufsicht und lernte dabei, was alles beim Bau zu berechnen und zu beachten ist. Was für eine schöne Schule war es nun geworden! Fast doppelt so viel Raum wie in der alten, neue hohe Fenster mit Flügeln zum Öffnen nach Süden gelegen! Eine wahre Lichtfülle! Neue Tische und Bänke waren beschafft worden; von allen Seiten konnte man an die Kinder herantreten, um ihre Arbeiten durchzusehen. Ich konnte sechs Stunden am Tage unterrichten und spürte kaum Ermüdung. Und welch ein Segen für die Kinder! … „.
Am 24. Dezember 1900 beantragte der damalige Kreisschulinspektor Pastor Elster, Riepe bei der Regierung zu Aurich, in Oldeborg einen 2. Lehrer anzustellen und eine 2. Schulklasse der Schule anzufügen, „… weil bei der Errichtung der Halbtagsschule die Schule auf die Dauer nicht auf der Höhe bleiben würde.“
Es war damals vorgesehen, den Nachmittags-Unterricht abzuschaffen. Der Schulvorstand erhielt von der Regierung die für diesen Zweck nötigen Fragebogen, die im März 1901 ausgefüllt zurückgegeben wurden, und in denen er bemerkte: „Der Schulvorstand will sein Interesse an der angestrebten Erweiterung der Schule dadurch bekunden, daß er sich bereit erklärt, die Kosten des Erweiterungsbaues zu übernehmen, soweit diese 2.000 bis 2.500 Mark nicht übersteigen.“
Am 3. März 1903 legte der Kreisschulinspektor, nun Pastor Kittel, Riepe der Regierung in Aurich seinen Revisionsbericht über die Oldeborger Schule vor. In diesem schrieb er unter „Besondere Anträge“: „… Die Schule zu Oldeborg, an welcher bereits längere Zeit Halbtagsunterricht erteilt wird, wird Ostern dieses Jahres 120 Schüler zählen. Nur einem so reich begabten, tüchtigen und fleißigen Lehrer wie Berghaus ist es möglich gewesen, die Schule auf ihre jetzige Höhe zu bringen und zu erhalten. Da aber seine Tage in Oldeborg wohl gezählt sein werden, so ist es im Interesse der Schule dringend erforderlich, daß eine 2. Klasse gebaut und eine zweite Lehrkraft angestellt wird …“. Wahrlich, ein schönes Zeugnis für die Oldeborger Schule und ihren Lehrer!
Aber bis zur Verwirklichung dieses Vorhabens vergingen noch gut 4 Jahre. Zwar erklärte sich der Schulvorstand schon am 23. März 1904 mit der Erweiterung der Schule einverstanden, doch konnte der Bau noch nicht sofort begonnen werden. Erst am 27. April 1907 bewilligte die Regierung eine Staatsbeihilfe in Höhe von 7.400 Mark. Ein neuer Bauentwurf wurde aufgestellt, und im Juni begann der Bau der Fundamente.
Der Rohbau war am 15. November desselben Jahres vollendet, der fertiggestellte Neubau wurde am 13. April 1908 vom Kreisbaumeister abgenommen. Die Ausführung der Bauarbeiten waren der Firma Pommer aus Oldersum übertragen worden.
Im Zuge dieser Arbeiten war für den 2. Lehrer im Dachgeschoss eine Wohnung und in der Südostecke des Schulgartens ein Abortgebäude errichtet worden. Bis auf den Bau eines neuen Abortgebäudes im Jahre 1937, in dem auch ein Raum für Torf vorgesehen war, sind bis 1954 keine größeren Bauarbeiten an dieser Schule mehr ausgeführt worden.
1949 erhielt die Schule eine dritte Lehrerstelle, die Schülerzahl war auf 150 Kinder angestiegen. Eine dritte Schulklasse wurde nötig, auch die Lehrerwohnung musste grundlegend überholt werden. Nach Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten konnte 1953 die dritte Klasse mit einem Stillbeschäftigungsraum an der Nordseite der alten Klasse, dort wo zuvor das Lehrerhaus stand, angebaut werden. Für den Lehrer wurde am Uiterweg ein neues Wohnhaus gebaut. Die Gesamtbaukosten betragen 72.177,30 DM. Am 19. Dezember 1953 konnten die neuen Räume eingeweiht werden. An dieser Feier nahm auch der alte Lehrer Berghaus, nunmehr Präsident der Ostfriesischen Landschaft teil. Er ist bald darauf, am 18. Februar 1954, gestorben.
Anfang der 60er Jahre wurde das 9. Schuljahr eingeführt, in Oldeborg wurden 1964, 153 Kinder unterrichtet, die Raumverhältnisse waren unhaltbar geworden. Auf Drängen der Gemeinde genehmigte die Regierung deren Plan, einen zweiklassigen Schulpavillon neben der bestehenden Schule zu errichten, nachdem der Kassenverwalter erklärt hatte, hierfür die erforderlichen Gelder als Rücklage angesammelt zu haben. Die neuen Räume konnten am 7. November 1966 bezogen werden, die schon 1961 geplante Neuordnung des hiesigen Schulwesens wurde nun durchgeführt. Als 1970 in Moorhusen dann die Mittelpunktschule ihren Betrieb aufnahm und aus Oldeborg 125 Kinder der Klassen 5 – 9 dorthin umgeschult wurden, blieben in Oldeborg nur noch die Grundschuljahrgänge.
Zu Beginn dieser Berichtsreihe wurde bereits erwähnt, daß die Schulmeisterstelle zu Engerhafe wohl aus der ehemaligen 3. Pastorei entstanden sein könnte und daß ein Teil der Ländereien dieser Pfarre für den Unterhalt der Lehrerstelle verwendet wurde. Ländereien und Naturalabgaben bildeten seit dem Mittelalter die Grundlagen der Bezahlung von Geistlichen und anderen Kirchendienern, und später dann auch die der Schullehrer. Dies geht bereits aus der Kirchenordnung von 1535 hervor, in der es heißt:
„…..Derhalven vormanen wy dorch Godt, dat baven allen daruß gesehen weerden und vorordent, dat dat ganze land dorch de kerckendener, also pastoren, kapellanen, scholmeister und koster, in steden und dorperen, ein ider na syner gelegenheyt, van sinen arbeit sine erholdinge hebbe. Dat de overicheit oeren underdanen darto holde, edellen und unedellen, dat se allen pastoren, kapellanen, vicarien, schollmeisteren und kosteren genzlick geven und volgen, wat se sus lange gehadt und upgeboert in den tiden, so dat pavesdoem hyr in ehren gewesen, alse dar sint tinse, geld eder korn, rente, acker, grase land und dergelicken dingen“.
Auch für den Schulmeister zu Engerhafe waren die althergebrachten Naturalabgaben sowie der Ertrag aus dem Schulland die Grundlagen seiner Besoldung. Bei den Naturalabgaben handelte es sich um feststehende Lieferungen der seit alter Zeit im Kirchspiel bestehenden Höfe an Butter, Käse und Roggen. Dazu kam das „Krumstergeld“, eine alte feststehende Geldabgabe der Warfstellen und kleinen Häuser. Beide, Naturalabgaben und Krumstergelder waren dingliche Leistungen, die auf dem jeweiligen Grundbesitz lagen und später auch im Grundbuch als Reallast eingetragen wurden. Sie sind in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zumeist abgelöst worden.
Während die Naturalabgaben ihren Wert behielten und höchstens nach den Marktpreisen schwankten, verlor das Krumstergeld im Laufe der Zeit immer mehr an Wert und wurde für die Besoldung des Lehrers bedeutungslos. Eine andere wichtige Einnahme war das Schulgeld, welches die Eltern für jedes Kind bezahlen mussten. An diesem Schulgeld haben sich viele Streitigkeiten zwischen Lehrer und Einwohnern entfacht und sonderlich auch zwischen dem Schulmeister zu Engerhafe und den Nebenschulhaltern in Oldeborg/Upende. Für seine Dienste als Küster und Organist bekam der Lehrer einen festen Betrag aus der Kirchenkasse sowie kleinere Gebühren für besondere Tätigkeiten.
In diesem Zusammenhang werden einige Bemerkungen zum ostfriesischen Münzwesen erwähnt: Krumster = Krummsteert. Eine Münze, die zuerst um 1429 von Imelo Abdena in Emden geprägt worden ist. Das Volk nannte sie „Krummsteert“, weil sie einen Löwen mit stark geringelten Schwanz zeigte. Diese Münze ist dann bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts die Einheit des ostfriesischen Silbergeldes gewesen.
Die Abgabe des Krumstergeldes an Kirche und Schule von den Häusern des Kirchspiels muss wohl schon Mitte des 15. Jahrhunderts eingeführt worden sein. Sie wurde noch erhoben, als der „Krumsteert“ als Münze schon längst nicht mehr im Umlauf war. Sie wurde noch 1910 von einigen Hausbesitzern hier gezahlt, die die Ablösung dieser alten Reallast noch nicht durchgeführt hatten. Zu dieser Zeit wurde der Krumster mit 5,5 Pfennig berechnet. Im Laufe der Jahrhunderte hatte der Krummsteert seinen ursprünglichen Wert fast ganz verloren. Das älteste noch erhaltene Verzeichnis über die Einkünfte des Schullehrers in Engerhafe ist aufgezeichnet im Inventarium der Kirche zu Engerhafe vom Jahre 1766. Damals erhielt er:
. Gld. Sch. Witt DM
Freie Wohnung im Schulhaus – – – –
Pacht aus 3 Dim. Meedland 15 – – 25,85
40,4 Pfd. Butter von den Höfen 9 1 2,5 16,32
3 Käse zu 12 Pfd. v.d. Marschhöfen 3 6 – 6,32
9 1/16 Tonnen Roggen v.d. Höfen 81 5 12,5 146,03
Krumstergeld von versch. Höfen 7 7 – 13,79
2 magere Gänse von 2 Höfen 1 5 – 2,69
Für Küster- u. Organistendienst 21 1 – 37,77
Gebühr für Singen bei Beerdigungen 2 7 – 4,84
An Schulgeld 85 – – 152,18
Zwischensumme: 227 2 15 405,79
ab Beitrag an Südbrokm. Deichacht 1 3 10 2,42
Jahrseinkünfte: 225 9 5 404,37
Das Inventarium für das Jahr 1807 weist folgende Jahreseinkünfte aus:
. Rtl. Stüb. Witt DM
Freie Wohnung im Schulhaus – – – –
Nutzung des kleinen Gartens – 27 – 2,39
Nutzung des großen Gartens 12 – – 58,06
Nutzung des Torf- und Leegmoores 18 – – 87,10
Nutzung der 3 Diemat Meedlandes 12 – – 58,06
für Küster- u. Organistendienst 9 14 – 44,79
Krumstergeld 3 2 – 14,69
9 1/16 Tonnen Roggen 72 27 – 350,77
40,5 Pfd. Butter 6 – – 29,03
3 Käse zu 15 Pfund 1 13 5 6,05
2 magere Gänse 1 26 – 7,15
Nutzung des Grases auf dem Kirchhof 1 27 – 7,23
Zinsen aus Stiftung Dinkgräfe 7 22 – 35,82
Schulgeld 75 – – 362,90
Verschiedene Gebühren 8 33 – 41,65
Entschädigung als Organist 7 44 – 42,42
Summe: 234 27 5 1.148,11
Die jährlichen Einkünfte um 1862 betrugen:
. Rtl. Gr. Pfg DM
Nutzungswert der Lehrerwohnung 10 – – 48,39
Nutzungswert des großen Gartens 9 – – 43,55
Nutzungswert des Hoch- u. Leegmoor 5 – – 24,19
Nutzungswert des Meedlandes 18 – – 87,10
Nutzungswert eines 2. Leegmoores 4 4 – 19,35
Entschädigung aus der Kirchenkasse 38 18 5 186,85
Krumstergeld 2 16 5 12,34
Sonstige Gebühren 2 – – 9,68
9 1/16 Tonnen Roggen 82 7 – 397,90
40 ½ Pfund Butter 10 24 – 52,26
3 Käse zu 15 Pfund 1 15 – 7,26
2 magere Gänse 1 15 – 7,26
Schulgeld 135 – – 653,23
Sonstige Gebühren und Abgaben 10 20 7 48,82
Zinsen aus Stiftung Dinkgräfe 7 12 2 35,84
Zwischensumme: 338 12 9 1.584,02
Hiervon ab Lasten und Abgaben 25 22 – 124,52
Jahrseinkünfte: 312 90 9 1.459,50
Der Wert der Naturalabgaben wurde aus einem 5-jährigen Durchschnitt der damaligen Marktpreise errechnet. Das Verhältnis zwischen den alten Münzwerten und der DM ist nach dem Silbergehalt der angegebenen Währungseinheiten berechnet worden. Für die Kaufkraft des Geldes besagen diese errechneten Werte nicht viel.
Zum Vergleich werden daher einige Preise und Löhne angegeben, die in der o. a. Zeit in Emden bezahlt wurden. Es sind 10-jährige Durchschnittspreise.
Es kosteten in DM: 1766 1807 1862
1 dz. Roggen 13,76 30,61 26,37
1 dz. Weizen 18,79 39,68 29,97
1 kg. Butter 0,95 2,15 2,71
1 kg. Käse 0,44 0,53 0,60
1 kg. Roggenbrot 0,18 0,29 0,27
1 kg. Rindfleisch 0,50 0,53 1,30
1.000 Mauerziegel 31,52 48,73 44,23
1.000 Dachziegel 36,56 74,94 58,06
Es verdiente in Emden:
1 Handwerker am Tag 1,94 3,10 3,06
1 ungelernt. Arbeiter am Tag 1,53 2,18 2,42
Stadtsekretär im Monat 33,55 38,95 250.00
Stadtdiener 29,90 38,24 82,26
Die Einkünfte des Nebenschulhalters in Oldeborg waren erheblich geringer als die des Lehrers in Engerhafe. Einmal gab es hier keine Naturalabgaben und Krumstergelder, auch entfiel der Lohn als Küster und Organist, und dann war auch kein Land vorhanden, das der Lehrer hätte bewirtschaften können. Dieser Nebenschullehrer war nur auf das Schulgeld und ein paar geringe Gebühren angewiesen. Alles in allem war es bitter wenig. 1792 stellten die Interessenten zu Oldeborg und Upende eine Schulordnung auf, in der die Einkünfte des Lehrers festgelegt wurden. Sie wird hier auszugsweise wiedergegeben:
„1) Da die Umstände und die ganze Lage der Communen Oldeborg und Upende es nicht erlauben, einen verheirateten Neben-Schulhalter anzunehmen, weil sie den nicht bezahlen können, haben sie beschlossen, einen Ledigen anzustellen. Will der sich verheiraten, muß er von seinem Dienst abtreten.
2) Der Neben-Schulhalter hat im Schulhause eine freie Wohnung, den Garten muß er so bearbeiten, daß an diesem kein Schaden entsteht.
3) Der Unterricht ist wöchentlich 5 ganze Tage, am Sonnabend nur vormittags.
4) Als Einkommen erhält er kein Fixum Salarium. Schulgeld von etwa 50-60 Kinder halbjährlich 1 Gulden oder 20 Stüber.
5) Ein Einschlagsgeld zu Ostern und Michaeli jedesmal 1 Stüber pro Kind. Im Winter von jeden Kind täglich 1 Torf oder das entsprechende Torfgeld.
6) Dazu das Geld von dem Neujahrssingen“
Im Inventarium von 1806 wird die Nutzung der Wohnung und des Gartens auf jährl. 5 Rtlr. Courant veranschlagt das Schulgeld nach einem 6-jährlichen Durchschnitt auf pl. m. 60 Rtl., das Neujahrssingen nicht, weil der Ertrag zu ungewiss ist. Die Kost verschafft der Schulmeister sich selbst, ein Reihetisch war nicht vorgesehen.
Als 1802 Ecke Mennen Jürgen Eilers seinen Dienst in Oldeborg antrat, beantragte er eine Erhöhung seines Einkommens. Die Interessenten lehnten dies ab, weil er den Dienst zu den hier bestehenden Bedingungen angenommen hatte. Ein Jahr später fragte Eilers beim Konsistorium an, ob ihm Schulgeld nach dem General-Landschul-Reglement zustehe, denn er bekäme nur 1 Gulden halbjährlich für jedes Kind. Im Auftrag des Konsistoriums berichtete Pastor Hoppe, Victorbur, daß eine Abmachung über die Zahlung eines geringeren Schulgeldes als das, was das Landschul-Reglement vorsieht, illegal ist und aufgehoben werden muss, weil sonst auch ein schlechter Schuldienst zu befürchten ist. Daraufhin wurden der Lehrer und die Schulaufseher in Aurich vernommen. Eilers gab zu, die Bedingungen, der Schulgemeinden angenommen zu haben, meinte aber, daß das Konsistorium ihm die gesetzliche Summe zusprechen könne. Die Schulaufseher aber wollten sich darauf nicht einlassen, weil sie dazu nicht bevollmächtigt seien. Sie legten eine Entschließung der Interessenten vom 4.9.1803 vor, in der es u. a. heißt: „… daß der Eilers mit dem Schulgehalt so zufrieden sein soll….“. Das Konsistorium verfügte am 8.9.1803:
„… die Commune auf das Allgemeine Landschulreglement zu verweisen, da die Schulordnung vom 2.8.1792 auch nur unter diesem Vorbehalt genehmigt worden ist.“
Als die Kinder aus Münkeboe 1817 ihre eigene Schule bekamen, bedeutete das für den Lehrer zu Oldeborg, daß ihm ein erheblicher Ausfall an Schulgeld drohte. Er protestierte heftig gegen die Einrichtung der neuen Schule. Da aber die Behörde diese für sehr notwendig erachtete, war Eilers zuletzt damit einverstanden, gegen eine jährliche Abfindung von 15 Rtl. die Münkeboer „… in Frieden ihres Weges ziehen zu lassen …“. Dieser Betrag wurde ihm ab 1. Januar 1818 in vierteljährlichen Raten aus der Königl. Intelligenzkasse gezahlt, musste jedoch alle Jahr neu beantragt werden, wobei der Pastor zu Engerhafe die Richtigkeit des Anspruchs bescheinigen musste.
Diese Abfindung ist an Eilers bis zu seinem Tode, 20. März 1839, gezahlt worden. Seinem Nachfolger wurde sie nicht mehr gewährt.
In der Chronik der Schule Oldeborg ist an einer Stelle vermerkt, daß der Lehrer Lubinus, der von 1840 bis 1887 in Oldeborg Lehrer war, sehr viel für die Schule getan hat. Ihm ist es nämlich zu verdanken, daß seine Schule von Engerhafe getrennt wurde. Dadurch ist den Kindern vom 12. Lebensjahr ab, der weite Schulweg nach Engerhafe erspart worden. Um das zu erreichen, hat er zu Gunsten des Lehrers zu Engerhafe sogar auf das Schulgeld verzichtet, das diese Kinder zahlen mussten.
Die Oldeborger Schule war ursprünglich nur für Kinder aus Oldeborg und Upende im Alter von 6 bis 10 Jahren, und später bis 12 Jahren zugelassen, alle älteren Kinder mussten nach Engerhafe gehen. Die weite Entfernung und die schlechten Wege zur Engerhafer Schule machten den täglichen Schulgang für viele Kinder fast unmöglich. Besonders die Kinder der armen Leute, die durchweg unter dem Mangel an ausreichender Nahrung und ordentlicher Bekleidung litten, fehlten daher oft in der Schule. Eine Besserung konnte nur erreicht werden, wenn alle schulpflichtigen Kinder aus Oldeborg und Upende in Oldeborg unterrichtet werden würden.
Es gab jedoch ein großes Hindernis, das zunächst überwunden werden musste: Der Widerspruch des Schulmeisters zu Engerhafe. Dieser hätte ja auf das Schulgeld von etwa 40 Schülern aus Oldeborg und Upende verzichten müssen. Sein Einkommen hätte sich dadurch erheblich vermindert. Der Staat gab damals nur in ganz besonders schwierigen Fällen Beihilfen. Trotzdem schlug Lubinus dem Konsistorium die Trennung seiner Schule von der Hauptschule zu Engerhafe vor und erklärte vor dem Konsistorium:
„…Ich habe bei meiner Eingabe an das Königl. Consistorium die Absicht gehabt, nicht bloß auf das Schulgeld, sondern auch auf das Einschlagsgeld und das Torfgeld, was ich nach den bisherigen Verhandlungen mir vorbehalten wollte zu verzichten. Der Schullehrer Ostermann wird zufolge meiner Erklärung jetzt alles behalten, was er bisher gehabt, und auch behalten zu wollen verlangt hat …“.
Da durch dieses großzügige Angebot des Lehrers Lubinus die Schwierigkeiten über die Entschädigung an Ostermann beseitigt waren, genehmigte das Konsistorium die Trennung der beiden Schulen. Die Kirchenkommission für die 2. luth Inspektion erließ folgendes
„Decret
Der Schullehrer Lubinus zu Oldeborg hat sich in einer an das Königl. Consistorium eingereichten Vorstellung erboten, diejenigen Schulkinder aus der Schulgemeinde Oldeborg/Upende welche nach der jetzigen Einrichtung zur Schule in Engerhafe pflichtig sind, so lange seine Dienstzeit als Schullehrer in Oldeborg dauert, unentgeltlich unterrichten zu wollen, und hat sich·in der abschriftlich anliegenden Protocoll vom 20. April 1849 darüber näher erklärt. Nachdem wegen dieses Gegenstandes den Königl. Consistorium Bericht erstattet worden, ist die Trennung der Oldeborg/Upender Schule von der Schule zu Engerhafe für die Dauer der Dienstzeit des Schullehrers Lubinus in Oldeborg genehmigt worden, wie aus dem in Abschrift anliegenden Rescript vom 3.dieses hervorgeht.
Wir machen dem Herrn Prediger Oepke in Engerhafe dieses hierdurch bekannt.
Aurich und Forlitz, den 15. Mai 1849.
Die Kirchenkommission für die 2. luther. Inspecktion
gez. Zimmermann. „
Diese Trennung galt zunächst nur für die Dauer der Amtszeit des Lehrers Lubinus, denn er konnte ;ja nur für seine Person auf das Schulgeld verzichten. Die·entgültige Trennung von Engerhafe, erfolgte am 12. Dezember 1872. Erst jetzt wurde die Oldeborger Schule ganz selbstständig. Die Schulgemeinde Oldeborg Upende hat aber an dem Lehrer in Engerhafe, dem Lehrer Kaiser bis zu seiner Dienstentlassung im Jahre 1889 jährlich 243,06 Mark Abfindung zahlen müssen.
Die Haupteinnahmequelle der Schulmeister war das Schulgeld, welches die Eltern für jedes ihrer Kinder dem Lehrer bezahlen mussten. Wie hoch dieses in Engerhafe in den Zeiten vor 1700 gewesen ist, lässt sich heute nicht mehr feststellen. In den letzten Jahren des Lehrers Cornelius Frerichs Tammen betrug es jedoch halbjährlich 7 Schaf 10 Witt, bzw. 15 Stüber für jedes Kind. Dies geht aus einem Schriftwechsel des Schulmeisters Enno Janßen mit dem Konsistorium hervor. Am 4.4.1761 schrieb er, daß ihm bei seinem Dienstantritt im Jahre 1749 zwar keine Unterlagen über die Höhe des hier gezahlten Schulgeldes übergeben worden seien, daß ihm jedoch „ein guter Gönner“ mitgeteilt habe, daß dieses halbjährlich für jedes Kind 1 Gulden betrage, also 20 Stüber.
Nun würde aber „gerüchtweise ausgesprengt“, daß früher nur 15 Stüber bezahlt worden seien. Deshalb beantrage er, die Einkünfte seines Vorgängers zu erfahren. Das Konsistorium forderte von den Predigern Auskunft über diese Sache an. Der Pastor Bangert legte daraufhin einige Quittungen aus der Armenkasse vor, die aus den Jahren 1720-1746 stammten. Danach sind in den ersten Jahren 1 Gulden, 2 Schaf, 5 Witt pro Kind gezahlt worden, später jedoch nur 15 Stüber. Der Pastor führte das darauf zurück, daß der „vormalige alte und fast abgelebte Schulmeister Cornelius Frerichs Tammen bey vermeldeter eigener Unfähigkeit zum Schulamte einigen dadurch einen Gefallen hat erweisen wollen.“ Pastor Reershemius meldete, daß „der vormalige Schulmeister im Winter nicht mehr als im Sommer halbjährlich 7 sch. 10 w. erhalten …“, also 15 Stüber.
Enno Janßen berichtete dem Konsistorium daraufhin, daß ihm 1749 halbjährlich 1 Gulden, sowie Tinte und Torf zugesichert worden seien. Zu den Einkünften seines Amtsvorgängers meinte er:
„… die Quittungen vermelden zwar, daß meinem Antecessor in seinen letzten Zeiten nur 15 Stüber bezahlet sey, wozu vermuthlich desselben hohes Alter, da er ein 80 jähriger geworden und besorget, daß, woferne Er darinnen der Gemeinde nicht zu Willen wäre, dieselbe darauf anhalten mögte, daß Er in emeritus gemachet würde, (zur Ruhe gesetzt würde) Anlaß gegeben haben mag.“
Wie die Sache ausgegangen ist, berichten die noch vorhandenen Akten nicht. Man darf aber annehmen, daß das Schulgeld auf 1 Gulden halbjährlich festgesetzt worden ist, denn noch 1767 baten die Warfs- und Arbeitsleute zu Engerhafe das Konsistorium, ihnen zu erlauben, das alte Schulgeld wieder zu bezahlen, wie es auch der Vorgänger des jetzigen Schulmeisters bekommen hatte, nämlich 15 Stüber.
Zu Ostern 1764 trat auch für die ostfriesischen Landschulen das Königlich-Preußische General-Land-Schul-Reglemant in Kraft, durch das auch die Zahlung, des Schulgeldes einheitlich geregelt wurde. Für Ostfriesland gab das Konsistorium zu Aurich am 4. Juli 1764 eine Bestimmung heraus, in der es heißt:
„… Als ist von Sr. Königl. Majestät, in Hoffnung, daß die Gemeinden aus Dankbarkeit für ihren Schulmeister von selbsten besorgt seyn werden, dessen hinlängliches Auskommen auf alle thunliche Weise zu befördern, allergnädigst gut befunden und genehmiget, daß in dieser Provinz auf dem Lande das Schulgeld im Winter und im Sommer in jeder Woche, da würklich Schule gehalten wird, und keine Ferien sind, für jedes Kind, so lange es noch nicht schreiben lernet, auf Einen Stüber, wenn es schreibet, auf Anderthalb Stüber; und wenn es zugleich im Schreiben und Rechnen unterrichtet wird, auf Zwey Stüber, in gegenwärtigen guten Münz-Sorten, vestgesetzet werden soll.“
Trotz all dieser genauen Bestimmungen gab es in den Gemeinden aber noch allerhand Unklarheiten, die zu heftigen Beschwerden Anlass gaben. Die Warfs- und Arbeitsleute zu Engerhafe beschwerten sich am 6. Januar 1767 zunächst, einmal über die rücksichtslose Art und Weise, mit der der Lehrer Enno Janßen die rückständigen Schulgelder eintrieb. Dann baten sie um Erlaubnis, ihre Kinder im Sommer zu Hause lassen zu dürfen, damit sie ihnen bei der Arbeit helfen könnten. Zum Dritten aber baten sie darum, das alte Schulgeld von 15 Stüber wieder bezahlen zu dürfen.
Das Konsistorium lehnte den Antrag ab, weil er im Widerspruch zum General-Landschul-Reglement stand, nach dem die Eltern verpflichtet waren, ihre Kinder im Sommer und im Winter zur Schule zu schicken. Ebenfalls musste das festgesetzte Schulgeld bezahlt werden. Auch in Victorbur und in Wiegboldsbur hatte man sich beschwert. Alle Beschwerden wurden von der Regierung untersucht und dem Ministerium in Berlin vorgetragen. Dieses befahl dann dem Konsistorium zu Aurich, das Schulwesen in Engerhafe und den benachbarten Kirchspielen in Ordnung zu bringen.
Am 17. November 1768 erließ das Konsistorium die „Verordnung wegen des Schulwesens in den Communen Engerhafe, Victorbur und Wiegboldsbur“ in der es heißt:
„Seine Königliche Majestät in Preußen, unser allergnädigster Herr, haben nach geschehener Untersuchung der von den Communen Engerhafe, Victorbur und Wiegboldsbur wegen des dortigen Schulwesens bey dem Königlichen Hoflager angebrachten Beschwerden, die ganze Sache bey dero Ministerio vortragen laßen, und wird auf ergangenen höchsten Special- Befehl, denen gedachten Communen sowohl, als auch deren Predigern und Schulmeistern daselbst, nunmehro hiedurch zur Resolution nnd Nachachtung gemacht:
1. wird den drei Communen befohlen, das General-Landschul-Reglement und die sich darauf beziehenden Verordnungen genau zu befolgen, zumal die meisten Klagen daher rühren, daß diese Verordnungen nicht genau beachtet wurden. Die vormalige „Unordnung und willkürliche Zurückhaltung der Kinder“ darf nicht wieder einreißen.
2. Alle Kinder vom 5. Jahre an bis zum 13. oder 14. Jahr haben den ganzen Winter hindurch die Schule zu besuchen, im Sommer zumindest ein paar mal in der Woche. Wenn dies nicht geschieht, muß das Schulgeld trotzdem bezahlt werden. In Ausnahmefällen, bei Krankheit der Kinder oder ihrer Eltern, in der allergeschäftigsten Zeit, wenn die Arbeit der Kinder zu Hause unbedingt notwendig ist, oder aber wenn im Winter die Entfernung zur Schule zu groß und die Wege dorthin zu schlecht sind, können die Eltern von der Zahlung des Schulgeldes für diese Zeit befreit werden, wenn die Prediger die Richtigkeit solcher Gründe bescheinigen.
3. Die concedierten Nebenschulen zu Oldeborg, Upende und Moorhusen im Kirchspiel Engerhafe und die zu Theene im Kirchspiel Victorbur werden bestätigt. Die Hauptschulmeister sind nicht befugt, das Schulgeld für die Kinder zu fordern, welche die Nebenschulen besuchen.
4. Die Zahlung des Schulgeldes hat nach der Deklaration vom 4. Juli 1764 zu erfolgen. Die Schulmeister müssen es wöchentlich einziehen und nicht für alle halbe Jahr auf einmal. Auch der Brauch, daß von jeden Kinde alle Morgen 1-2 Stück Torf zur Schule mitgenommen wird, soll bestehen bleiben.
5. Endlich werden die Schulmeister noch einmal daran erinnert, bei der nötigen Zucht und Disziplin jedoch „Mäßigung und Gelindigheit zu gebrauchen“, die Kinder „mit Sanftmut und Liebe zu bestrafen, keineswegs aber durch harte Worte und Schläge an ihrem Gemüthe zu verletzen.“
Die Eltern und Vormünder werden nachdrücklich darauf hingewiesen, die Kinder „in ihrer Unart und Widerspenstigkeit nicht zu stärken, viel weniger sie gegen die Schulmeister aufzuhetzen und in Verbitterung zu bringen; vielmehr von beyden Seiten den gemeinsamen Zweck und Pflicht vor Augen zu behalten, daß aus ihren Kindern nützliche Pflanzen zur Ehre Gottes, und Beförderung der gemeinen Wohlfahrt, erzogen werden mögen.“
Nun war der Weg frei für eine besser funktionierende Schule, und schon im Schul-Catalog von Ostern bis Michaelis 1769 kann man lesen: „… Prediger werden mehr und mehr gewahr, daß die Eltern nachgebender und von der Absicht der so heilsamen Schul-Ordnung beßer überzeuget werden …“.
Ab Michaelis 1769 betrug das Schulgeld für ein Kind im Winter wöchentlich
„solange es noch nicht schreiben lernt“ 1 Stüber,
„wenn es schreibt“ 1 1/2 Stüber,
„wenn es schreibt und rechnet“ 2 Stüber,
in den Sommermonaten aber nur 2/3 dieses Satzes.
Dieses Schulgeld wurde mehr als 100 Jahre lang erhoben. Es änderte sich nur infolge der wechselnden Landesherrschaften und deren Münzen, blieb im Wert aber fast gleich. Am 20. Februar 1823 erließ das Königl. Hannoversche Konsistorium zu Aurich eine Verordnung über die Erhebung des Schulgeldes.
Dieses betrug wöchentlich:
a) für einen Schüler der buchstabiert u. liest: 7 Pfg.
b) für einen Schüler der schreibt: 10 Pfg.
c) für einen Schüler der rechnet: 12 Pfg.
Auch hier wird bestimmt, daß das Schulgeld wöchentlich bezahlt werden soll, um den „ärmeren Volksclassen“ die Zahlung zu erleichtern. Trotz dieser Bestimmungen war es jedoch nicht festgelegt, wann ein Schüler zum Schreiben oder Rechnen übergehen und somit ein etwas höheres Schulgeld zahlen sollte. Es hieß nur:
„Die nähere Bestimmung, wann Kinder zum Schreiben oder Rechnen übergehen sollen, bleibt, nach dem Ermessen und Rath des Schullehrers, dem Gutfinden und Umständen der Aeltern, ohne einigen Zwang überlassen.“
Durch diese Anordnung werden gewiss manche Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Lehrern entstanden sein; denn wenn nach Ansicht der Lehrer die Kinder einen besseren Unterricht erhalten sollten, weil sie dazu reif waren, konnten die Eltern dies verhindern, wenn sie das höhere Schulgeld nicht bezahlen wollten oder konnten. Den Schaden hat dann immer das betroffene Kind gehabt.
Erst 1853 wurde dieser Absatz insofern abgeändert, daß er nur noch für Kinder bis zum 10. Lebensjahr bestehen blieb. Dann aber hieß es: „Vom 10. Lebensjahr an sind alle Schulkinder zur Theilnahme am Schreib- und Rechen-Unterricht und zur Zahlung eines auf 11 Pfg. wöchentlich ermäßigten Schulgeldes verpflichtet.“
Am 26. Mai 1845 wurde in Hannover das „Gesetz, das christliche Volksschulwesen betreffend“, erlassen, das das bis dahin immer noch geltende Preußische General-Landschul-Reglement ablöste. Nun wurde auch erstmalig ein Mindesteinkommen für jede Schullehrerstelle festgesetzt, und zwar betrug dieses „30 Thaler, wenn ein vollständiger Reihetisch damit verbunden ist, ohne dessen Anrechnung, dagegen 80 Thaler, wenn ein solcher nicht damit verbunden ist.“ Das Schulgeld sollte nun mindestens 1 Rtl. jährlich für jedes Kind betragen. 1856 wurde das Diensteinkommen auf mindestens 150 Rtl, erhöht.
Bis zum Jahr 1849 mussten die Lehrer ihr Schulgeld von den Zahlungspflichtigen selber einsammeln. Dann wurde eine Verordnung erlassen, nach der das Schulgeld von den Schulvorständen ohne Kosten für die Lehrer eingezogen werden sollte.
Im Juni 1857 wurde im Königreich Hannover durch ein neues Münzgesetz die reine Silberwährung als Landesmünzfuß und in der Münzeinteilung das Dezimalsystem eingeführt. Ein Taler hatte nun nicht mehr 12 sondern 30 Groschen, ein Groschen statt bisher 12 nunmehr 10 Pfennige. Das Schulgeld betrug jetzt für einen Leseschüler 8 Pfg. und für einen Schreib- und Rechenschüler 12 Pfg. in der Woche. Dabei blieb es bis zur Aufhebung des Schulgeldes für Volksschulen.
Am 29. April 1882 erließ der Minister für geistliche etc. Angelegenheiten in Berlin eine Empfehlung, das Schulgeld zu beseitigen oder zu ermäßigen, weil es eine Einrichtung sei, „welche vorzugsweise die ärmeren, vornehmlich oft ausschließlich auf die Benutzung der allgemeinen Volksschule angewiesenen Classen der Bevölkerung in unbilliger Weise belastet und bedrückt …“.
Aber erst durch das „Gesetz, betr. die Erleichterung der Volksschullasten vom 14. Juni 1888“ wurde das Schulgeld abgeschafft. Dafür wurde den Schulverbänden aus der Staatskasse ein jährlicher Beitrag zum Diensteinkommen der Lehrer überwiesen.
Das offizielle Diensteinkommen eines Schulmeisters in den alten Zeiten war sehr mäßig, es sei denn, er war zugleich Küster und Organist seiner Gemeinde. Auch die für diese Tätigkeiten gezahlten Vergütungen waren durchaus nicht überall gleich hoch, denn es gab reiche und arme Gemeinden. Die Nebenschulhalter waren noch schlechter gestellt.
Die Lehrer waren daher oftmals gezwungen, sich nebenbei noch etwas zu verdienen. Das traf auch für die Engerhafer Schulmeister zu. Es gab Zeiten, in denen sie sogar bei Bauarbeiten an der Kirche mithalfen, um ihr Einkommen etwas aufzubessern. So berichtet die Kirchenrechnung aus dem Jahre 1605:
„… und Johannis Kosters Dochter Jette vor plegen des dages 6 schap.“
1608:
„Item damals Johannis Koster gepleget und verdehnet 3.3.0“ (3 Gulden, 3 schaf für 5 halbe Tage).
Dieser Johannis van Dinghlage war auch als Buchführer der Armenvorsteher tätig, es liegen hier noch zahlreiche Darlehensurkunden vor, die er beglaubigt hat.
Der Schulmeister Enno Janßen (1749-1771) hat auch alles mögliche versucht, sein Einkommen aufzubessern. Zunächst hat er einen Kramhandel angefangen, dann handelte er mit Hafer, Roggen, Flachs und Vieh, und zuletzt beteiligte er sich an der Eindeichung des Leysander-Polders. Dem Schuldienst gab er auf, nachdem er die Bauaufsicht über den Westerburer-Polder bekommen hatte. Derartige Nebentätigleiten wurden durch das Preußische Landschulreglement verboten, weil dadurch der Schuldienst natürlich vernachlässigt wurde. Als die Einwohner sich über ihn und sein Verhalten beschwerten, schrieb Janßen einen Brief an das Konsistorium, in dem er u.a. ausführte:
„…es ist unwahr, daß mein Antecessor (Vorgänger im Amt) sich blooß vom Schuldienste ernähret hat; sondern es ist mehr als bekand, daß derselbe bey allen Gelegenheiten und Bierschaften mit der Geige aufgewartet, auch sonst allerley Hand Arbeit gethan und dadurch seinen Unterhalt sich erwerben müßen; welches aber nach dem Königl.-Land-Schul-Regl. von einem Schulmeister nunmehro weder geschehen kan noch darf …“.
Daraus geht hervor, daß auch der Schulmeister Cornelius Frerichs Tammen Nebeneinnahmen hatte, indem er außer anderen Arbeiten auch bei festlichen Gelegenheiten Musik machte. Dass die Schullehrer als schreibkundige Leute den Einwohnern auf Verlangen Briefe und Verträge aufsetzten und schrieben, um sich auf diese Weise einen kleinen Nebenverdienst zu verschaffen, darf auch für den hiesigen Bereich als sicher angenommen werden. 1820 erließ das Konsistorium zu Aurich ein Rundschreiben an alle Superintendenten, in den den Schulmeistern solche Einnahmen ausdrücklich gestattet wurden. In dem Rundschreiben heißt es: „… Dagegen ist den Schullehrern in ihrer bekannten, großentheils sehr bedürftigen Lage ein erlaubter Neben-Verdienst durch Anfertigung von solchen als oben angeführten Vorstellungen und Gesuchen sehr wohl zu gönnen und dies um so mehr, da auch die einzelnen Glieder der Gemeinen, in derer Mitte sie wohnen, in vielen Fällen eine Erleichterung darin finden werden, sich in den erlaubten Fällen der Feder ihrer Schulmeister bedienen zu können …“.
Der Schullehrer Ostermann hat für die Gemeinde viele Schreibarbeiten ausgeführt, so z. B. auch in der französischen Zeit die Zivilstandsprotokolle der Mairie. Sein Sohn hat neben der Schule eine recht stattliche Landwirtschaft betrieben. Zu seinem Küsterland hat er noch 7 Diemat Land angekauft. 1849 bewirtschaftete er 10 Diemat und hielt 4 Kühe, 2 Kälber, 2 Schweine und 1 Pferd. Auch Lehrer Lubinus in Oldeborg besaß Land, von dem 1888 die Schulgemeinde 2 ha als Lehrerdienstland erwarb. Seit 1848 aber regelte der Staat immer mehr die Gehälter der Lehrer, so daß deren Abhängigkeit von den örtlichen Verhältnissen und von der Gunst und Einsicht der Schulvorstände endlich gelöst werden konnte.
Die ältesten Schulen in Ostfriesland, auch auf den Dörfern, vermittelten ihren Schülern nicht nur Kenntnisse im Lesen, Schreiben und vielleicht auch im Rechnen, sondern auch in der lateinischen Sprache. Diese war wichtig, weil sie in der Kirche, in den Kanzleien und an den weiterführenden Schulen gebraucht wurde. So heißt es in der Ordinanz des Grafen Enno II. von 1535: „… und die Schulmeisters in unsen landen schoelen de·kinderen nicht allene de duitssche Sprake, sunder ock de latynssche leren. … Wat in sulcken scholen schal gelesen weerden, willen wy den superattendenten to ordineren bevelen.“
Die Obrigkeiten aller Staaten haben immer großen Wert darauf gelegt, daß die Jugend zu gehorsamen Staatsbürgern erzogen wurde. Aus diesem Grunde gehörte die Schule zur Kirche und der Unterricht wurde durch das Konsistorium beaufsichtigt. Auch die Fürstin Christine Charlotte erließ am 14. Oktober 1676 eine Kirchen-Visitations-Verordnung, in der sowohl die Schulpflicht der Kinder als auch die Schulaufsicht durch die Ortsgeistlichen und durch das Konsistorium angeordnet wurde. In den Dorfschulen wird der Unterricht in der lateinischen Sprache bald nach Festigung der Reformation, wohl nicht mehr erteilt worden sein. Neben Lesen, Schreiben und Rechnen wurde größter Wert auf die Erziehung der Kinder im christlichen Glauben gelegt. Bibel, Gesangbuch und Katechismus waren die Bücher, die auch zum Erlernen des Lesens und Schreibens dienten. Wie in den älteren Zeiten in der Engerhafer Schule unterrichtet wurde und welche Bücher man dazu gebrauchte, ist im einzelnen nicht mehr bekannt. Erst aus den jährlichen Schulkatalogen, die ab 1764 angelegt werden mussten, kann man die Unterrichtsfächer und die dafür verwendeten Schulbücher ersehen.
In den hiesigen Schulen waren die Kinder nach den Vorschriften des Allgem.- Landschul-Reglements in 3 Klassen eingeteilt, die in folgenden Fächern unterwiesen wurden:
1764:
3. Klasse: Buchstabieren im Psalter und Sirach,
die kleinen Kinder: lernen die Buchstaben und den kleinen Katechismus.
2. Klasse: Schreiben und fangen an zu schreiben,
Mittlere Klasse: lesen in der Bibel, im Sirach und Psalter, katechisieren.
1. Klasse: Rechnen und schreiben, lesen in der Bibel,
Größere Kinder: lesen geschriebene Sachen, holländisch u. hochdeutsch.
Alle lernen monatlich neue Lieder, Bibelsprüche und Psalmen. Für den Unterricht werden benutzt: Bibel, luth. Katechismus, Hübners Biblische Geschichten.
1772: wird zusätzlich das Berliner ABC-Buch erwähnt,
1773: lernen die Kinder im Rechnen Zahlen und Nummerieren, die 4 Species
(Addition, Subtraktion, Multiplikation und Dividieren) und Regel de Trie.
1809/1810 heißt es im Katalog: Lesen in der Bibel auch holländisch.(Damals gehörte Ostfriesland zu Holland).
Von 1811 bis 1818 wurden keine Schulkataloge geführt. Erst die Hannoversche Regierung ordnete deren Vorlage ab 1819 wieder an. Die Unterrichtsfächer blieben dieselben wie in der älteren Zeit, wurden jedoch nach und nach verbessert und vermehrt. Auch weitere Schulbücher kamen hinzu.
1819: Übungen in Bibel, Gesangbuch, Hann. Katechismus, Kopfrechnen.
1823: Naturgeschichte, Hann. Briefsteller, Psalter, ABC-Buch und Rechenbücher. Dazu bibl. Geschichten v. Hübner.
Am 26. Mai 1848 wurde das „Gesetz, das christliche Volksschulwesen betr.“ erlassen, durch das im Königreich Hannover die Volksschule in einen damals modernen Zustand gebracht werden sollte. Das wirkte sich auch auf den Unterricht in den hiesigen Schulen aus:
1855 Fächer: Buchstabieren, Lesen, Schreiben, Rechnen, Religion, Geographie, Orthographie, bibl. Geschichte, Geschichte, deutsche Sprache und Singen.
1855 Bücher: Bibl. Geschichten, Bibel, Gesangbuch, Katechismus, ABC- und Fibelbuch, Lesebuch, Geschichtsbuch, Rechenbücher, Melodienbuch zu Luth. Gesangbuch von Dr. Krüger.
1857 Fächer: Lesen, Schreiben, Rechnen, deutsche Sprache, Religion, Weltkunde, Singen.
1857 Bücher: Bibel, Katechismus, Gesangbuch, Ostfries. ABC- Buch, Fibel, Rechenbuch, Lesebuch, Atlas und Beschreibung Palästinas.
Am 15. Oktober 1872 traten die „Allgemeinen Bestimmungen betr. das Volksschul-, Präparanden- und Seminar Wesen“ in Kraft. Durch diese Verordnung wurde die Einrichtung, Aufgabe und das Ziel der Preußischen Volksschule neu geregelt, darunter natürlich auch die Unterrichtsfächer und die Lehrmittel. In den hiesigen Schulen gab es nun folgende Fächer und Bücher:
1873 Fächer:
Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen, deutsche Sprache, Erdkunde, Naturkunde, Geschichte, Singen, Zeichnen, weibliche Handarbeiten, Turnen.
1873 Bücher: Bibel, Katechismus, Fibel, Lesestoff, Norddeutsches Lesebuch, Rechen- Exempelbuch I und II, Bibl. Geschichten, Volks-Atlas, Beschreibung Palästinas.
In der nun folgenden Zeit waren die jeweiligen staatlichen Vorschriften für den Unterricht und für die Lehrmittel maßgebend. Von nun an begann für die Landschulen ein neuer Abschnitt, der vom Staat geleitet wurde, und der bis zu den heutigen großen Mittelpunktschulen geführt hat. In Engerhafe gibt es keine Schule mehr, in Oldeborg nur eine Grundschule. Eines aber darf nicht vergessen werden:
Die alten Schulen und ihre Lehrer haben unter den sehr oft kümmerlichen äußeren Umständen hervorragend gute Arbeit geleistet. Sie haben das Fundament gelegt, auf dem unser heutiges Dasein ruht.