Gedenkstunde am 23.10.2011 18 Uhr in der Kirche Engerhafe
Eingangsmusik (Collegium musicum Aurich)
Begrüßung (Pastor Dr. Detlef Dieckmann-von Bünau)
Seien Sie alle herzlich begrüßt zu dieser Gedenkstunde in der Kirche in Engerhafe. An diesem Sonntag sind Sie hierher gekommen, aus der Nähe und aus der Ferne, damit wir gemeinsam an die 188 Menschen erinnern, die hier in Engerhafe bis zu zwei Monate gelebt haben und hier den Tod gefunden haben.
Es sind Menschen aus anderen Regionen Deutschlands und Ostfrieslands hier, aus anderen Orten. Aus Aurich ist Superintendent Tido Janssen gekommen und wird gleich sagen, warum er hier ist, ebenfalls aus Aurich kommt das Collegium musicum, das dieser Gedenkstunde einen feierlichen Rahmen gibt. Aus der näheren Umgebung kommen viele derer, die diese Veranstaltung mit vorbereitet haben wie Pastor i. R. Carl Osterwald, der das Totengedenken sprechen wird und Georg Koschnick, der das Hinaustragen der 188 Kerzen begleiten wird. Und nicht zuletzt sind viele gekommen, die hier in Engerhafe leben und wohnen, wie Herbert Müller, dessen künstlerische Arbeit an diesem Thema wir hier in der Kirche und im Alten Pfarrhaus sehen und wie Sie alle, die zu dieser Gemeinde gehören.
Einmal im Jahr, am Ewigkeitssonntag, feiern wir in dieser Kirche einen Gottesdienst, in dem wir die Namen der im letzten Jahr Verstorbenen verlesen. Damit nehmen wir uns Zeit, noch einmal an die Menschen zu erinnern, die wir verloren haben und die uns fehlen, und wir drücken unseren Glauben aus, dass diese Menschen nicht nur bei uns, sondern auch bei Gott über dieses Leben hinaus ihren Namen behalten. Für jeden dieser Verstorbenen zünden wir eine Kerze an und bringen damit unsere Hoffnung zum Ausdruck, dass Gott den Verstorbenen ein Licht und eine Geborgenheit schenkt, die wir ihnen nicht mehr geben können.
Wir wissen nicht, ob und wie 1944 und in den folgenden Jahren derer gedacht wurde, die hier im KZ zu Tode gebracht wurden. Wir haben in den letzten Jahren sehen können, dass es sich im Laufe der Jahre viele Menschen zur Aufgabe gemacht haben, an die 188 Opfer und ihre Geschichte zu erinnern.
Ab heute wollen wir dies einmal im Jahr tun, indem wir an einem jener Tage, in denen sich die Einrichtung des Außenlagers jährt, die 188 Namen der hier Verstorbenen verlesen und für jeden von ihnen eine Kerze anzünden.
Wir tun das, indem wir die Totenzettel verlesen, also die Zettel, auf denen die Namen der Toten nach ihrem Sterbetag notiert wurden.
Damit leihen wir den 188 Opfern einmal im Jahr unsere Stimme, damit ihr Name vor uns allen und vor Gott erklingt. So wollen wir uns daran erinnern, dass jeder dieser Namen für einen Menschen steht:
Für einen Menschen, der eine Mutter und einen Vater hatte, wie wir; der etwa verheiratet war und Kinder hatte, der einen Beruf hatte, der hier gelebt hat wie viele von uns – und der hier gestorben ist, weil er unter Bedingungen leben und arbeiten musste, die wir uns fast nicht vorstellen können. Indem wir jeden Namen aussprechen, erinnern wir Gott und uns an einen Menschen, der hier gestorben ist, weil ihm hier seine Würde und sein Leben genommen wurde.
Für die Toten selbst können wir nichts mehr tun. Die Würde, die ihnen damals genommen wurde, können wir ihnen nicht zurückgeben. Aber: Wir können ihre Namen bewahren, indem wir sie nennen. Und damit an ihre Würde erinnern. Wir können heute eine Kerze in die Hand nehmen, auf der einer der 188 Namen steht und uns vorstellen: Das war ein Mensch wie ich und können diese Kerze zum Friedhof tragen, mit der Trauer, dass dieser Mensch hier sterben musste, mit der Hoffnung, dass sich das woran wir erinnern, nie wiederholt, und mit der Bitte um Frieden für diesen Menschen und für uns.
Warum ich hier bin (Superintendent Tido Janssen)
Musikstück (Collegium musicum)
Totengedenken (Pastor i.R. Carl Osterwald, Vors. des Vereins Gedenkstätte KZ Engerhafe)
Musik aus der Solo-Kantate „Aus der Tiefe rufe ich Herr zu dir“ von Gottfried Heinrich Stölzel
Rezitativ
Aus tiefer Not schrei ich zu dir. / Herr Jesu, neige doch zu mir / die Ohren deiner Güte / und tröste mein Gemüte. / Viel liegt mir an, viel drückt mich auf dem Herzen, / wo sonst kein Mittel nicht die Schmerzen, / als deine Hilfe stillen kann. / Ach Auge, welches alles siehet, / willst du denn nicht / auf mich Verlassnen blicken? / Ach, Hand, die alle Müden zu sich ziehet, / willst du mich nicht erquicken? / Ach, Mund, der alle Müden tröstet, / sprichst du mir keinen Trost nicht zu? / Ach Herz, das gegen alle bricht, / bist du denn mir / noch härter als ein Stein? / Soll ich der erste sein, / des du dich nicht / in Nöten angenommen? / Wie könnte Jesu, dir, / das zu Gedanken kommen?
Arie
Aus der Tiefe rufe ich, Herr, Herr, zu dir, / erhöre meine Stimme.
Verlesung der Namen und Entzünden der Kerzen (Prof. Dr.-Ing. Georg Koschnick); Auszug aus der Kirche mit den Lichtern, währenddessen Musik
Bitte um Segen auf dem Friedhof (P. Dieckmann)
Wir stehen hier, um Gott um seinen Segen bitten.
Wir schauen auf die 188 Kerzen und fragen uns, wo der Segen Gottes damals, 1944, gewesen ist. So bitten wir Dich, Gott, wende dich zu denen, die hier elendig gelebt haben und begraben wurden wende allen zu, die heute traurig sind. Wende dich uns zu und schenke uns allen deinen Frieden. Amen