In den Kirchenbucheintragungen des 17. und 18. Jahrhunderts findet man des Öfteren Begebenheiten, die es dem Kirchenbuchführer wert waren festgehalten zu werden. Im Jahr 1696 findet sich folgender Eintrag bei den Verstorbenen und Begrabenen:
„Emcke Mennen d. 17. Nov. begraben. Weil er aber niehmals sich des Hl Abendmahls gebrauchet ist Er so beerdiget hatte auch nicht sollen verläutet werden haben etliche der Nachbarschaft gewaltthätiger Weise solches verrichtet.“
(Emcke Mennen am 17. Nov. begraben. Weil er niemals am Abendmahl teilnahm, ist er ohne Gesang und Predigt beerdigt worden, auch die Kirchenglocken sollten nicht geläutet werden aber die Nachbarn haben es mit Gewalt erzwungen.)
Abbildung: Beerdigungseintrag des Emcke Mennen, 1696.
Dieser Eintrag ist sehr ungewöhnlich und man findet derlei selten. Hier wurde dem Leichnam des Emcke Mennen vom damaligen Pastor eine christliche Beerdigung verweigert. Dieses war ein einmaliger Vorfall, hier müssen also gewichtige Gründe vorgelegen haben, die zu dieser für damalige Verhältnisse schwerwiegenden Entscheidung geführt haben.
Einen genauen Grund für die Verweigerung der christlichen Beerdigung wird man nach über 300 Jahren nicht mehr nennen können. Es soll hier versucht werden, mögliche Gründe dafür zu untersuchen und zu nennen.
Eine weitere Besonderheit begegnet uns später bei der Namengebung seiner Enkel. So besonders, dass Manno Peters Tammena in seinem Buch: Namengebung in Ostfriesland auf Seite 221 über diese Namengebung schreibt. Der erstgeborene Sohn seines Sohnes Hilrich, erhielt nämlich den Namen des Urgroßvaters. Der müsste, so wird von Tammena angenommen, Menne Emckes geheißen haben. Die Erhaltung des Namens Menne muss nach Tammena für diese Familie wichtig gewesen sein. Weil die ersten Söhne mit dem Namen Menne schon früh verstarben, wurde die Namengebung noch zweimal wiederholt. Dazwischen wurden noch weitere zwei Söhne geboren, einer erhielt den Namen des Großvaters mütterlicherseits, der andere den Namen des Großvaters väterlicherseits. Erst der fünft geborene Sohn kann dann schließlich doch den Namen seines Urgroßvaters väterlicherseits tragen und ihn weitergeben.
Die Umstände bei der oben genannten Beerdigung hatte noch weitere Folgen. Die beiden Pastoren der Kirchengemeinde Engerhafe haben sich beim Fürst Christian Eberhard, der auch das Oberhaupt der Kirche war, wegen des Verhaltens der Nachbarn beschwert. Im Niedersächsischen Staatsarchiv in Aurich liegt unter Rep. 138 I 677 eine 26-seitige Akte über diese Klage. Die erste Seite beinhaltet den Klagetext der beiden Pastoren:
Durchleuchtigster Fürst, gnädigster Fürst und Herr!
Eurer hochfürstlichen Durchleuchtigkeit sey hiermit unser gehorsahmster dienst und pflicht sambt demüthigstem Gebet zuvor! Und können wir Eurer hochfürstl. durchl. getreue Prediger zu Engerhoffe nicht vorenthalten, sondern müßen in tieffster Unterthänigkeit berichten; waß gestalt neulichen Zeit ein sechzigjährige[r] Mann, nahmens Embcke Mennen, in diesem Kirchspiel zu Upende wohnhafft, verstorben: Es ist aber, welches zu beklagen, vorberührter Embcke Mennen, obgleich wir Prediger und andre so vor uns gewesen, selbigen bey guthen Tagen vielmahlß und zum öfftern vermahnet, sich wie einem Christen gebühret anzuschicken, niemahlß zum H. Nachtmahl gekohmen und auch [… Seite beschädigt] ohne eintziege Begirde darnach zu haben, hingeraffet worden. Weilen den allen Orten […] würdige Constitutiones dahingehen in dergleichem Falle einen solchen Unmenschen nicht mit sonst üblichen Ceremonien zu begraben, und unsere hochlöbliche Kirchen-Ordnung pag: 198.v.139. uns selbst dazu verpflichten wollen; Alß haben auch wir selbiegen zu beprediegen, zu besingen oder verläuten zu laßen bedencken getragen, auff daß da möchte ein Unterschiedt sey zwischen dem der Gott gedienet und der ihm nicht gedienet, vornemlich aber, weilen nach hier unterschiedlich solche Leute vorhanden, damit die möchten zu anderen Gedancken gebracht werden, weilen leider viel verruchte Menschen mehr zeitliches Schimpff, als ewiegen Schaden betrachten! Und ist auch drauff, da er am Freytag den 27. November begraben worden, daß Prediegen nachgeblieben, daß Singen und läuten dem Küster verbothen, und, da etwa die Nachbahren im Kirch-Thurm kommen und selbst läuten wollten, ihm befohlen die Thüre zu schließen und nicht zu eröffnen. Ob man nun gleich gemeinet, es würde dieser, wie sonsten woll zuvor alhier geschehen, auch dieses Mahl ohne Auffruhr passiren: So haben dennoch etliche verwegene Leute von des verstorbenen Nachbahrschafft, den Küster fast zu Eröffnung des Glockenthurmes gezwungen undt […] gewaltthätieger Weise durch eine Leiter hineingestiegen, haben auch drauff die Glocke angezogen und da man drüber zugekommen, und sie befraget, wer sie dazu beordert, und wer unter ihnen sich solcher Gewald unternehmen dürffe, hat man nebst anderen freventlichen Worten zur antwort hören müßen, sie thäthen es alle, und haben also sich nicht hindern noch einreden laßen, sondern mit dem Läuten angehalten.
Weilen nun dieses von solcher Consequence so wir wollen nicht sagen, daß wir arme Prediger darhing beschimpfet und unser Ambt darhing gelästert wird: daß auch die jura […]
Engerhoffe, den 29. Nov. 1696
Unterthänigste Knechte und Vorbittere bey Gott
Heinrich Wolcken, P.
Christoph: Henning Past:
Zu Zeiten dieser hier geschilderten Beerdigung im Jahr 1669 war der Ablauf anders, als wir es heutzutage kennen. Diese Praxis wurde mindestens noch bis in die 40-ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts fortgeführt. In einem Visitationsbericht aus dem Jahr 1935 der Kirchengemeinde Engerhafe, schildert Cornelius Eberhard Schomerus, der vom 31. August 1930 bis zum 31. Oktober 1941 Pastor in Engerhafe war, folgenden Ablauf:
„Eine Beerdigung vollzieht sich in drei Teilen. Zuerst findet eine Trauerfeier im Sterbehaus statt, die von dem Gesang der Kinder unter Leitung des Organisten umrahmt wird. Nach Schriftlesung wird eine freie Rede gehalten, die mit einem freien Gebet schließt.
Der zweite Teil ist am Grab und besteht in Friedenswunsch, Bestattungsformel I, Vaterunser und Segen. Alles wird wieder umrahmt durch den Gesang der Kinder.
Zum Abschluss der Beerdigung geht die Trauergemeinde (ohne die Kinder) in die Kirche, wo eine Leichenpredigt gehalten wird. Im Allgemeinen bringe ich in der häuslichen Feier mehr das Persönliche und in der Predigt in der Kirche die christliche Botschaft über Tod, Gericht und Ewigkeit und über den Überwinder des Todes und den Glauben an ihn.“
Hier schildert der Pastor die Beerdigung wie sie früher aus kirchlicher Sicht durchgeführt wird. Auch bei den Angehörigen und Nachbarn war der Umgang mit dem Toten und deren Beerdigung eine ganz andere als heute.
So wurden gleich bei Bekanntwerden eines Todesfalls die Nachbarn durch einen Dodenbidder verständigt. Abends trafen sich die Nachbarn im Totenhaus, wuschen den Leichnam und zogen ihm den Sonntagsanzug an. Daraufhin wurde der Tote in den Sarg gelegt (inleggen, einsargen). Dabei war auch der Pastor anwesend und der Tote wurde eingesegnet. Die Leiche wurde in der Schlafstube oder manchmal auch in der guten Stube aufgebahrt.
Spätestens am Beerdigungstag wurde von den Nachbarn das Grab ausgehoben. Einen Totengräber gab es 1696 noch nicht, erst 1824 wurde vom Konsistorium – einer kirchlichen Behörde – in Aurich verfügt, einen Totengräber einzustellen. Die Gemeinden wehrten sich noch langen dagegen, das alte Recht der Nachbarschaftshilfe sollte nicht angetastet werden, auch fürchtete man die zusätzlichen Kosten für den Totengräber. Manchmal war es nicht einfach den richtigen Begräbnisplatz zu finden. Jedes Haus besaß eine Anzahl Gräber, meist waren es sieben. Aber der Friedhof war nicht in Grabreihen aufgeteilt, allenfalls in Felder. Die Gräber waren nicht mit einem Grabstein gekennzeichnet, nur die leicht erhobenen Grabhügel boten Orientierung. Der ganze Friedhof war mit Gras bewachsen, das vom Küster gemäht werden durfte.
Zur festgesetzten Uhrzeit setzte sich der Leichenzug vom Trauerhaus ausgehend in Bewegung. Die Kirchengemeinde besaß für die Beerdigung einen Leiterwagen auf dem der Sarg gehoben wurde. Der nächste Bauer spannte seine Pferde davor und die Trauergemeinde lief zum Friedhof. Dabei wurde in Engerhafe immer der Weg über den Dodentwenter genommen. Wenn beim Glockenturm der Trauerzug gesehen wurde, fing man an zu läuten, meist waren es wieder die Nachbarn.
Aus der Nachbargemeinde in Victorbur sind noch Einzelheiten zum Glockenläuten überliefert. Und zwar berichtet Pastor Kirchhofer 1779 in einem Schreiben über das Glockenläuten: „[…] wenn die Gräber fertig sind, ein Zeichen mit der Glocke gegeben werde, auch hernach, wenn die Leichen im Anzuge sind, eine Zeitlang vorher ehe sie zum Kirchhof kommen, geläutet werde, […]“.
Hier wird auch über die Art des Läutens berichtet und zwar geschieht dies in mehreren sogenannten Pulsen, ein Puls dauert in der Regel etwa 6 Minuten. Zwischen zwei Pulsen sind etwa 3 Minuten Pause. Das Läuten dient hier auch als Zeichen für die Beteiligten.
Am Sterbetag gab es schon das Einleg-Läuten und nach der Beerdigung das Nach-Läuten. Siek Postma, Pastor in der Krummhörn, wird in dem Buch „Moden und Maneren“ , in einem Beitrag in dem es über „Den Doden verlüden“ geht, mit den Worten zitiert: „Bei einer Beerdigung läuten eigentlich die ganze Zeit die Glocken und zeigen jeden Schritt an. So nehmen im Ort auch die Menschen daran teil, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bei der Beerdigung dabei sein können. Den Angehörigen wiederum vermittelt dieses feste Ritual ein Gefühl der Sicherheit.“
Dieser Ablauf einer Beerdigung ist also über ca. 400 Jahre so beibehalten worden, bevor er sich in unserer Zeit radikal geändert hat. Mit der Aufbahrung des Leichnams in einer Friedhofshalle und nicht mehr im Trauerhaus, änderten sich die Abläufe.
Vom Abendmahl
Zurück zu unserem Eintrag vom Jahr 1696. Hier wollte also der damalige Pastor, – es muss Christoph Henning, zwischen 1695 und 1706 Pastor auf der Osterpastorei oder auch 2. Pastorei sein – den Verstorbenen nicht christlich beerdigen. Und auch dem Küster und Organisten wurde verboten bei der Beerdigung singen zu lassen und er sollte den Glockenturm abschließen, damit die Nachbarn die Glocken nicht läuten konnten. Zu einer christlichen Beerdigung gehörten vor allem drei wesentliche Dinge: 1. die Leichenpredigt, 2. christliche Gesänge durch den Organisten mit den Schulkindern und 3. das Läuten der Kirchenglocken.
Der Grund für die Verweigerung wird auch mit angegeben: das nicht gebrauchen, das heißt keine Teilnahme am Abendmahl. Das klingt für uns heute sehr befremdlich. Auch das den Nachbarn, die mit dem Vorgehen des Pastors anscheinend nicht einverstanden waren, es so wichtig war, dass wenigstens die Glocken zur Beerdigung läuten sollten, das sie dies sogar gewaltsam, eigenhändig verrichteten, können wir heute nur schwer einordnen. Hier muss also das Abendmahls-Verständnis und auch das beim Begräbnis in der damaligen Zeit eine wesentlich andere sein, als wie heute.
Eine teilweise Aufklärung bietet ein Buch von David Warren Sabean. Er untersucht Visitationsprotokolle aus Württemberg, aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Diese Visitationen durch den Superintendenten fanden damals jährlich statt und ein immer wiederkehrendes Thema war das Anzeigen von Kirchenmitgliedern, die eine Teilnahme am Abendmahl verweigerten.
Die Gründe der Verweigerung wurden im Buch von David Warren Sabean auch angesprochen. Die Menschen des 16. Jahrhunderts hatten Angst davor, das Abendmahl unwürdig einzunehmen, für sie gilt, dass Unbußfertige für das Abendmahl unwürdig sind und nicht teilnehmen dürfen.
In dem Wirdumer Religionsgespräch, zu dem Gräfin Anna am 10. Mai 1552 einlud, wurde dieses Thema behandelt. Die Ergebnisse wurden in der Formula Wirdumana festgehalten: […] „Die aber unbußfertigen Hertzen und unglauben das würdige Sakrament geniesen und dazu gehen, die machen sich schuldig an dem Leibe und Blute des Herrn, und essen ihnen selbst das Gericht, damit sie es nicht unterscheiden den Leib des Herrn“.
Diese Unbußfertigkeit und Unwürdigkeit bestand nach damaliger Meinung darin, dass eine vorhergehende Vergebung von individueller Schuld nicht stattgefunden hatte. Bei Verstößen gegen die Ordnungen von Staat und Kirche wurden die Kirchenmitglieder aufgefordert dies zu bekennen (Beichte), dann konnte die Vergebung (Absolution) durch den Ortspastor zugesprochen werden und dies alles wurde mit dem Abendmahl befestigt. Würdig für das Abendmahl war derjenige, der seine Schuld bekannte, seinem Gegner vergeben hatte und dem die Vergebung zugesagt worden war.
Nun hatten einige ein Problem damit, ihren Widersachern zu vergeben. Dazu kam, dass man bei einer offenen Rechtssache solange abwartete, bis ein Urteil gesprochen wurde. Erst nachdem gerichtlich geklärt war, wer schuldig war, konnte auch eine gegenseitige Vergebung stattfinden.
Außerdem gab es Menschen, die der Auffassung waren, ihnen war von den Vertretern der öffentlichen Ordnung Unrecht getan worden. Auch diese waren im Unfrieden mit den jeweiligen Personen und sahen sich nicht in der Lage, das ihnen geschehene Unrecht zu verzeihen.
Hier wurde durch das Fernbleiben vom Abendmahl, auch der Protest gegen die ungerechte Behandlung durch die Obrigkeit offenbar. Hier zeigte man dem Vertreter der öffentlichen Ordnung, das konnte hier in Engerhafe der Vogt oder auch der Pastor sein, dass man Unrecht erlitten hatte und keine Bereitschaft bestand, zur Tagesordnung überzugehen.
Das alles nahmen die damaligen Christen und auch die Pfarrer sehr ernst. Eine Teilnahme am Abendmahl war nur möglich, wenn man mit Gott und mit seiner Mitwelt im reinen war. Mit dem Abendmahl wurde nach außen gezeigt, das keine verborgene Schuld vorhanden war.
Das sind nur Vermutungen zur Vorgeschichte und die wahren Gründe bleiben uns verborgen, auf jeden Fall wollten beide Pastoren ein Exempel statuieren, denn auch der erste Pastor Heinrich Wolken, der von 1688 bis 1712 in Engerhafe Pastor war, hat hier eine entscheidende Rolle gespielt und er hat den Beschwerdebrief an Fürst Christian Eberhard als erster unterschrieben.
Aber auch die Nachbarn waren selbstbewusst genug, gegen die nach ihrer Meinung nach willkürliche Verweigerung der christlichen Beerdigung vorzugehen. Beteiligt beim gewaltsamen Glockenläuten waren: Reiner Schatteborg, Oldeborger Strasse 78, er war Kirchverwalter, Cornelies Jacobs, Oldeborger Strasse 68 und 60, Berend Oltmans, Albert Gerdes, Oldeborger Strasse 44, Hicke Siebels, Oldeborger Strasse 64. Auf der anderen Seite der Küster von Engerhafe Frerich Tammen, dem befohlen worden war den Glockenturm abzuschließen und der erst unter Gewaltandrohung den Zugang ermöglichte.
Pastor Christoph Henning
Pastor Christoph Henning war erst ein Jahr in Engerhafe Pastor und wollte vielleicht ein Exempel statuieren um dieses absichtliche Nichtteilnahme am Abendmahl einzudämmen. Denn bei jeder Abendmahlsverweigerung wegen des Protests gegen die unkorrekte Behandlung durch die Obrigkeit, gelangten die Gründe in das Blickfeld der Öffentlichkeit.
Möglich wäre auch, dass schon vorher Konflikte bestanden haben. Pastor Christoph Henning stammte aus Oldeborg, sein Vater war fürstlicher Vogt und auch sein Großvater der 1663 im Capitalschatzungsregister schon erwähnt wird, war in Oldeborg ansässig. Es scheint möglich, dass hier schon familiäre Spannungen vorhanden waren.
Im Verzeichnis der Prediger von Ostfriesland, aufgestellt von Reershemius, wird erwähnt das Pastor Henning 1706 removiert (entfernt) wurde. Vielleicht gab es noch weitere Fälle, in denen er seine seelsorgerische Aufgaben hintenan gestellt hatte und stattdessen eine mehr herrschende Amtsausübung an den Tag legte.
Im Kirchenarchiv liegen noch Dokumente über die Absetzung von Christoph Henning. Wegen „vielen Sauffen und andern unanständigen Wesen“ ihres Pastors Christoph Henning wenden die Kirchverwalter der Kirchengemeinde Engerhafe sich an das Konsistorium (die kirchliche Verwaltungsbehörde) in Aurich. Pastor Henning wurde vom Herrn der Grafschaft Ostfriesland, Fürst Christian Eberhard am 02. November 1706 daraufhin aufgefordert sein Verhalten zu ändern und verwarnt. Diese Schreiben sind im Kirchenarchiv Engerhafe nicht vorhanden, lassen sich aber aus den späteren Briefwechsel rekonstruieren.
Kurze Zeit später, Anfang 1707, verfasst der Kirchenverwalter Johann Blancken eine Revisionsschrift, die Kirchenverwalter wollen, dass Christoph Henning aus seinem Dienst entfernt wird. Fürst Christian Eberhard bleibt aber bei seiner Entscheidung und lässt sie vom Dekan der Theologischen und Juristischen Fakultät der Universität Leipzig mit Datum vom 02. Mai 1707 bestätigen.
Anscheinend hat Christoph Henning sein Verhalten nicht geändert, denn die Kirchverwalter haben wieder eine Eingabe gemacht. Am 23. September 1710 wird Pastor Henning schließlich von Fürst Georg Albrecht, der inzwischen für seinen verstorbenen Vater regierte, abgesetzt. Die Kirchengemeinde Engerhafe wird befugt sich einen neuen Pastor zu wählen.
Die Kirchenbücher
Diese Eintragung im Kirchenbuch über die Beerdigung von Emcke Mennen, fällt in die Anfangszeit der Führung von Kirchenbüchern. In der Marienhafer Kirchenordnung von 1593, die von vielen Pastoren der Umgebung, auch vom damaligen Engerhafer Pastor Bernadus Gerardi mit ausgearbeitet und unterzeichnet wurde, stand:
„Es soll auch bey jeden kirchen ein buch sein, drein die namen der tauflingen sampt den eltren und gevattren auf dato jars, monatz und tages von prediger ahngeschriben werden, den es ihn sterbenszeiten und sunst zutragen kan, das man diser sachen schriftliche zeugnus haben muß.“
Der Grund für die Führung von Kirchenbüchern war also, dass man mehr Kontrolle über den Familienstand der Gemeindeglieder haben wollte. Wer war getauft? Wie hießen Eltern und Taufpaten? Aber auch, wer war mit wem verheiratet? Wollte man in einer fremden Gemeinde am Abendmahl teilnehmen oder heiraten, musste man eine schriftliche Bestätigung der Heimatgemeinde beim Pastor vorlegen.
Auch heute noch muss eine Dimissoriale vorgelegt werden, wenn jemand in einer fremden Gemeinde, sich konfirmieren lassen will, kirchlich heiraten, sein Kind dort taufen lassen möchte oder beerdigt werden soll.
Dies kann inzwischen auch telefonisch zwischen den beteiligten Pfarrämtern geschehen. Wer Taufpate werden möchte, benötigt dazu einen Patenschein, der auch vom zuständigen Pfarramt ausgestellt wird, hiermit weist man nach, das man getauft, konfirmiert und Mitglied der jeweiligen Gemeinde und damit in der Lage ist, das Patenamt auszuführen.
Wenn auch mit der Marienhafer Kirchenordnung die kirchenrechtlichen Grundlagen für das Führen von Kirchenbüchern geschaffen wurden, hat es dann noch eine Weile gedauert, bis man dazu überging die Daten der Taufen, Heiraten und Beerdigungen aufzuzeichnen, denn erst seit 1666 liegen uns die ersten Aufzeichnungen für Engerhafe vor. Die ersten vorliegenden Kirchenbücher aus der näheren Umgebung fallen alle in diese Zeit (Marienhafe 1680, Osteel 1712, Victorbur 1620, Wiegboldsbur 1700).
Abbildung: Die erste Kirchenbucheintragung aus dem Jahr 1666 in Engerhafe. Vorgenommen vom Pastor Henricus Brawer. Er war 1666 nach Engerhafe gekommen.
Vereinzelt gibt es frühere Aufzeichnungen, etwa das Traubuch von Aurich aus dem Jahre 1585, aber in der Regel beginnen die Kirchenbücher und damit die Voraussetzungen für die genaue Ahnenforschung am Ende des 17. Jahrhunderts. In einigen Gemeinden, in Engerhafe seit 1547, liegen noch Kirchenrechnungen vor, in denen die Abgaben der Gemeindeglieder aufgelistet sind. Manchmal wurden nicht nur die Abgabepflichtigen sondern auch die Mitbewohner festgehalten. Auch mit diesen Listen kann man Personen der Gemeinde erforschen. Die verwandtschaftlichen Verhältnisse kann man aber aus ihnen nicht ableiten.
Ab 1726 wurden in Engerhafe alle Kommunikanten (Abendmahlsteilnehmer) aufgeführt. Das findet sich früher oder später auch in anderen Gemeinden. In Engerhafe wurde dieses Buch allerdings sogar noch bis 1960 weitergeführt.
Diese Kirchenbücher sind die Grundlage der Familienforscher um ihre Vorfahren zu ermitteln, solange bis am 1. Oktober 1874 in Preußen die Standesämter eingeführt wurden, die ein Personenstandsregister zu führen hatten.
Vom Glockenläuten
Schwierig wird es, die damalige Wichtigkeit des Glockenläutens zu interpretieren. Während man heute das Glockenläuten als Ruf zum Gebet bei bestimmten Tageszeiten und als Ankündigung eines Gottesdiensts gebraucht, so kann es im 17. Jh. noch eine andere Bedeutung gehabt haben.
Glocken gelten als das Sinnbild der Harmonie. Auch schreibt man ihnen die Fähigkeit zu, durch ihr Geläut Himmel und Erde miteinander zu verbinden. Die kulturelle und spirituelle Bedeutung der Glocken hat Alexander Solschenizyn in der Erzählung „Am Oka-Fluß entlang“ auf den Punkt gebracht: „Schon immer waren die Menschen selbstsüchtig und oft wenig gut: Aber das Abendläuten erklang, schwebte über den Feldern, über dem Wald. Es mahnte die unbedeutenden, irdischen Dinge abzulegen, Zeit und Gedanken der Ewigkeit zu widmen. Dieses Läuten bewahrte die Menschen davor, zu vierbeinigen Kreaturen zu werden.“
Dies sind Aussagen heutiger Zeit über das Glockenläuten. Sie können uns die Wichtigkeit, insbesondere im Zusammenhang mit der Beerdigung, die sie in der früheren Zeit hatten nicht mehr klar machen.
Zusammenfassung
In den einschlägigen Vorschriften und Kirchengesetzen der damaligen Zeit waren die Lehren der Reformation enthalten. Es wurde darin aber auch sehr stark auf das Verhalten der Gemeindeglieder Einfluss genommen. Insbesondere beim Abendmahl war Martin Luther kompromisslos und hing hier sehr stark an der katholischen Deutung. Darüber kam es auch zur Spaltung im evangelischen Lager. Das einzige was er gegenüber der katholischen Handlungsweise änderte, war die Zulassung des Kelchs, auch für die sogenannten Laien.
Ich denke, zusammenfassend kann gesagt werden, den Menschen des 16. bis hin zum 18. Jahrhundert, war es wichtig, alles Erdenkliche zu tun um ihr Seelenheil zu erlangen. Die Frage, wie bekomme ich einen gnädigen Gott, war die wichtigste im Leben der früher lebenden Menschen.
Dabei ist es doch so einfach: Durch Glauben an Jesus Christus erlangen wir das ewige Heil, nachzulesen z.B. im Johannesevangelium.
„Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ .