Ich erinnere mich, dass wir als Kinder im Herbst immer Kastanien und Eicheln in große Säcke gesammelt haben und sie dann beim Zoo für die Tiere abgeben konnten. Was waren wir stolz! Ich erinnere mich, dass ich als kleines Mädchen den November immer als grau und traurig erlebt und auch die ganzen Gedenktage nicht verstanden habe. Wir gingen zum Grab meines Großvaters, den ich nie kennengelernt habe und legten ein Blumengesteck nieder. Wie freute ich mich da auf die Advents- und Weihnachtszeit! Aber die war auch nicht nur fröhlich: Vor dem damaligen Kaufhaus stand immer ein Weihnachtsmann mit seinem echten Esel, vor dem man Fotos machen konnte. Wir empfanden ihn furchteinflößend. Genauso wie der Nikolaus, der mit seiner Knute kam und nach guten und bösen Kindern fragte. Erinnerungen… Was bleibt von den Kindheitseindrücken? Was erinnern wir?
Jetzt im November kommen die ganzen Gedenktage, an denen wir der Opfer beider Weltkriege, an den Horror des Nationalsozialismus erinnern. Wir denken auch an den Zusammenhang eigener Schuld und wo wir der Vergebung bedürfen. Und wir erinnern uns an unsere Verstorbenen, die vor uns gegangen sind und die wir vermissen. Gedenke doch…heißt es in der Bibel mehrfach und meistens wird Gott damit angesprochen. Z.B. Nehemia betet: „Gedenke doch meiner, o mein Gott, zum Guten!“ (Neh 2,4) Nehemia wollte alles richtig und Gott nur Freude machen und hofft, Gnade vor seinem Herrn zu finden.
Gott sieht uns und er denkt an uns jeder Zeit. Im vollen Vertrauen auf die Kraft des Gebets bittet Nehemia, dass Gott ihn in liebevoller Erinnerung behält und ihn segnet. Das ist der ureigenste Sinn der Erinnerung: Die liebevolle Erinnerung und der Wunsch nach Segnung all dessen, was geschehen ist. Gestern-heute und allezeit.
Und an Weihnachten denken wir an das, was Gott für uns tut: Er schenkt uns Jesus, seinen eigenen Sohn, wird Mensch. Deshalb findet auch unsere Erinnerung ihren jeweiligen Platz. Ich habe beschlossen, mich gerne zu erinnern, sei es an Gutes oder Böses, weil es bei Gott gut aufgehoben ist und Gnade findet. Gedenke an das, was Dir Kummer bereitet, an die Menschen, die Du loslassen musstest und an die Hilfe, die Dir zuteilwurde. Ich wünsche Ihnen nachdenkliche, besinnliche Tage und eine gesegnete, zufriedene Weihnachtszeit.
Ihre Pastorin Katharina Herresthal