Enno hatte die Nase voll. Er wollte einfach nicht mehr bleiben. Schon wieder war er in der Warteschleife bei seinem Facharzt gelandet. Eigentlich wäre die Terminvereinbarung und ein Gespräch mit seinem Arzt wichtig gewesen. Aber er hatte keine Geduld mehr und legte den Hörer unverrichteter Dinge auf.
Es ist nicht leicht, ein Vorhaben bis zuletzt durchzuziehen, wenn mir auf halber Strecke die Puste ausgeht. Bleiben, bedeutet auch, dranzubleiben, Geduld aufzubringen, wenn etwas länger als erwartet dauert, wenn keine Lösung in Sicht ist. Jetzt in der Coronazeit haben wir gelernt, immer dranzubleiben an den Hygiene- und Abstandsvorschriften. Und jetzt im Frühjahr wollen wir am liebsten nicht mehr dabei bleiben, sondern eine neue Freiheit genießen.
Sich wieder unbefangen mit Freunden treffen, zu Gottesdiensten spontan gehen ohne sich anzumelden, Konzerte besuchen ohne sich vorher testen zu lassen. Und dann kommt jetzt in die Lockerungsphase der Coronabeschränkungen der Krieg in der Ukraine, der uns alle ohnmächtig und betroffen macht. Und das löst bei vielen aus, dass man sich nicht mehr unbeschwert freuen mag angesichts des Leids, das uns täglich in den Nachrichten erreicht. Und wo bleiben dann unsere Gefühle? Wir sind hin und her gerissen zwischen Bangen und Hoffen, zwischen Ernst und neu gewonnener Leichtigkeit.
Jesus hat seine Jünger im Garten Gethsemane gebeten: Bleibet hier und wachet mit mir. Die Bitte, im Gebet zu bleiben, wach zu bleiben, ihn in seinen letzten Stunden zu begleiten. Eine einfache Bitte, aber die Jünger schaffen es nicht. Sie schlafen ein; das ist menschlich. Zu erschöpft sind sie von der Erkenntnis, dass sie Jesus schon bald verlieren werden und dass ihre Situation sich gefährlich zuspitzt. Sie schaffen es nicht, zu bleiben. Das ist menschlich.
Deshalb ist dieser Appell Jesu auch für uns heute so wichtig: Bleibet hier und wachet mit mir. Haltet aus und betet mit mir! Nur so lässt sich die Schwere unserer Zeit ertragen und aushalten und auch umwandeln in Freiheit und Leichtigkeit.
Eine hoffnungsfrohe Frühlingszeit wünsche ich Ihnen,
Ihre Pastorin Katharina Herresthal