Im Stall meines Opas

Wenn es draußen kalt war und die Feuchtigkeit aus der Luft sich Wege bahnte bis auf die Haut, dann ging ich gerne in den Stall. Ich war noch ein kleiner Junge mit einem ausgezeichnet lieben Opa an der Seite, der drei Kühe hatte und manchmal ein Kälbchen und zwei Schweine.

Im Stall war es warm – über mir der Boden mit dem duftenden Heu und dem Stroh – und der Wind konnte nur durch wenige Ritzen hindurch in meine Burg eindringen. Manchmal, wenn es schneite, blies der Wind sogar etwas Schnee in den Stall. Aber die Wärme und Geborgenheit, die er ausstrahlte, war dadurch nie gefährdet. Das Leuchten der alten Stalllampe tauchte zudem den Raum in ein warmes Licht. Irgendwie war dort Frieden – und immer wenn vom Stall in Bethlehem die Rede ist, erinnere ich mich an den Stall bei meinen Großeltern.

Weihnachten beginnt im Stall. Zwischen Ochs und Esel wird ein Kind geboren. Die Mutter heißt Maria, der Vater Josef. Und die Geschichte, die davon erzählt, stellt das Geschehen noch in einen anderen weiten Zusammenhang. Das Kind, so sagt der Engel, ist der Heiland der Welt. Er ist es, der der Welt Frieden bringen will. Ob er darum wohl im Stall zur Welt kommt? In den Schlössern und Burgen der Könige ist schon mancher Krieg geplant worden. Aber die Macht, die hinter diesem Kind steht, will Frieden! Äußerlichen Frieden sowieso. Schwerter sollen zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. Kriege und Gewalt sollen nicht sein, sagt Gott.

Und es geht auch um innerlichen Frieden. Es geht darum, dass Kinder sich nicht fürchten müssen. Kein Kind soll Angst haben vor der Zukunft. Kein Kind soll geschlagen werden oder missbraucht. Niemand soll Kinder quälen. Sie sollen zu Essen, Sicherheit und zu Trinken haben – und Liebe! Sie haben Rechte!
Denn Gott selbst wird ein Kind. Und seit Weihnachten sehen wir in jedem Kind auch das Angesicht Gottes!

Und auch Erwachsene – jeder Mensch, ob Frau oder Mann – sollen Frieden finden, Geborgenheit, sollen Vergebung erfahren und anderen vergeben, sollen teilen, geben und bekommen. Das wäre gut und richtig. So soll die Welt sein. In der Heiligen Nacht ist uns das klar und die Sehnsucht danach wächst.

Ach, hätten wir doch noch diesen Stall meines Großvaters. Diesen Ort der Geborgenheit und des Friedens, der Wärme und des Lichtes. Geheimnisvoll würde sich unsere Sehnsucht ein wenig erfüllen. Und wie Friedensleuchten breitete sich der Schein des Sterns wie ein willkommener Nebel über uns aus, der uns nur noch Augen haben ließe für das Kind in der Krippe.

Weihnachten – immer auch Flucht in den Stall vor der Kälte der Welt mit ihrer Angst und ihrem Schmerz, ihrem Unfrieden und ihrer Feindschaften. Im Stall vergessen wir – wenn auch nur für Augenblicke – was unsere Augen manchmal nicht mehr sehen wollen. Gnädig lässt uns der Schein des Weihnachtslichtes eintauchen in den sehnsüchtig erwarteten Hauch des Friedens.

Die Nacht geht vorübergeht, doch wird sie uns verändern!
Und die Jahreslosung für 2019 bringt uns wieder auf den Weg: „Suche Frieden und jage ihm nach“ Ps. 34,15.

Pastor Claus Dreier

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